Norderstedt. In Norderstedt bahnt sich ein Streit zwischen BUND und der Kommunalpolitik um das Gewerbegebiet am Flughafen Hamburg an.

Bleibt die Garstedter Feldmark grün, können sich Tiere und Pflanzen weiter ungestört dort tummeln, Menschen sich erholen? Oder kann im südlichen Teil des Norderstedter Naherholungsgebietes Gewerbe angesiedelt werden? Das ist eine der zentralen Fragen, auf die der Regionalplan für den Planungsraum III Antworten geben wird. Am Dienstag, 26. September, werden Norderstedts Stadtvertreter und Stadtvertreterinnen ab 19 Uhr im Rathaus ihre Stellungnahme zu dem Plan abgeben, der für die nächsten 15 Jahre festlegen wird, wie und wo sich die Stadt entwickeln kann.

Und bei der Neuaufstellung der Regionalpläne, an der Kommunen, Verbände und Bürger mitwirken können, spielt für Norderstedt die Zukunft der Garstedter Feldmark eine entscheidende Rolle. Verwaltung und die Mehrheit der Politiker hat sich klar positioniert: Der Bereich nördlich der Ohechaussee Richtung Autobahn 7 soll als Bauerwartungsland ausgewiesen werden – damit will sich die Stadt die Option sichern, das Gewerbegebiet Nordport nach Nordwesten erweitern und neue Firmen ansiedeln zu können.

Gewerbe in der Garstedter Feldmark? BUND lehnt das ab

Die Abstimmung der Stadtvertreter und Stadtvertreterinnen am Dienstagabend wird allerdings nicht störungsfrei verlaufen. Sie werden sich mit kritischen Fragen und Anmerkungen konfrontiert sehen. Winfried Günnemann wird die Chance nutzen, die Gegenposition des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) deutlich zu machen – schon im Sommer hatten die Naturschützer, die auf der fraglichen Fläche eine Streuobstwiese mit 100 Bäumen pflegen, Widerspruch geäußert.

Die Feldmark habe eine hohe Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz, den Klimaschutz sowie für die Feierabend- und Naherholung. Obwohl diese besondere Bedeutung der Garstedter Feldmark in Verwaltung und Politik unumstritten sei, sei es für den BUND unverständlich, dass immer wieder Versuche unternommen würden, aus vermeintlich lukrativen wirtschaftlichen Erwägungen in das geplante Landschaftsschutzgebiet einzugreifen.

225 Hektar für die Expansion des Nordports – „das ist eine Erweiterung um 600 Prozent“

Mitglieder des BUND Norderstedt und des Frauen-Netzwerks SI auf der Streuobstwiese in der Feldmark, hier beim Pflanzen einer Baumspende.
Mitglieder des BUND Norderstedt und des Frauen-Netzwerks SI auf der Streuobstwiese in der Feldmark, hier beim Pflanzen einer Baumspende. © Nadine Wagner | Nadine Wagner

Neben der grundsätzlichen Kritik am Eingriff in die Naturfläche stört den BUND vor allem die Dimension der im neuen Regionalplan als Bauerwartungsland gekennzeichneten Fläche: „Wir haben mit zwei unterschiedlichen Programmen übereinstimmend gemessen, dass es sich um rund 225 Hektar handelt. Das entspricht 347 Fußballfeldern und ist eine Erweiterung um mehr als 600 Prozent, umfasst doch der Nordport lediglich 35 Hektar“, sagt Günnemann. Die Größe der potenziellen Erweiterungsfläche für das Gewerbegebiet habe die Stadt aber nie beziffert. Warum auf eine Größenangabe verzichtet worden sei, will Günnemann in der Stadtvertretung von der Verwaltung wissen.

Die Verwaltung bewerte die vorgesehene Expansion als „moderat“. Günnemmans Frage: „Wie kommen sie angesichts der Erweiterung um rund 600 Prozent auf eine solche Bewertung?“ Der Landesentwicklungsplan schreibe vor, dass der Flächenbedarf vorher gründlich abgeschätzt werden solle. Außerdem solle im Sinne der Nachhaltigkeit bei der gewerblichen Entwicklung auf eine möglichst geringe Inanspruchnahme neuer Flächen geachtet werden. Schließlich heiße es im Entwurf zum Regionalplan III: Die Garstedter Feldmark sei ein regionaler Grünzug im Ordnungsraum Hamburg, in dem generell nicht planmäßig gesiedelt werden dürfe.

Flächenbedarf: Hat die Stadt Homeoffice und Konjunkturdelle berücksichtigt?

Die Verwaltung begründe den Bedarf an weiteren Gewerbeflächen mit einer Prognose des Beratungsunternehmens CIMA von 2019. Danach müsse Norderstedt jährlich 4,4 Hektar ausweisen, bei einem Planungszeitraum von 15 Jahren seien das 66 Hektar. Dieser Wert beziehe sich auf alle Gewerbegebiete in der Stadt mit einer Gesamtgröße von 275 Hektar.

„Welchen Flächenbedarf für den Nordport hat die Verwaltung aus diesen Zahlen abgeleitet?“, will der BUND-Vertreter weiter wissen. Hat die Stadt das veränderte Arbeitsverhalten durch mehr Homeoffice und die stagnierende bzw. rückläufige Konjunktur bei ihrer Bedarfspronose berücksichtigt? Und wie war die Nachfrage nach Gewerbeflächen von 2019 bis jetzt? Günnemann wird die Parteien auffordern, den von ihnen behaupteten Bedarf für weitere Gewerbeflächen in die Garstedter Feldmark hinein zu begründen.

Land will Norderstedt langfristig Spielraum für die Entwicklung von Gewerbe geben

Etwa 170 kommunale Vertreter aus Verwaltung, Politik und Verbänden hörten sich im Juli im Norderstedter Kulturwerk die Neuerungen der Regionalplanung an.
Etwa 170 kommunale Vertreter aus Verwaltung, Politik und Verbänden hörten sich im Juli im Norderstedter Kulturwerk die Neuerungen der Regionalplanung an. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Zwar spreche die Stadt davon, sich nur eine Option sichern zu wollen, aber: „Eine Option lässt man sich einräumen, wenn man den Plan gegebenenfalls verwirklichen will. Diesen Absichten treten wir daher hier und jetzt entgegen“, sagt der BUND-Vertreter, der mit seinen kritischen Fragen möglichst viele Bürger und Bürgerinnen informieren und aufrütteln will. Noch können sie bis zum 9. November Stellung nehmen, die Unterlagen können unter http://www.bolapla-sh.de/ eingesehen werden.

„Aus dem Blickwinkel des Landes Schleswig-Holstein ist Norderstedt als viertgrößte Stadt des Landes im dynamischen Verflechtungsraum ein Wachstumsbereich der Metropole Hamburg und damit geeignet, im gewerblichen Bereich weiterhin eine impulsgebende Rolle zu spielen“, heißt es in der Vorlage der Verwaltung für die Stadtvertretung. Das Land wolle Norderstedt langfristig Spielraum für die Ansiedlung von Gewerbe geben. Und da sei die südliche Feldmark der einzige Bereich, in dem der Nordport expandieren könne.

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Garstedter Feldmark: „Wir wollen ja nicht die ganze Fläche bebauen“

Daher hält es die Stadtverwaltung für opportun, eine Option für die Nordport-Erweiterung zu sichern. Die Stadtvertreterinnen und Stadtvertreter der Parteien CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke haben zumindest nicht widersprochen. „Wir wollen ja nicht die ganze Garstedter Feldmark bebauen“, sagte SPD-Fraktionschef Nicolai Steinhau-Kühl, als das Land die Regionalpläne im Juli öffentlich vorgestellt hat. Es solle da nur eine perspektivische Fläche zur Erweiterung geschaffen werden.

Bis zum 9. November können die Bürger und Bürgerinnen zum Regionalplan Stellung nehmen

Ähnlich sah das CDU-Fraktionschef Peter Holle. Erst einmal sollten die vorhandenen Gewerbegebiete volllaufen und dann die nicht genutzten revitalisiert werden, bevor am Nordport Erweiterung nötig sei. Das wäre aus seiner Sicht erst in etwa 20 Jahren der Fall. „Wir werden das vorher definitiv nicht anfassen. Das sollte nicht für Unruhe in der Bevölkerung sorgen.“

Lediglich die Wählergemeinschaft Wir in Norderstedt (WiN), traditionell eng mit Garstedt verbunden, stellte sich kategorisch gegen den Plan – und findet im BUND engagierte Unterstützer. Die Gegner der Gewerbe-Expansion in die Feldmark dürfte zumindest beruhigen, was noch im Entwurf zum Regionalplan steht: „Die landschaftsprägenden und städtebaulich strukturierenden Grünzäsuren zwischen Norderstedt und Norderstedt-Garstedt sowie zwischen Norderstedt-Friedrichsgabe und dem nördlich angrenzenden Henstedt-Ulzburg sind zu erhalten.“ Wohnraum solle entlang der Magistralen geschaffen und das ÖPNV-Netz verdichtet werden.