Norderstedt. Neuer Regionalplan: Erweiterung des Nordport nach Norden ist möglich. Umweltschützer warnt vor den schlimmen Folgen.

Wie sollen sich die Lebensräume in Norderstedt und den anderen Kommunen des Kreises Segeberg in den kommenden 15 Jahren bis 2038 entwickeln? Wo ist schützenswerte Natur, wo soll gewohnt, wo gearbeitet, wo mit Auto oder Fahrrad gefahren werden? Ziele und Grundsätze für alle Entscheidungen auf kommunaler Ebene geben die Regionalpläne der Landesregierung vor. Und diese werden nun nach 20 Jahren neu aufgestellt.

Für Norderstedt und den Kreis Segeberg gilt der Regionalplan 3. Wer sich den Plan anschaut (unter bolapla-sh.de), stößt auf ein scheinbar chaotisches Gewirr aus Linien und Symbolen, die sich über Norderstedt und die Karte des Kreises Segeberg legen. Doch diese Linien und Symbole entscheiden peinlich genau darüber, wo in der Realität Stadtentwicklung möglich oder Natur geschützt wird.

Norderstedt: Gewerbe oder Grün – die brisante Debatte um die Feldmark

Die Ohechaussee trennt das Gewerbegebiet Nordport mit dem Unternehmen Condair vom Südrand der Garstedter Feldmark.
Die Ohechaussee trennt das Gewerbegebiet Nordport mit dem Unternehmen Condair vom Südrand der Garstedter Feldmark. © Christopher Mey

Wer die alte Regionalplanung aus dem Jahr 1998 neben den jetzt vorliegenden Entwurf der Planung 2023 legt, erkennt eine der wenigen, aber prägnanten Änderungen bei genauerem Hinsehen. An der Kreuzung der Bundesstraße 432 – an dieser Stelle die Ohechaussee – mit der Niendorfer Straße, da macht eine rote Linie, die Siedlungsgebiet von der Grünachse Feldmark trennt, in der neuen Version einen Schlenker in Richtung Westen. Und das birgt einiges an Konfliktpotenzial.

Denn der „Schlenker“ im neuen Regionalplan macht einen Teil der nördlich der Ohechaussee liegenden Grünflächen der Garstedter Feldmark zum Bauerwartungsland. Denn hier – so ist es der Wunsch der Stadtplanung und auch der großen Mehrheit der Kommunalpolitik – sollen sich in einer nicht allzu fernen Zukunft weitere Unternehmen im nach Norden erweiterten Gewerbegebiet Nordport ansiedeln.

Nordport ist das erfolgreichste Gewerbegebiet der Stadt

„Die Weiterentwicklung des Gewerbegebietes ,Nordport’ nahe des Flughafens der Freien und Hansestadt Hamburg ist anzustreben.“ So steht es kurz und knapp in den Erläuterungen zum Regionalplan. Der Nordport ist das vielleicht erfolgreichste Gewerbeansiedlungsprojekt der Stadt Norderstedt in seiner 50-jährigen Geschichte. Großunternehmen wie Casio, Condair und Tesa haben hier ihre Firmenzentralen angesiedelt. Die Nähe zum Flughafen macht das Gebiet zum begehrten Standort.

Ist es also opportun, einen Teil der südlichen Grünflächen in der Feldmark für den weiteren wirtschaftlichen Erfolg zu opfern – im Übrigen der einzige mögliche Erweiterungsraum für den Nordport? Die Stadtverwaltung würde mit einem Ja antworten. Und die Stadtvertreterinnen und Stadtvertreter der Parteien CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke sagen zumindest nicht Nein – sie stimmten im Oktober 2022 für die Aufnahme der Absichtsbekundung in den Regionalplan und signalisierten somit Gesprächsbereitschaft. Denn letztlich entschieden darüber würde ja am Ende in der Stadtvertretung.

Kommunalpolitik war mit großer Mehrheit für Option Erweiterung nach Norden

Lediglich die Wählergemeinschaft Wir in Norderstedt (WiN), traditionell eng mit Garstedt verbunden, stellte sich kategorisch gegen den Plan, verweigerte die Zustimmung und machte das zum Thema im Kommunalwahlkampf.

Unterstützung erhält die WiN dabei vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Die Feldmark habe eine hohe Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz, den Klimaschutz sowie für die Feierabend- und Naherholung, sagt Herwig Niehusen von der Norderstedter Ortsgruppe des BUND. „Obwohl diese besondere Bedeutung der Garstedter Feldmark in Verwaltung und Politik unumstritten ist, ist es für den BUND unverständlich, dass immer wieder Versuche unternommen werden, aus vermeintlich lukrativen wirtschaftlichen Erwägungen in das geplante Landschaftsschutzgebiet einzugreifen.“

BUND: Arten- und Klimaschutz sind in Gefahr

Herwig Niehusen (1 v. l., BUND) auf der Streuobstwiese in der Feldmark, hier bei der Einpflanzung einer Baumspende mit (v. l.) Tobias Knickrehm (BUND), Winfried Günnemann (BUND) sowie Ann-Christin Wagemann (SI-Club Hamburg), Verena Wendt (Präsidentin SI-Club Hansestadt Hamburg) und Gabriele Holm (Präsidentin SI-Club Hamburg). 
Herwig Niehusen (1 v. l., BUND) auf der Streuobstwiese in der Feldmark, hier bei der Einpflanzung einer Baumspende mit (v. l.) Tobias Knickrehm (BUND), Winfried Günnemann (BUND) sowie Ann-Christin Wagemann (SI-Club Hamburg), Verena Wendt (Präsidentin SI-Club Hansestadt Hamburg) und Gabriele Holm (Präsidentin SI-Club Hamburg).  © Nadine Wagner

Seit 1994 pflegt der Bund im jetzt für die Nordport-Erweiterung vorgesehenen Gebiet eine Streuobstwiese mit etwa 100 Bäumen – und die sollte schon 2007 perspektivisch für den Nordport geopfert werden. Da habe man die Politik noch umstimmen können, so Niehusen.

Die angedachte Garstedt-Umgehung durch die Feldmark und den Autobahnanschluss an die A7 mitten in der Grünachse sei letztlich durch sich verändernde Mehrheiten in der Stadtvertretung verhindert worden, sagt der BUND-Aktivist.

Den „Schlenker“ der Siedlungsachse in Richtung Westen konnte Niehusen nun nicht verhindern. Er sieht nun den Arten-, Biotop- und Klimaschutz in diesem Teilstück der Feldmark bedroht. „Die Stadt könnte jederzeit per Bebauungsplan und Änderung des Flächennutzungsplanes 2020 im Südteil der Garstedter Feldmark Baurechte für eine Nordport-Erweiterung schaffen.“

Diverse Eingriffe in die Feldmark wurden schon verhindert

Norderstedt kann sich also auf harte Debatten rund um dieses brisante Thema einstellen. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass der neue Regionalplan die Grünachsen ansonsten nach wie vor schützt. Im Erläuterungstext wird vorgegeben, dass die künftige städtebauliche Entwicklung Norderstedts entlang der Siedlungsachsen und großen Magistralen erfolgen und auf Verdichtung entlang des ÖPNV-Netzes setzen soll.

Und explizit heißt es im Regionalplan: „Die landschaftsprägenden und städtebaulich strukturierenden Grünzäsuren zwischen Norderstedt und Norderstedt-Garstedt sowie zwischen Norderstedt-Friedrichsgabe und dem nördlich angrenzenden Henstedt-Ulzburg sind zu erhalten.“

Norderstedt: Diskussion um Regionalplan im Kulturwerk

Und das als „Kernbereich für Erholung“ festgelegte Gebiet des Rantzauer Forstes bilde die Begrenzung des Norderstedter Stadtgebietes in westlicher Richtung. Der Erhalt der Landschaftsstruktur sei sicherzustellen, bei Übernutzung bedürfe es sogar der Lenkung von Besucherinnen und Besuchern.

Bei der Neuaufstellung der Regionalpläne kann man noch mitreden: Zum Start des Beteiligungsverfahrens informiert das Innenministerium Anfang Juli in sieben Info-Veranstaltungen über die Inhalte der Regionalpläne sowie den Beteiligungsprozess.

Wenngleich sich die Veranstaltungen in erster Linie Pflichttermine für Stadtverwaltung und Kommunalpolitik sind, seien auch Kammern, Verbände sowie die Bürgerinnen und Bürger willkommen. In Norderstedt wird am Dienstag, 11. Juli, zwischen 18 und 20 Uhr im Kulturwerk am See, Stormarnstraße 55, über den Regionalplan III diskutiert (Anmeldung unter https://phpefi.schleswig-holstein.de/veranstaltungen/index_veranst.php?showid=533)