Norderstedt. Bäume sollten nur gekürzt werden. Nun haben sie ihre Kronen verloren. Welche Folgen das für das Naherholungsgebiet hat.
Es ist ein erschreckendes Bild: alte Eichen, die wie Stümpfe in den Himmel ragen. Ihrer Kronen beraubt, gestutzt, verschandelt. Mehr als 20 dieser misshandelten Bäume stehen entlang des Weges, der von der Ohechaussee durch den Nordport zum Naherholungsgebiet Ohemoor führt. „Es handelt sich nicht um eine Kleinigkeit. Die Zerstörung der Eichen ist flächenmäßig umfassend und massiv“, sagt Hartmut Reinke, der am Ende des Speckenkamps direkt an der Ohechaussee wohnt und die Eichen-Rudimente täglich vor Augen hat.
Er vermutet, dass die Firma, die hier die Säge angesetzt hat, bewusst so radikal zugeschlagen hat. „Da wollte jemand Holz gewinnen und mit Blick auf die hohen Preise für den Brennstoff möglichst lukrativ verkaufen.“ Dass die Bäume regelmäßig geschnitten werden, ist seit Jahren gängige Praxis, denn: Da der Weg direkt an den Flughafen Hamburg grenzt, dürfen die Bäume nicht zu hoch werden, um den Flugverkehr nicht zu gefährden.
Norderstedt: Erschreckend – Mehr als 20 Eichen am Nordport verstümmelt
16 Meter Höhe sind zulässig. Daran haben sich die Fachfirmen, so Reinke, bisher auch immer gehalten. In diesem Fall allerdings sind die Eichen auch in der Breite massiv beschnitten worden, von ihren Kronen ist nichts mehr zu sehen.
Der Norderstedter verweist auf den Bebauungsplan 245, der die Vorgaben für das Gebiet definiert: „Regional betrachtet zählt die Landschaft westlich vom Speckenkamp zu den Gebieten mit besonderer Erholungseignung, die sich laut Landschaftsrahmenplan aufgrund der Landschaftsstruktur, insbesondere der Zugänglichkeit der Landschaft (Erschließung), als Freizeit- und Erholungsräume eignen.“
Baumschande: Es dauert Jahrzehnte, bis die Kronen nachwachsen
Weiter heißt es im B-Plan, dass die vorhandenen Knicks mit den mächtigen Eichen am Speckenkamp durch fünf bis zehn Meter breite Pufferstreifen als „die wertbestimmenden Grünstrukturen im Gesamtkonzept gesichert“ worden seien. „Gerade an den Wochenenden sind hier viele Spaziergänger unterwegs. Doch von Erholung und Entspannung kann beim Blick auf die verschandelten Eichen nun wirklich nicht mehr die Rede sein“, sagt Reinke.
Immer, wenn er zwischen den Eichen hindurchgehe, stelle sich bei ihm ein Gefühl der Depression ein. Er habe sich bei Fachleuten informiert und die Aussage bekommen, dass es wohl Jahrzehnte dauern werde, bis die Kronen nachwachsen, und die Bäume wieder wie „stolze Eichen aussehen“. Die massiv herausgeschnittenen dicken Äste seien unwiederbringlich verloren und für alle Zeiten von den Eichen nicht mehr auszubilden.
Bäume werden wegen Flugsicherheit gekürzt
Er habe den Baumfrevel im Umweltausschuss zur Sprache gebracht. „Die Politiker waren entsetzt“, sagt Reinke, der die für Ausschussgäste geschaffene Möglichkeit genutzt hat, Fragen zu stellen und so Aufklärung zu bekommen. „Mir wurde eine schriftliche Beantwortung zugesagt, doch bisher ist noch nichts bei mir angekommen.“
„Die fraglichen Bäume befinden sich auf dem Gebiet der Stadt Norderstedt – die Baumpflege- beziehungsweise Schnittmaßnahmen sind jedoch auf Veranlassung und im Auftrag des Flughafens Hamburg erfolgt“, sagt Bernd-Olaf Struppek, Sprecher der Norderstedter Stadtverwaltung. Der Flughafen veranlasst regelmäßig, Bäume im näheren Umfeld der Start- und Landebahnen zu kürzen, um die Flugsicherheit zu erhalten und die Anflugsektoren frei von Hindernissen zu halten.
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Der Baumschnitt werde mit der Stadtverwaltung Norderstedt abgestimmt. „Wir machen natürlich jeweils zur Auflage, dass die bei den Baumpflege-, Baumschnitt- oder auch Fällarbeiten geltenden Richtlinien (ZTV Baumpflege) zwingend zu beachten sind“, sagt Struppek. Das habe bisher gut geklappt, Stadt und Flughafen hätten gut und reibungslos zusammengearbeitet.
Norderstedt: Schnitt der Eichen am Nordport nicht „fachkundig ausgeführt“
In diesem Fall habe die Stadt leider feststellen müssen, dass die Schnittmaßnahmen teils nicht fachkundig ausgeführt worden sind. Einige der Bäume seien aus fachlicher Sicht seitlich zu stark beschnitten worden. „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Bäume in Zukunft einer verstärkten Pflege durch die Stadt bedürfen“, sagt der Sprecher der Stadtverwaltung.
Lässt sich der übermäßig starke Beschnitt der Eichen damit erklären, dass sich Holz momentan lukrativ verkaufen lässt? „Es ist gängige Praxis, dass mit den Firmen, die Pflege- oder Fällmaßnahmen vornehmen, vereinbart wird, den Unternehmen dieses Holz in Verrechnung von Arbeitsleistungen zu überlassen“, sagt Struppek.