Norderstedt. Innenministerium präsentiert seine Entwicklungspläne für Norderstedt und den Kreis – das birgt einiges an politischem Zündstoff.

Großes kommunales Planungstreffen im Norderstedter Kulturwerk: Die Landesplaner aus dem Kieler Innenministerium luden zur öffentlichen Vorstellung der neuen Regionalplanung für den Süden des Landes ein. Rund 170 Vertreter aus Verwaltung, Politik und Verbänden ließen sich von Staatssekretär Jörg Sibbel und dessen Kollegen die vorgenommenen Veränderungen am neuen Regionalplan erläutern.

Dieser legt fest, wie sich die Städte und Gemeinden im Kreis Segeberg und ganz Schleswig-Holstein in den nächsten 15 Jahren entwickeln sollen und dürfen: Wo sie Wohnraum schaffen, Gewerbe ansiedeln, Grünzüge belassen oder Rohstoffe abtragen können.

Stadtentwicklung: „Wir wollen ja nicht die ganze Garstedter Feldmark bebauen“

Etwa 170 kommunale Vertreter aus Verwaltung, Politik und Verbänden hörte sich in Norderstedter Kulturwerk die Neuerungen der Regionalplanung an, die im nächsten Jahr in Kraft treten sollen und für die nächsten 15 Jahre die Entwicklung der Kommunen bestimmen werden.
Etwa 170 kommunale Vertreter aus Verwaltung, Politik und Verbänden hörte sich in Norderstedter Kulturwerk die Neuerungen der Regionalplanung an, die im nächsten Jahr in Kraft treten sollen und für die nächsten 15 Jahre die Entwicklung der Kommunen bestimmen werden. © Burkhard Fuchs

Bis zum 9. November haben alle Bürgerinnen und Bürger sowie deren politische Vertretungen nun Zeit, diese Planung zu beeinflussen, Änderungsvorschläge zu machen oder eigene Ideen einbringen. „Reden Sie mit, bringen Sie sich ein. Wir sind auf Ihre kritischen Anmerkungen angewiesen“, lud Innenstaatssekretär Sibbel ein.

Für Norderstedt sei Eile geboten, sagt SPD-Fraktionschef Nicolai Steinhau-Kühl, der weiterhin dem Stadtentwicklungsschuss vorsitzt. Da der neue Regionalplan eine Erweiterung des Nordport-Gewerbeparks fast bis zur A7 vorsieht, müsste die Stadtvertretung bereits im September Beschlüsse dazu fassen, ob sie damit so einverstanden sei. „Darüber sollten sich die Ratskollegen über die Sommerpause Gedanken machen“, sagt Steinhau-Kühl.

Eile in Norderstedt geboten: Politik soll schnell über Feldmark entscheiden

Staatssekretär Jörg Sibel vom Innenministerium bei der Präsentation des Regionalplans.
Staatssekretär Jörg Sibel vom Innenministerium bei der Präsentation des Regionalplans. © Burkhard Fuchs

Für die SPD-Fraktion steht nach seinen Worten fest: „Wir wollen ja nicht die ganze Garstedter Feldmark bebauen“, betont er. Es solle da nur eine perspektivische Fläche zur Erweiterung geschaffen werden. Ähnlich sieht es CDU-Fraktionschef Peter Holle. Erst einmal sollten die vorhandenen Gewerbegebiete volllaufen und dann die nicht genutzten revitalisiert werden, bevor am Nordport Erweiterung nötig sei. Das wäre aus seiner Sicht erst in etwa 20 Jahren der Fall. „Wir werden das vorher definitiv nicht anfassen. Das sollte nicht für Unruhe in der Bevölkerung sorgen.“

Gleichwohl gab es bei der Vorstellung des neuen Regionalplans im Kulturwerk Einsprüche dagegen aus Norderstedt. Norbert Pranzas (Die Linke), der jetzt der SPD-Fraktion angehört, forderte von den Landesplanern eine Flächenbegrenzung, was die Bebauung der Garstedter Feldmark angeht. Die dortigen Grünflächen sollten stattdessen „aufgewertet“ werden. Auch Maike Hinrichsen vom BUND befand die eingezeichneten Grünflächen für Norderstedt als „viel zu klein – das erzeugt bei mir eine große Unzufriedenheit.“

Naturschutzbund warnt vor einer Bebauung der Garstedter Feldmark

Was Herwig Niehusen vom BUND-Kreisvorstand unterstützte: „Wenn sich der Nordport bis zur A7 ausbreiten sollte, würde sehr viel Raum für die Erholungsnutzung der Menschen hier verloren gehen“, befand Niehusen und forderte: „Die Garstedter Feldmark, die auch eine wichtige Kühlungsfunktion für Norderstedt hat, darf nicht bebaut werden.“

Landesplanerin Beate Domin sagte daraufhin: „Wir schaffen von Landesseite hier nur einen Rahmen, was wir für richtig und wichtig erachten, wie sich die Städte und Gemeinden entwickeln sollten.“ Die Abwägung der sich widersprechenden Argumente und mögliche Konflikte für die künftige Nutzung der vorhandenen Flächen müssten die politisch Verantwortlichen vor Ort miteinander austragen. „Wir weisen keine Schutzgebiete aus.“ Dasselbe gelte auch für Straßenbauvorhaben, betonte sie auf Nachfrage eines Zuhörers. „Wir planen nicht die A20. Das macht der Bund.“

Mehr Wohnraum schaffen in Alveslohe und Hasloh

Das Führungstrio der Norderstedter Stadtplanung saß im Kulturwerk in der ersten Reihe: Sozialdezernentin Katrin Schmieder (v. l.), Baudezernent Christoph Magazowski und Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder.
Das Führungstrio der Norderstedter Stadtplanung saß im Kulturwerk in der ersten Reihe: Sozialdezernentin Katrin Schmieder (v. l.), Baudezernent Christoph Magazowski und Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder. © Burkhard Fuchs

Auch für das weitere Umland von Norderstedt haben die Kieler Landesplaner konkrete Ideen und Vorschläge, die nicht überall gleich begrüßt werden. So sollen Norderstedts Nachborte Hasloh und Alveslohe im Norden zusätzliche „besondere Wohnfunktionen“ erhalten, die ihnen mehr Wachstum als bisher ermöglichten, der auf etwa ein Prozent innerhalb von zehn Jahren begrenzt ist.

Weil sie mehr als 1000 Einwohner, eine gute Bahnanbindung und Infrastruktur sowie Entwicklungspotenzial hätten, begründete dies Landesplanerin Domin. Insbesondere die bis 2025 fertiggestellte S-Bahn-21-Verbindung von Eidelstedt über Hasloh und Quickborn bis Kaltenkirchen sei dabei berücksichtigt worden, sagte sie.

Bürgermeister sind beim Wachstum skeptisch

Haslohs Bürgermeister Kay Löhr (Wählergemeinschaft Hasloh gestalten) findet es grundsätzlich „positiv, dass das Land Hasloh auf dem Radarschirm hat und ihm Entwicklungspotenzial zuspricht.“ Andererseits wachse die Gemeinde gerade mit dem Neubaugebiet Neue Mitte 2 bis Ende 2024 um weitere 145 Wohneinheiten und würde dann die 4000-Einwohner-Grenze überschreiten. „Ob wir dazu noch weiteres Wachstum ausschöpfen können und wollen, müssen wir noch entscheiden.“

Etwas skeptischer sieht dies Alveslohes neuer Bürgermeister Matthias Bornholdt (Wählergemeinschaft Gemeinsam für Alveslohe). „Wir sind erst noch in der Findungsphase, was ein mögliches Wachstum von Alveslohe betrifft.“ Zwar gebe es an mehreren Stellen freie Flächen für zusätzliche Wohnbebauung in der 2800 Einwohner zählenden Gemeinde, sagt er. Das ziehe aber weitere Folgekosten für Kita- und Schulbauten nach sich, die sorgfältig bedacht werden sollten. Gerade erst werde für etwa vier Millionen Euro ein neuer, zweiter Kindergarten gebaut und die Grundschule müsse erweitert werden.

In Nahe und Itzstedt ist man über die Landespläne nicht begeistert

Auch in anderen Ortschaften des Kreises Segeberg werden die Vorgaben des neuen Regionalplanes nicht mit allzu großer Begeisterung aufgenommen. So sollen zwischen Nahe und Itzstedt und in Bargfeld-Stegen regionale Grünzüge neu geschaffen werden und erhalten bleiben, führte Landesplanerin Domin aus. „Wenn uns das bei der künftigen Planung für Wohnbau und Gewerbe einengen sollte, ist das nicht gut“, sagt Itzstedts neuer Bürgermeister Volker Wulff (CDU).

Einerseits sollten die Gemeinden im Hamburger Umland mehr Wohnraum schaffen, um den Siedlungsdruck aus Hamburg zu kanalisieren. Anderseits würden ihnen auf diese Weise unnötige Hindernisse in den Weg gelegt, kritisiert Wulff.

Amtskollege Manfred Hoffmann (CDU) aus Nahe sagt: „Bislang wurden wir in unserer Entwicklung noch nicht vom Land beschränkt. Wenn sich das jetzt ändern sollte, müssen wir das nach der Sommerpause im Umweltausschuss beraten.“

Stadtentwicklung: Segeberg und Wahlstedt brauchen mehr Wohnungen und Gewerbe

Weiteres Entwicklungspotenzial sieht die Landesplanung für Bad Segeberg und Wahlstedt vor, die als „Entwicklungs-und Entlastungsorte“ im Kreis Segeberg für Wohnraum und Gewerbeflächen dienen sollten. Hartenholm an der B206 mit seinen rund 2000 Einwohnern soll eine „überörtliche Versorgungsfunktion“ erhalten, was bedeuten würde, dass dort Infrastruktur, Wohn- und Arbeitsplatzangebot über den örtlichen Bedarf hinausgehen dürfte.

Insgesamt solle sich in ganz Schleswig-Holstein der Flächenverbrauch von derzeit 3,7 Hektar Land, die täglich bebaut und versiegelt werden, bis 2030 auf 1,3 Hektar um fast zwei Drittel reduzieren, sagte Innenstaatssekretär Sibbel. Umstritten sei dabei allerdings noch, inwieweit die aktuellen „Flächenfresser“ der Wind- und Solarstromparks, die jetzt überall wegen der Energiewende entstünden, miteingerechnet werden oder nicht.

Der Regionalplan 3, der außer den Kreis Segeberg sechs weitere Kreise von Dithmarschen bis Ostholstein einschließlich der Stadt Lübeck umfasst, ist unter www.schleswig-holstein.de/regionalplaene einzusehen.