Norderstedt. Norderstedts Alt-Oberbürgermeister und Innenminister a.D. trat mit Kandidatin Schmieder im Rathaus auf – es gab Klartext.
Zurück im Norderstedter Rathaus. Diesmal nicht als Oberbürgermeister oder Schleswig-Holsteinischer Innenminister. Hans-Joachim Grote kam als Wahlhelfer für eine mögliche Amtsnachfolgerin ins Foyer der „TriBühne“, das aus allen Nähten platzte.
Mehr als 200 Menschen drängelten sich dort um die besten Plätze. Viele mussten stehend verfolgen, was der CDU-Altbürgermeister der Zweiten Stadträtin Katrin Schmieder (55) raten würde, die bei der Oberbürgermeisterwahl am 8. Oktober als unabhängige Kandidatin antritt und von Grünen und FDP unterstützt wird. Die Erwartungen der Zuschauerinnen und Zuschauer wurden nicht enttäuscht.
„Oberbürgermeister? Das ist echte Kärrnerarbeit!“
Locker und pointiert führte Grote aus, was eine Verwaltungschefin so alles drauf haben müsse. „Das ist große Kärrner-Arbeit“, sagte er mehrfach. Kärrnerarbeit – ein historischer Begriff, er steht für die schwere, körperliche Anstrengung des Karrenführers, des Kärrners.
Im OB-Amt reiche es nicht, nur zwischen Verwaltung und Politik zu vermitteln. Vielmehr obliege dem oder der OB „die alleinige Verantwortung über das Verwaltungshandeln“. Und es sei auch „persönliche Aufgabe einer Verwaltungschefin“, Visionen für die Zukunft Norderstedts zu entwickeln. Die Zuhörer hingen gebannt an Grotes Lippen und applaudierten, als dieser bekannte: „In Norderstedt kann man sehr gut leben.“
Schmieder und Grote sind „alte Rotarierfreunde“
Kandidatin Schmieder ließ ihn reden, hörte aufmerksam zu und bewies Humor, als sie in die Runde fragte, ob sie alle „wegen mir oder wegen ihm“ ins Rathaus gekommen seien. Aus alter Freundschaft zu seiner Rotarierfreundin sei er gekommen, sagte Grote. „Wer mich fragt, den weise ich nicht ab.“ Aber Schmieder sei bislang die einzige der drei Kandidatinnen und Kandidaten für die OB-Wahl – neben Schmieder die amtierende Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder (SPD) und Robert Hille (CDU) – , die ihn um einen solchen Auftritt gebeten habe. „Ich bin jetzt auch kein Grüner“, verneinte der CDU-Mann.
Katrin Schmieder erinnerte an ihre erste Begegnung mit dem damaligen Bürgermeister Grote vor gut 20 Jahren in dessen Büro im dritten Stock des Rathauses. Dort empfing er sie und andere Vertreterinnen der Kindergärten, die gegen die Kita-Schließung in den Sommerferien protestierten. Auch da habe er ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der betroffenen Eltern gezeigt.
Schmieder sucht den Rat von Grote schon seit Jahren
Für Grote ist das eine der wichtigsten Erkenntnisse seiner fast 19-jährigen Amtszeit. Ein Verwaltungschef müsse einerseits die Bürgerinnen und Bürger und andererseits die Politikerinnen und Politiker davon überzeugen, dass es richtig ist, was die Stadt plante und vorhatte. „Und dann ist es die Aufgabe des Bürgermeisters, das, was richtig ist, im Vorwege so mehrheitsfähig zu machen, dass es auch beschlossen wird.“
Der Ex-Oberbürgermeister und schleswig-holsteinische Innenminister a. D. sei schon länger ihr Ratgeber, sagte Katrin Schmieder. Bevor sie sich für das Amt der Sozialdezernentin beworben hätte, habe sie ihn um ein Gespräch gebeten. Und er habe sofort für den nächsten Tag zugesagt und ihr offenbar in einem „guten Austausch“ auch zugeredet.
Eine Oberbürgermeisterin müsse „Probleme benennen und Lösungen aufzeigen“
Denn sie wurde ja Ende 2021 von der Stadtvertretung mit großer Mehrheit in dieses Amt gewählt, das 450 Mitarbeitende und etwa 600 Millionen Euro Budget umfasst. „Jetzt traue ich mir das Amt der Oberbürgermeisterin zu.“
Grote, der seinen Ruhestand mit den drei Enkeln genießt, wie er sagte, riet ihr dabei, immer ein offenes Ohr für die Belange der Bürgerschaft und auch der Kolleginnen und Kollegen im Rathaus zu haben. „Es ist nicht Aufgabe eines Bürgermeisters, etwas zu verhindern“, betonte der Altbürgermeister. Vielmehr müsse er dafür sorgen, zu „ermöglichen“, was gewünscht wird und dabei reichlich Fingerspitzengefühl walten lassen.
Grote ist sehr enttäuscht von der „großen Politik“
Bei aller Gesetzestreue, die ein Verwaltungschef zu befolgen habe, „muss die Verwaltung Ermessensspielraum haben“, betonte Grote. „Der Oberbürgermeister darf sie nicht im Regen stehen lassen.“ Ein Verwaltungschef dürfe aber nicht nur die Probleme benennen. Er oder sie müsse auch Lösungen aufzeigen, führte Grote weiter aus.
Und wenn es wegen akuter Lagen wie bei der Flüchtlingskrise notwendig sein sollte, müsse der oder die OB auch „spontan handeln“ und den Laden „kurzfristig umsteuern“, sagte Grote. Darum sei er auch im Moment sehr „enttäuscht“ von der „großen Politik“ hierzulande.
Schmieder will Digitalisierung beschleunigen
Als künftige OB würde Katrin Schmieder die Verwaltung in Norderstedt modernisieren wollen. Die Kreisfreiheit strebe sie nicht an. Dann müsste Norderstedt ein halbes Rathaus anbauen. Sie sehe das Wohl der Stadt in Zusammenarbeit mit dem Kreis Segeberg, sagte sie auf Nachfrage eines Bürgers. „Wir brauchen ein Personalkonzept für die Zukunft und müssen schneller werden, was die Digitalisierung angeht.“
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Es dürfe nicht so bleiben, dass die Bürger online einen Wohngeldantrag stellen könnten, dieser aber im Rathaus ausgedruckt und abgetippt werden müsse. „Wir sind zu langsam“ sagte Schmieder und versprach, dieses Thema bei Amtsantritt zur „Chefinnensache“ zu erklären. Ebenso wie den grassierenden Fachkräftemangel – „eine ganz große Baustelle“.
Norderstedt brauche eine Fachhochschule
Zudem möchte sie endlich dafür sorgen, dass die Erzieherinnen-Fachschule nach Norderstedt kommt, sagte Schmieder. Und sie würde zu gerne eine Fachhochschule im Stile der Nordakademie in Elmshorn hier etablieren, die für junge Studenten das duale Studium mit der Wirtschaft anbieten könnte. Dabei würde sie eigene Interessen hintanstellen. „Die Kunst einer Oberbürgermeisterin ist es auch, uneitel bei der Ideenfindung zu sein und einen Kompromiss mit der Politik zu finden.“
Grote schaute dann noch etwas weiter in die Zukunft. Welche Auswirkung habe es auf die hiesige Wirtschaft, wenn die Fehmarnbeltquerung fertig gebaut sei, fragte er. Dann könnte ein Großteil der Verkehrsströme über die A1 und nicht mehr über die A7 laufen. Norderstedt würde plötzlich seine „Lagegunst“ verlieren, warnte Grote und forderte die Kandidatin auf, auch über den Tellerrand einer möglichen Amtszeit hinauszublicken. „Dafür muss der oder die OB schon heute strategische Überlegungen anstellen.“