Henstedt-Ulzburg. Lebensmittel-Riese macht Alltagstest: Kann Logistik langfristig klimaverträglich werden? Ein großes Problem sind Ladestellen.

Lieferketten möglichst nachhaltig und umweltfreundlich zu betreiben – das ist die Herausforderung für den Handel. Die Supermarktkette Rewe Nord, die in Henstedt-Ulzburg sein riesiges Logistik und Verwaltungszentrum betreibt, setzt dabei nun auf Wasserstoff: Beim Start-up hylane hat Rewe jetzt den ersten Wasserstoff betriebenen Lastwagen für seinen Fuhrpark gemietet. Das mit Brennstoffzellen betriebene Fahrzeug soll nun die Rewe-Märkte im Norden klimafreundlich beliefern.

Beim „Hyundai XCIENT Fuel Cell“ handelt es sich um den ersten Gliederzug in der Flotte der Miet-LKWs der Firma hylane. „Dessen Reise nach Deutschland und nach Henstedt-Ulzburg war alles andere als einfach“, sagt Sara Schiffer, Geschäftsführerin von hylane.

Gemeinsam mit Rewe habe man „viele Hürden genommen“. So musste etwa das Schiff, mit dem der LKW aus Korea geliefert wurde, wieder umkehren, da an Bord Corona in der Crew ausgebrochen war. So dauerte es einigen Wochen länger, ehe der LKW schließlich doch in Henstedt-Ulzburg eintraf.

Jochen Vogel, Vorsitzender der Geschäftsleitung der REWE Nord, mit Johannes Wieczorek, Leiter der Unterabteilung zum Thema Klimaschutz (Bundesministerium für Digitales und Verkehr), Sara Schiffer, Geschäftsführung von hylane, und Beat Hirschi, CEO Hyundai (v. l.).
Jochen Vogel, Vorsitzender der Geschäftsleitung der REWE Nord, mit Johannes Wieczorek, Leiter der Unterabteilung zum Thema Klimaschutz (Bundesministerium für Digitales und Verkehr), Sara Schiffer, Geschäftsführung von hylane, und Beat Hirschi, CEO Hyundai (v. l.). © Sonja Walke

400 Kilometer Reichweite, aber fehlende Ladeinfrastruktur

Ab sofort ist der Brummi für Rewe rund um die Logistik- und Verwaltungszentrale in Henstedt-Ulzburg unterwegs. Jochen Vogel, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Rewe Nord, plant den Einsatz vor allem „auf kürzeren und mittleren Strecken, weil die Infrastruktur der Wasserstofftankstellen gerade noch eine Herausforderung darstellt“. Der LKW hat voll beladen eine Reichweite 400 Kilometer. „Das heißt, man könnte damit maximal 150 bis 200 Kilometer vom Standort wegfahren“, erklärt Vogel.

Gerade für die mittleren bis schweren Nutzfahrzeugen fehlt in Deutschland noch eine ausreichende Ladeinfrastruktur. Bisher gibt es deutschlandweit zwar knapp 100 Tankstellen, an denen Kraftfahrzeuge Wasserstoff bei 700 bar tanken können. Eine Versorgung mit Wasserstoff bei 350 bar ist bislang aber an nur 20 Standorten gegeben.

In Hamburg gab es eine solche Tankstelle in der HafenCity – aktuell ist die allerdings nicht in Betrieb. Schon bald könnte der neue Gliederzug jedoch an drei von 45 derzeit in Deutschland geplanten neuen Standorten bequem tanken: Am Hamburger Flughafen, an der Schnackenburgallee sowie in Neumünster.

Der Wasserstoff-LKW soll die Rewe-Märkte im Norden beliefern.
Der Wasserstoff-LKW soll die Rewe-Märkte im Norden beliefern. © Sonja Walke

Wasserstoff-LKW: Nicht zu 100 Prozent CO2-neutral

„Ziel ist natürlich, den LKW ausschließlich mit grünem Wasserstoff zu betanken“ betont hylane-Geschäftsführerin Schiffer. Dafür seien im Norden Deutschlands die besten Voraussetzungen gegeben, „weil wir hier nah an grünen Wasserstoffquellen sind, nah an erneuerbaren Energien“.

Während grüner Wasserstoff mit Hilfe von erneuerbaren Energien wie Windkraft oder Sonnenenergie erzeugt wird, wird grauer Wasserstoff mit Hilfe fossiler Brennstoffe wie Erdgas oder Kohle erzeugt und ist damit – im Gegensatz zu grünem Wasserstoff – nicht CO2-neutral . Der grün-graue Wasserstoff-Mix, der an vielen Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland angeboten wird, sei für hylane derzeit „akzeptabel, weil wir zeigen wollen, dass die Technologie funktioniert“, so Schiffer.

Der Wasserstoff-LKW fährt unter dem Motto #umdenkbar
Der Wasserstoff-LKW fährt unter dem Motto #umdenkbar © Sonja Walke

Mietmodell soll Austausch bestehender Flotten erleichtern

Jochen Vogel von Rewe Nord meint, falls der Einsatz des Gliederzugs erfolgreich sei, könne man sich auch den Einsatz weiterer Brennstoffzellen-LKWs gut vorstellen. Die Nutzung von Elektro- und Wasserstoff-Fahrzeugen müsse „natürlich praktikabel sein und perspektivisch finanziell Sinn machen“. Und mit der derzeitigen Förderung sei es eben sinnvoll, den gemieteten Wasserstoff-LKW zu testen.

Angeboten wird das Miet-Modell für Wasserstoff-LKWs vom Kölner Start-up hylane. Kunden wie REWE zahlen dabei nur für die tatsächlich gefahrenen Kilometer. Für eine Vertragslaufzeit von mindestens zwei Jahren wird ein Festpreis pro Kilometer vereinbart, der von der jährlichen Laufleistung, der Vertragslaufzeit und dem Fahrzeugmodell abhängt. Die Bereitstellung und Wartung des Fahrzeugs sind in der Miete enthalten. So will hylane den Austausch bestehender Fahrzeugflotten durch wasserstoffbetriebene Fahrzeuge vereinfachen.

Jochen Vogel (REWE), Johannes Wieczorek (Bundesministerium für Digitales und Verkehr), Beat Hirschi (CEO Hyundai), und Sara Schiffer (hylane) (v. l.).
Jochen Vogel (REWE), Johannes Wieczorek (Bundesministerium für Digitales und Verkehr), Beat Hirschi (CEO Hyundai), und Sara Schiffer (hylane) (v. l.). © Sonja Walke

Förderprogramm soll CO2 Emissionen auf der Straße mindern

Gefördert werden die hylane-Fahrzeuge durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV). Die Förderung soll Mehrausgaben bei der Anschaffung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben senken, um einen Anreiz zur Umstellung zu schaffen. Übernommen werden 80 Prozent der Differenzkosten zwischen einem Wasserstoff-Lkw und einem vergleichbaren Diesel-Lkw. Das Fördergeld gibt hylane über reduzierte Mietraten an Kunden wie Rewe weiter.

Johannes Wieczorek, Leiter der Unterabteilung zum Thema Klimaschutz des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, war zur Übergabe des LKWs extra mit dem Deutschlandticket angereist. Er betont: „Es geht uns darum, dass wir die CO2-Emissionen auf der Straße mindern wollen“, und da seien LKWs ein guter Ansatzpunkt, da diese nun mal viele Kilometer zurücklegten. Seine Einschätzung zum Erfolg des Förderprogramms: „Wir sind damit einen großen Schritt weitergekommen in den letzten zwei Jahren“.

Der Verkehrssektor trägt aktuell etwa 20 Prozent zu den Treibhausgasemissionen Deutschlands bei und verfehlte in den vergangenen Jahren wiederholt die deutschen Klimaziele. Laut Klimaschutzgesetz müssen die Emissionen des Verkehrs bis 2030 auf 84 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent sinken – im Vergleich zum Jahr 2019 wäre das fast eine Halbierung.