Norderstedt. Stadtwerke wollen mehr Häuser mit Fernwärme versorgen und suchen deshalb in tiefen Erdschichten nach warmem Wasser.

Die Stadtwerke Norderstedt betreten Neuland. Sie haben die erste Genehmigung im Land Schleswig-Holstein für die Suche nach Erdwärme erhalten. Diese Suche wollen sie nun angehen und dafür, wenn die Erfolgsaussichten stimmen, schon bald mehrere rund 400 Meter tiefe Brunnen bohren.

Das Ziel: deutlich mehr Norderstedter Haushalte sollen mit Erdwärme versorgt werden, über das Fernwärmenetz. Außerdem wollen die Stadtwerke Erdgas einsparen. So soll Norderstedt dem Ziel näher kommen, klimaneutral zu werden. Die Möglichkeit, Fernwärme zu beziehen, gibt es auch für Einzelhäuser.

Norderstedt: Erdwärme – Stadtwerke wollen 400 Meter tiefe Brunnen bohren

Die Genehmigung zur Suche nach Erdwärme hat das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) erteilt. Das sogenannte „Erlaubnisfeld“ ist rund 50 Quadratkilometer groß und umfasst im Prinzip das Norderstedter Stadtgebiet.

Hier dürfen die Stadtwerke nun, „zu gewerblichen Zwecken“, wie es heißt, vom 1. September 2023 bis zum 31. August 2025, nach Erdwärme suchen. Etwas genauer ausgedrückt, suchen die Stadtwerke nicht nach Erdwärme, sondern nach ausreichend warmem Grundwasser. Und erst einmal beschäftigen sich externe Geologen mit dieser Suche.

Geologen legen jetzt ein Modell der Erdschichten unterhalb von Norderstedt an

„Wir haben in Institut damit beauftragt, ein Modell der Erdschichten unterhalb von Norderstedt anzulegen“, sagt Oliver Weiß, Sprecher der Stadtwerke. Zwar hätten die Stadtwerke auch selbst Erfahrung mit Bodenerkundungen – sie versorgen schließlich die Stadt mit Trinkwasser. Doch diese Mission ist anders. Denn Grundwasser, das in Norderstedt gefördert wird, befindet sich in bis zu 200 Metern Tiefe. Jetzt geht es aber um Erdschichten, die doppelt so tief liegen.

„In 400 Metern Tiefe erwarten wir Wasser mit einer Temperatur von 27 Grad. Nun geht es darum, ob es dort in einer ausreichenden Menge zu finden ist“, sagt Oliver Weiß. Das erforschen nun die Geologen des externen Instituts, die dann „diverse Standorte“ in Norderstedt identifizieren, wo Brunnen stehen könnten.

Probebohrung wird vermutlich im kommenden Jahr gemacht

„Erst einmal wird dann eine Machbarkeitsstudie erstellt. Da geht es darum, ob wir an einer bestimmten Stelle überhaupt bohren dürfen. Und dann müssen Genehmigungen erteilt werden“, so Weiß. Wirklich Aufschluss darüber, ob sich die Erdwärmegewinnung aus dem 400 Meter tiefen Grundwasser lohnen würde, könne dann nur eine Probebohrung geben.

Zum Zeithorizont sagt Weiß: „Ich glaube nicht, dass das dieses Jahr noch passieren wird. Aber wir gehen davon aus, dass wir sie 2024 machen können.“

Etwa zehn Standorte für Brunnen könnte es in Norderstedt geben

Ist die Bohrung erfolgreich, sollen an etwa zehn Standorten in Norderstedt Tiefbrunnen gebaut werden. Und zwar je zwei: Einer, der das Wasser an die Oberfläche bringt und einer, der es wieder zurückbefördert. Denn genutzt werden soll ja nicht das Wasser, sondern nur die Wärme.

Oliver Weiß erklärt das Verfahren: „Die Energie wird dem Wasser über Wärmetauscher entnommen und dann dem Fernwärmenetz zugeführt.“ Das Prinzip sei ähnlich wie bei einer Erdwärmepumpe in einem Privathaushalt. Mit der Zuführung von Erdwärme aus dem Grundwasser wollen die Stadtwerke Erdgas in den Blockheizkraftwerken einsparen.

Das Projekt geht ein in den kommunalen Wärmeplan, der im Juli 2024 fertig sein soll

Norderstedt setzt stark auf den Ausbau des Fernwärmenetzes (Archivbild). 
Norderstedt setzt stark auf den Ausbau des Fernwärmenetzes (Archivbild).  © Christopher Mey

„Alles dient dem Ziel der Klimaneutralität“, sagt Oliver Weiß. Das möchte die Bundesrepublik Deutschland bis 2045 erreichen, Schleswig-Holstein und Norderstedt allerdings schon fünf Jahre früher. Wie alle Kommunen in Deutschland, muss Norderstedt einen „kommunalen Wärmeplan“ erstellen, in dem steht, wie das Ziel erreicht werden kann – das hatte die Bundesregierung in diesem Sommer nach einem zähen Streit um das Heizungsgesetz beschlossen.

Die Stadt Norderstedt entwickelt diesen Plan zusammen mit den Stadtwerken, unterstützt werden sie von der Energieberatungsfirma „Hamburg Institut“ sowie der dänischen Firma „PlanEnergi“, die zu Projekten im Bereich Erneuerbare Energie berät.

Der kommunale Wärmeplan für Norderstedt soll „im Juli 2024“ vorgelegt werden, sagt Oliver Weiß. Dann werde man „für jeden Standort in Norderstedt sagen können, was die optimale Energieversorgung ist“, so der Stadtwerke-Sprecher.

Erdwärme spielt eine wichtige Rolle bei dem Ziel, dass Norderstedt klimaneutral wird

Sicher ist schon jetzt: Fernwärme wird ein sehr wichtiges Element des Wärmeplans sein. Und die wiederum könnte, wenn die Suche nach Erdwärme erfolgreich ist, noch ein ganzes Stück umweltfreundlicher werden. Welchen Stellenwert Erdwärme auf dem Weg hin zur Klimaneutralität haben könnte, beschreibt Oliver Weiß so: „Wir gehen davon aus, dass wir 30 Prozent der CO2-Reduzierung über Solarenergie, Abwärmenutzung und Großwärmepumpen schaffen können. Darüber hinaus brauchen wir Geothermie. Die wird also eine wichtige Rolle spielen.“

Fernwärme ist bisher vor allem zur Versorgung von großen Mietshäusern bekannt. Oliver Weiß betont allerdings auch, dass es technisch durchaus möglich sei, auch private Einzelhäuser an das Netz anzuschließen.

Oliver Weiß: Immer mehr Privathaushalte fragen Fernwärme an

„Wir bekommen immer mehr Anfragen dafür“, sagt er. Für den Anschluss spreche nicht nur, dass man künftig Wartungskosten für die eigene Öl- oder Gasheizung spare. Man könne auch, bei Ausbau von Heizung und Kessel beziehungsweise Öltank, „einen Kellerraum dazugewinnen.“

Wer ein Einzelhaus besitze, solle deshalb „nicht in Hektik verfallen“ und gegebenenfalls noch eine neue Gasheizung einbauen, sondern lieber etwas warten – und dann vielleicht lieber auf Fernwärme setzen. Möglicherweise dann irgendwann gespeist aus Erdwärme, aus Quellen tief unter der Stadt.