Norderstedt. Fernwärme, Solar, Geothermie: Stadt will 2024 „maßgeschneiderte“ Heizungslösungen für gesamte Stadt liefern – klimaneutral.

Die Unruhe und Verunsicherung in Norderstedt sei zurzeit groß: Muss die alte Heizung im Eigenheim raus und die Erdwärmepumpe her – oder kommt die Fernwärme zu mir? Wie sieht die Zukunft des Heizens in der Stadt aus? „Darum wollen wir in Norderstedt für Sicherheit sorgen“, sagte Oberbürgerbürgermeisterin Elke Christina Roeder am Donnerstag.

Die wird es aber erst Anfang 2024 geben – den bis dahin lässt die Stadt für knapp 100.000 Euro einen flächendeckenden Wärmeplan erarbeiten, der aufzeigen soll, wo Nah- und Fernwärme möglich ist und welche anderen regenerativen Energieformen wie Solar- oder Geothermie für eine umfassende Wärmeversorgung in Frage kämen. Es sollen „maßgeschneiderte und gute Lösungen“ für die Stadt erarbeitet werden, sagt Roeder. „Solange wir planen, braucht sich niemand eine neue Heizungsanlage anzuschaffen“, betont Roeder.

Heizung Norderstedt: Wärmeplan – Norderstedt will 200 Millionen Euro investieren

Ziel sei es weiterhin, die viertgrößte Stadt des Landes bis 2040 klimaneutral zu machen, fünf Jahre vor dem Landesziel. Dass der Gesetzgeber jetzt mit dem neuen Energiewende- und Klimaschutzgesetz die 78 größten Kommunen in Schleswig-Holstein auffordere, bis 2027 klimaneutrale Wärmekonzepte vorzulegen, käme Norderstedt nur recht. „Wir haben uns schon vorher auf den klimaneutralen Weg gemacht“, sagt OB Roeder. Das Land fördert etwa 60 Prozent der Planungskosten.

Zurzeit verbrauchten die rund 83.000 Einwohner und alle Unternehmen zusammen etwa ein Terawatt an Energie im Jahr, sagt der Technische Werkleiter Nico Schellmann. Das sind etwa 1000 Gigawatt oder eine Million Kilowatt Wärme im Jahr.

Norderstedt verbraucht 1000 Gigawatt Wärme im Jahr

Durch Wärmedämmung von Altbauten, gut isolierten Neubauten und dem verstärkten Einsatz von Abwärme und regenerativen Energieträgern soll dieser Verbrauch in den nächsten 17 Jahren sinken. Felix Landsberg vom Hamburger Institut für Wärmeplanung, das den Auftrag für die Konzepterstellung von der Stadt Norderstedt bekommen hat, schätzt den Rückgang auf etwa 25 Prozent.

Schön jetzt würden etwa 20.000 Menschen in Norderstedt mit Fernwärme versorgt, was etwa ein Fünftel des Wärmebedarfs in der Stadt abdecke. 14 Blockheizkraftwerke speisten zurzeit das 70 Kilometer lange Fernwärmenetz, das also überwiegend mit Erdgas betrieben wird. Doch der CO2 erzeugende fossile Brennstoff soll sukzessive durch andere, klimaneutrale Energieformen ersetzt werden.

Fernwärme soll ohne fossile Brennstoffe auskommen

Dazu soll künftig auch die Abwärme von industriellen Produktionen genutzt werden, wo dies möglich sei, erklärte Schellmann. Im Dezember würde als erstes die erzeugte Abwärme aus den Rechenzentren der Stadtwerke und an der Ulzburger Straße ins Fernwärmenetz geleitet, was wegen der Nähe zu den Stadtwerkeleitungen technisch am schnellsten umzusetzen sei.

Parallel dazu soll der Hamburger Planer Landsberg zusammen mit dem dänischen Ingenieurbüro PlanEnergi in einem Jahr eine Bestandsanalyse der heutigen Wärmeversorgung liefern und konkrete Maßnahmen vorschlagen, die dann nach und nach umgesetzt werden sollten. Diese müsste die Stadtvertretung dann nächstes Jahr beschließen.

200 Millionen Euro Investitionen in die klimaneutrale Wärmenetze

Norderstedt erstellt einen Wärmeplan, um bis 2040 klimaneutral zu sein (v. l.): Planer Felix Landsberg, Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder, Baudezernent Christoph Magazowski, Werkleiter Nico Schellmann, Birgit Farnsteiner (Nachhaltiges Norderstedt) und Energiemanager Robert Roß (Stadtwerke).
Norderstedt erstellt einen Wärmeplan, um bis 2040 klimaneutral zu sein (v. l.): Planer Felix Landsberg, Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder, Baudezernent Christoph Magazowski, Werkleiter Nico Schellmann, Birgit Farnsteiner (Nachhaltiges Norderstedt) und Energiemanager Robert Roß (Stadtwerke). © Burkhard Fuchs

Wenn die grobe Schätzung Schellmanns mit 200 Millionen Euro Gesamtinvestition in etwa stimmt, müssten die Stadtwerke bis 2040 dann pro Jahr mindestens zehn Millionen Euro in neue, klimaneutrale Wärmenetze investieren.

Das Konzept soll nun untersuchen, wo sich Frei- oder Dachflächen für Solaranlagen anbieten würden, wo Nah-, Fern- und Abwärmenetze geschaffen werden könnten und wo Erd- oder Luftwärmepumpen in Frage kämen. Auch das Abwasser soll künftig zum Teil für die Wärmeerzeugung genutzt werden, erklärte der beauftragte Planer aus Hamburg.

Bürger sollen in Workshops beteiligt werden

Dabei soll die Bevölkerung überzeugt und mitgenommen und an der Planung beteiligt werden. Eine erste Bürgerversammlung dazu sei direkt nach der Sommerpause im September geplant, kündigte Roeder an. „Unser Ziel der Klimaneutralität gelingt nur, wenn wir als Stadt alle an einem Strang ziehen.“

Ein Vorteil für die Planerstellung sei es, dass die Stadt Norderstedt schon heute über Bestand der vorhandenen Gebäude weitgehend Bescheid weiß, sagte Baudezernent Christoph Magazowski. „Wir haben bereits die Infrastruktur. Nun geht es darum, diese Daten zusammenzuführen und daraus einen Maßnahmeplan zu erstellen.“

Heizung Norderstedt: Stadt will bis 2040 klimaneutral sein

Die aktuelle Planung beziehe sich zunächst nur auf das Stadtgebiet von Norderstedt. Wie alle anderen 77 größeren Kommunen sei sie aufgefordert, einen Wärmeplan auszuarbeiten, der eine landesweite Klimaneutralität bis 2045 sicherstellen soll. Norderstedt müsse das bis Ende 2024 erledigt haben.

„Wir wollen damit auch verhindern, dass es zu Fehlplanungen und –ausgaben bei den Verbrauchern und Unternehmen in unserer Stadt kommt“, sagt Roeder. Was andere Kommunen planten und wie diese landesweit miteinander vernetzt werden könnten, sei dann Sache der Landesregierung. „Wir machen das jetzt für Norderstedt und sind nicht die Beratungsgesellschaft für die überregionale Wohnungswirtschaft.“

Werkleiter Schellmann möchte das nicht so strikt getrennt wissen. Er kann sich durchaus vorstellen, dass kleinere Kommunen von den Ideen, Lösungsvorschlägen und Konzepten anderer Städte und Gemeinden profitieren könnten. Ähnlich wie dies in den vergangen 25 Jahren bei der Breitbandversorgung der Fall gewesen ist, könnten sich auch bei der Wärmeversorgung gute Beispiele andernorts durchsetzen und Kommunen und Stadtwerke dabei miteinander kooperieren.