Norderstedt. Viele junge Menschen wollen nicht so arbeiten wie ihre Eltern. Was sich ändern soll – und was die Arbeitgeber sagen.

Leben, um zu arbeiten – das war vielleicht mal der Leitspruch von Mama, Papa und Co. ,,Nicht mit uns“, sagen viele junge Menschen. Zwischen Pandemien, Kriegen und Umweltzerstörung findet ein Umdenken der sogenannten ,,Generation Z“, also der jungen Männer und Frauen, die jetzt um die 20 sind, statt. Diese Entwicklung geht auch an den Arbeitgebern nicht spurlos vorbei.

Ein Vorurteil lautet: Junge Menschen sind faul, fragil und leistungsschwach. Aber ist das wirklich so? Das Abendblatt hat sich im Kreis Pinneberg umgehört – bei jungen Leuten und bei Arbeitgebern.

Generation Z: Junge Leute suchen tieferen Sinn in der Arbeit

Nadine Grün, Abteilungsleiterin für Nachwuchsgewinnung bei der Handwerkskammer Lübeck, betont: ,,Ich glaube, es ist momentan nicht einfach für die junge Generation. Eigentlich wollen die jungen Leute gar keine Work-Life-Balance, sondern sie wollen das, was sie arbeiten, auch leben.“ Sie wollten einen „tieferen Sinn in der Arbeit“ erfahren. Berufe im Handwerk, so Grün, seien deshalb zurzeit beliebt, weil viele Bereiche im Handwerk wichtig bei der Bewältigung der weltweiten Klimakrise seien.

Handwerkskammer Lübeck: Corinna Prus (links) arbeitet als Fachberaterin für Regionale Partnerschaft Schule – Betrieb; Nadine Grün (rechts) ist Abteilungsleiterin für die Nachwuchsgewinnung.
Handwerkskammer Lübeck: Corinna Prus (links) arbeitet als Fachberaterin für Regionale Partnerschaft Schule – Betrieb; Nadine Grün (rechts) ist Abteilungsleiterin für die Nachwuchsgewinnung. © Nadine Grün

Die Handwerksbetriebe, so Nadine Grün, seien bereit, in ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zeitlich sowie finanziell zu investieren, wenn diese Lust und Motivation mitbringen – das sei aber leider nicht immer der Fall.

Tesa erlebt ein hohes Maß an Engagement und Eigeninitiative bei Generation Z

Ein anderes Beispiel aus einem anderen Bereich: Bei der id-netsolutions GmbH in Kayhude, nach eigenen Angaben Marktführer für die Entwicklung digitaler Geschäftsprozesse, heißt es, dass man eine sehr positive Arbeitseinstellung bei den jungen Menschen registriere. Eine ,,Null Bock“-Haltung könne der Betrieb, der eine 100 Prozentige Home-Office Möglichkeit bietet, überhaupt nicht feststellen. „Eher müssen wir die Jungen in ihrem hochmotivierten Arbeitsverhalten bremsen“, heißt es beim Betrieb für innovative Datentechnik.

Falk Sluga, Sprecher des bekannten Klebematerialien-Herstellers Tesa, sagt, dass jährlich 200 neue Mitarbeiter beim Unternehmen in Norderstedt anfangen zu arbeiten. Er erlebe ein hohes Maß an Engagement und Eigeninitiative bei den jungen Mitarbeitern. Neben einem umfassenden Onboarding, bei dem Neustartende die Marke und Strategien kennenlernen sollen, bietet Tesa am Standort Norderstedt ein sowohl hybrides als auch ein flexibles Arbeitsmodell an. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Mitarbeiter-Benefits, wie unter anderem Sportangebote, die von allen Mitarbeitenden genutzt werden können.

Die jungen Arbeitnehmer wollen nicht die nächste Burnout-Generation sein

Ein Problem ist in vielen Betrieben ganz offenbar ein gewisser Generationskonflikt. „Da prallen ganz unterschiedliche Werte und Sichtweisen aufeinander“, so Nadine Grün. Es müsse einfach auf beiden Seiten mehr Verständnis geben, sagt sie.

Das findet auch Imke Gernand von der Sparkasse Südholstein. Die Pressesprecherin schildert, dass ihre jungen Kollegen und Kolleginnen hochmotiviert und sehr engagiert seien. Sie setzten sich teilweise andere Schwerpunkte als vorherige Generationen, wünschten sich verstärkt sinnstiftende Aufgaben, Flexibilität und Förderung auf ihrem beruflichen Weg. Gernand betont, dass die Sparkasse mit Sitz in Neumünster jedem Arbeitnehmer eine Vielzahl an Möglichkeiten biete, die eine Brücke von Beruf und Privatleben schaffen sollen. Diversität und Chancengleichheit unabhängig vom Alter, Geschlecht, Herkunft und Religion seien der Sparkasse besonders wichtig.

„Deshalb unterstützen wir das Arbeiten in heterogenen Teams, fördern die Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen, von Quereinsteigern und Menschen mit Einschränkungen“, so die Pressesprecherin.

„Wir wünschen uns, dass junge Menschen die Arbeit ernster nehmen“

Bei der Modevertriebs- und Verwaltungsgesellschaft mbH Brubaker in Henstedt-Ulzburg wird ein gelegentlich eher „unzuverlässiges Arbeitsklima unter den jungen Arbeitnehmern“ moniert, obwohl das Unternehmen betont, unter anderem durch flexible Arbeitszeiten ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. „Wir wünschen uns, dass junge Menschen die Arbeit ernster nehmen“, heißt es beim Unternehmen.

Dr. Irène Kilubi, Unternehmerin und Autorin von Büchern über die Generation Z, betont im Abendblatt- Interview, dass Betriebe angesichts der vergleichsweise niedrigen Gehälter sowie der oft schlechten Rahmenbedingungen von jungen Arbeitnehmern nicht zu große Loyalität gegenüber dem Betrieb erwarten könnten. Vor allem im Handwerk und im medizinischen Bereich müssten sich viele junge Menschen für ein niedriges Gehalt abmühen und bekämen dafür noch wenig Wertschätzung.

Auch Kilubi betont, dass junge Menschen nicht unbedingt weniger, aber zielgerichteter und flexibler arbeiten wollten – ohne einen strikten Zeitrahmen. ,,Wir koppeln Leistung viel zu sehr mit unserer Zeit“, sagt die Unternehmensberaterin. Es gebe nun mal keine einheitliche Zeit, in der jeder besonders produktiv sein könne. Es sei individuell zu betrachten, wann man am besten arbeiten könne. Das Konzept der Vier-Tage-Woche findet Irène Kilubi gut. Viele Menschen, so betont sie, arbeiteten an vier Tagen viel intensiver und motivierter als an fünf Tagen.

Dr. Irène Kilubi: „Wir koppeln Leistung viel zu sehr mit unserer Zeit.“
Dr. Irène Kilubi: „Wir koppeln Leistung viel zu sehr mit unserer Zeit.“ © Xing | Quellen:Panda

„Jobs und Arbeitgeber müssen sich an den Zeitgeist anpassen“

Die 19-jährige Medizinstudenten Lilly Krückmann aus Norderstedt, die auch im Kinder-und Jugendbeirat der Stadt sitzt, sieht ihre Generation im Zwiespalt. ,,Natürlich beinhaltet ,Gen Z’ ein breites Spektrum an Individuen mit teils faulen und fordernden, genauso aber auch mit fleißigen Personen – wie in jeder anderen Generation auch.“ Lilly Krückmanns Forderung: Jobs und Arbeitgeber müssen sich an den Zeitgeist anpassen. Zudem wünsche sie sich von Arbeitgebern wie Arbeitnehmern mehr Verständnis für andere Lebensvorstellungen.

„Ich denke, jede Generation blickt mit Skepsis auf andere Generationen“, sagt die junge Norderstedterin. Oft fehle die Vorstellung von anderen Lebensphilosophien und das Respektieren neuer Denkweisen.

Lilly Krückmann (19) aus Norderstedt: „Ich denke, jede Generation blickt mit Skepsis auf andere Generationen.“
Lilly Krückmann (19) aus Norderstedt: „Ich denke, jede Generation blickt mit Skepsis auf andere Generationen.“ © Nicola Daumann

„Die Generation Z ist sehr wohl bereit zu arbeiten“, sagt auch der 21 Jahre alte Bennett Marmann aus Ellerau. Der junge Arbeitnehmer, der derzeit eine Ausbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandelsmanagement absolviert, bringt klar zum Ausdruck, dass eine faire Bezahlung und eine gute Arbeitsatmosphäre für ihn eine wichtige Rolle bei der Betriebswahl spielten.

Wichtig sei zudem, dass der Arbeitgeber sich nicht nur für Leistungen, sondern auch für den Menschen hinter der Arbeit interessiere. Die junge Generation habe, so Bennett Marmann, einen großen Vorteil gegenüber der älteren Generation, da sie in der Regel besser mit Medien und Technik umgehen und so effizienter arbeiten könne.

Gen Z wünscht sich eine Feedback-Kultur und eine Mission

Leon Theodor Carstens (20) aus Quickborn leitet eine Agentur, die mittelständische Unternehmen bei der Mitarbeitergewinnung unterstützt. „Als Agentur sehen wir ganz klar, dass aufgrund des Fachkräftemangels die Arbeitgeber die jungen Menschen unbedingt benötigen und daher so gut wie möglich diese für sich begeistern wollen.“ Das geschehe durch verschiedenste Boni wie beispielsweise die Vier-Tage-Woche oder die Möglichkeit, in Homeoffice zu arbeiten. Auch Carstens ist sich sicher, dass Arbeitsplätze mit fortschrittlicher Technologie immer beliebter werden. „Die meisten jungen Leute denken einfach weiter, möchten sich den Werten und der Mission des Unternehmens anschließen.“

Daher sei die Gen Z häufig eher bereit, neue Lösungsansätze auszuprobieren, als 20 Jahre lang das Gleiche zu machen. Carstens: „Neben einer Feedback-Kultur innerhalb des Betriebes sind eine klare Mission und passende Werte sowie ebenfalls eine offene und ehrliche Unternehmenskultur wichtig, um Vertrauen zu schaffen.“