Norderstedt. „Angsträume“ und Kriminalität: Politiker werfen der Verwaltung Untätigkeit vor – und fordern mehr Kameras.

Es ist nicht schön, aber Realität: In Norderstedt gibt es Brennpunkte, an denen die Polizei verschärft kontrollieren darf. Denn an den Bahnhöfen in Garstedt, rund um das Herold-Center und den ZOB, sowie in Norderstedt-Mitte gibt es ein Problem mit Kriminalität, die im Vergleich zum übrigen Stadtgebiet „überproportional“ sei, hieß es im Juli dazu von der Polizeidirektion. Insbesondere Raub- und Gewaltdelikte von Jugendlichen und Heranwachsenden sind aktenkundig.

Die weitreichenden Rechte für die Polizei bei Durchsuchungen oder Feststellungen von Identität sind ein Ansatz. Doch in der Politik fordert die Fraktion WiN/Freie Wähler, dass mehr getan werden muss. „Die Verwaltung wird gebeten, ein Konzept zur Videoüberwachung der kritischen und neuralgischen Schwerpunkte krimineller Handlungen und Straftaten in der Stadt Norderstedt zu erstellen“, so Fraktionschef Reimer Rathje.

“Angsträume“ in Norderstedt: Videoüberwachung an Brennpunkten gefordert

Dies solle in „enger und fachbezogener Weise mit der zuständigen Polizeibehörde stattfinden“. Der Antrag nennt „Angsträume“, die es nach dem Empfinden der Bevölkerungen in den genannten Bereichen gebe. „Dieses Empfinden wurde durch zahlreiche zum Teil sehr schwere Überfälle bestätigt.“

Der letzte bekannte Fall ist zwei Wochen her. In der Europaallee war ein 14-Jähriger von mehreren Personen mit Gewalt gezwungen worden, Geld herauszugeben, dass er kurz vor bei einer nahen Bank abgehoben hatte. Die Täter flohen dann in Richtung Willy-Brandt-Park.

Videoüberwachung „greift in Freiheitsrechte der betroffenen Bürger*innen ein“

Der Antrag von WiN/Freie Wähler wird am Montag, 4. September (18.15 Uhr, Rathaus, Sitzungsraum 2), im Hauptausschuss behandelt. Und das nicht zum ersten Mal. Denn schon am 24. April hatte das Thema auf der Tagesordnung gestanden, auch da hatte Wir in Norderstedt gefordert, dass Möglichkeiten und Kriterien von Videoüberwachung geprüft werden müssten.

Zur Debatte stand, ob Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder eine solche Anordnung treffen solle. Andreas Finster, Leiter des Fachbereichs für Allgemeine Ordnungsaufgaben im Rathaus, hatte der WiN vor vier Monaten schriftlich geantwortet.

Die Videoüberwachung gehöre „zu den Maßnahmen der Ordnungsbehörde zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit“, hieß es. Eine entsprechende Anordnung „greift in die Freiheitsrechte der betroffenen Bürger*innen ein. Insofern muss eine solche Maßnahme natürlich zulässig im Sinne der Vorgaben des Landesverwaltungsgesetzes sein“.

WiN-Fraktionschef: „Verwaltung ist anscheinend nicht tätig geworden“

Finster weiter: „Das heißt neben der Frage, ob zum Beispiel der Tatbestand eines ,Kriminalitätsschwerpunktes’ im Sinne des Gesetzes erfüllt ist, muss sich die Entscheidung auch als ermessensgerecht und als verhältnismäßig erweisen.“

Reimer Rathje zog den Antrag zurück, da Oberbürgermeisterin Roeder, wie es im Protokoll vermerkt wurde, zusagte, „dass dieser Aspekt bei den Gesprächen mit der Polizei besprochen wird.“

Heute sagt der WiN-Politiker: „Es hat keine Runde mit Verwaltung, Polizei und Politik gegeben. Es geht nicht weiter. Weil die Lage brenzlig ist, hatten wir gedacht, dass Frau Roeder etwas macht und die Politik informiert.“ Aber seit dem Hauptausschuss vom 24. April sei „die Verwaltung anscheinend nicht tätig geworden, da sie zu weiteren Gesprächen mit der Politik nicht eingeladen hat“.

Videoüberwachung: „Jetzt beginnt die dunkle Jahreszeit“

Was ihn ärgert: In anderen Städten sei es ja möglich, wie die Polizei berichtet habe. „Elmshorn hatte ein Problem, sie haben es signifikant verbessert. Es geht auch in Lübeck. Nur in Norderstedt nicht. Und jetzt beginnt die dunkle Jahreszeit. Es ist nicht hinnehmbar, nicht nachvollziehbar.“

Rathje wünscht sich deutlich mehr Tempo von der Stadt. „Die Vorstellung des Konzeptes erbitten wir bis zu den Herbstferien 2023.“ Dass mehr Kameras nicht ausreichen werden, ist ihm aber auch bewusst. „Wir wissen ja, es ist nicht das einzige Mittel, um Kriminalität zu reduzieren. Da gehört auch Sozialarbeit dazu. Aber es ist schwer, geeignetes Personal zu finden.“ Auch da erwarte er Lösungsansätze bis Jahresende.