Bad Segeberg. In 70 Spielzeiten gab es bei den Karl-May-Spielen in Bad Segeberg Pleiten, Pech und Pannen. Das sind die kuriosesten Vorfälle.
Prominente Westernladys, knallharte Cowboys und listige Indianer sorgen für spannende Abenteuer bei den Karl-May-Spielen am Kalkberg in Bad Segeberg. Seit 1952 wird in den Schluchten des Balkans oder den Prärien des Wilden Westens gekämpft – und stets siegen die Guten. 70 Inszenierungen in 71 Jahren, da ist eine Menge passiert: Meistens läuft alles glatt, doch es gibt auch Pleiten, Pech und Pannen. Das Hamburger Abendblatt hat jede Saison begleitet und beschreibt hier einige der interessantesten Begebenheiten aus der Segeberger Karl-May-Historie
Kein Darsteller hat die Massen so elektrisiert wie Pierre Brice, der von 1988 bis 1991 Winnetou spielte. Der damalige Geschäftsführer Ernst Reher hatte ihn in Wien persönlich davon überzeugt, dass ein Engagement in Bad Segeberg für den Schauspieler und die Spiele von Nutzen sein würden. Reher behielt recht: Die Karl-May-Spiele waren plötzlich in aller Munde, Pierre Brice wieder ein Star.
70 Spielzeiten am Kalkberg – als Pierre Brice von einem Braunbären gebissen wurde
Es gab aber vermutlich Momente, in denen der Franzose sein Engagement verfluchte. 1990 wurde er vor der Premiere von dem jungen Braunbären Charly ausgerechnet während der Pressekonferenz in die Hand gebissen. Es existiert ein Foto von diesem Biss, aber das wurde, wie sich später herausstellte, nachgestellt: Die Fotograf der Presseagentur bat den Schauspieler, doch noch einmal das Gesicht kurz für ein weiteres Foto zu verzerren.
Hätte Pierre Brice geahnt, welche Wirkung der Bärenbiss noch haben würde, wäre er sicherlich nicht auf den Wunsch des Fotografen eingegangen: Er musste später im Tropenkrankenhaus behandelt werden, weil sich die Bisswunde entzündet hatte.
Stuntman Klaus Schichan landete siebenmal im Krankenhaus
Unfälle gab es immer wieder am Kalkberg. Bei den harten Kämpfen, die dort ausgetragen werden, ist das kein Wunder. 2001 verletzte sich eine Komparsin bei den Proben für das Stück „Der Schatz im Silbersee“ so schwer, dass sie mit erheblichen Verletzungen ins Krankenhaus musste. Das Pferd einer Statistin hatte bei den Proben gescheut. Die Reiterin wurde abgeworfen und fiel unglücklich in eine Baustelle am Rande der Arena. Ihr eigenes Pferd landete auf ihr.
Der langjährige Stuntman Klaus Schichan landete während seiner 19-jährigen Karl-May-Karriere siebenmal im Krankenhaus. Seine ehemals gerade Nase sitzt jetzt ein wenig schief im Gesicht.
1953 wurden die Schauspieler in Planten un Blomen von den Zuschauern verprügelt
1953 gab es für die Schauspieler Prügel ganz anderer Art: Während einer Werbe-Veranstaltung für die Karl-May-Spiele im Hamburger Park Planten un Blomen waren die Zuschauer über die gebotenen Leistungen so empört, dass die Schauspieler mit Holzbänken und -knüppeln verprügelt wurden. Darauf wurde Spielleiter Robert Ludwig sofort abgesetzt.
Für den Ohnsorg-Star Hanno Thurau waren die Karl-May-Spiele ein eher schreckliches Erlebnis: Er hatte sich mit Hepatitis infiziert und überstand die Saison 1992 nur mit Mühe. Etwa einen Monat nach Ende der Karl-May-Saison verstarb er im Hamburger Eilbek-Krankenhaus. Nach Abschluss der Karl-May-Saison hatte er dem Hamburger Abendblatt berichtet, wie sehr ihn das Spielen in der Sandarena angestrengt habe.
Freddy Quinn sang während der Aufführung und brachte seinen eigenen Fotografen mit
Freddy Quinn, der die Rolle des Sam Hawkens 1993 und 1994 übernommen hatte, brachte seinen eigenen Fotografen mit nach Bad Segeberg, der dafür sorgte, dass die deutschen Klatschblätter mit Bildern und Geschichten über den Altstar versorgt wurden. Freddy, als schwieriger Zeitgenosse gefürchtet, gab sich nach Aussagen von Kollegen hinter den Kulissen kollegial und lammfromm. 1993 hatte Regisseur Sergiu Nicolaescu extra für Freddy Quinn eine Gesangsszene in das Stück „Der Ölprinz“ eingebaut. Er begleitete sich selbst auf der Gitarre.
Für den ehemaligen Startenor Peter Hofmann war das Engagement 1997 als Old Firehand gleichzeitig ein Abschied von der Bühne. Er litt bereits an der Parkinson-Krankheit und konnte nach seinem Engagement in Bad Segeberg nur noch wenige Auftritte absolvieren. In seiner Rolle blieb Hofmann blass.
Ex-Komparsin Lea van Acken ist heute eine preisgekrönte Filmschauspielerin
Dass es auch andersherum geht, bewies ein junges Mädchen, das 2011 als Komparsin in der Ölprinz-Inszenierung mitwirkte. Die damals zwölf Jahre alte Lea van Acken aus Pronstorf fand so viel gefallen an ihrer Tätigkeit, dass sie beschloss, Schauspielerin zu werden. Diesen Wunsch setzte sie eindrucksvoll in die Tat um: 2016 bekam sie den bayrischen Filmpreis für ihre Rolle als Anne Frank in dem Kinofilm „Das Tagebuch der Anne Frank“.
Inzwischen ist Lea van Acken eine viel beschäftigte Film- und Fernsehschauspielerin, die gerne an ihre Karl-May-Zeit zurückdenkt. Vor der Premiere 2011 war sie übrigens diejenige, die Martin Böttcher, den Komponisten der berühmten Winnetou-Melodie, in die Arena führte.
1994 verwandelte ein Elefant die Arena während der Premiere in einen Silbersee
1996 verirrte sich ein Schiff in den Wilden Westen: In „Winnetou und der Scout“ war ein Raddampfer der Star. Hierbei handelte es sich um einen Trecker mit entsprechenden Aufbauten. Pech allerdings, als eines Tages der Motor nicht wieder ansprang. Reiner Schöne, damals der Old Death, improvisierte mit Mundharmonikaspiel für das Publikum; letztlich musste man den Rest der Vorstellung um den Dampfer herum spielen.
Tiere spielen in jeder Inszenierung wichtige Rollen, aber 1994 verirrte sich ein besonderes Tier in den Wilden Westen: Ein Elefant spielte im wahrsten Sinne des Wortes eine tragende Rolle in dem Stück „Der Schatz im Silbersee“. Der Zirkus Quaiser hatte das mächtige Tier für die Spiele zur Verfügung gestellt. Als der Elefant während der Premiere Wasser lassen musste, war die Arena zum guten Teil überschwemmt - der Kommentar einer kleinen Zuschauerin: „Guck mal, Mama, der Schatz im Silbersee!“
In den 1950er-Jahren wurden die Pferde noch mit Farbe „blondiert“
1955 wurde noch zu rabiaten Methoden gegriffen, um die Pferde orientgerecht zu gestalten: Sie stammten von umliegenden Landwirten und wurden kurzerhand „blondiert“ – also angemalt. Gespielt wurde „Hadschi Halef Omar“. Bei Regen verlief die Farbe leider.
Gaststars machen die Karl-May-Spiele für viele Zuschauer erst so richtig interessant und attraktiv. Im Laufe der Jahrzehnte spielten hier viele bekannte TV-, Film- und Bühnendarsteller, aber erst 1977 ging es damit los: Der Schauspieler und Tänzer Jürgen Feindt was als Hobble-Frank der erste bekannte Name am Kalkberg. Und es war eine seiner letzten beruflichen Stationen: 1978 verstarb der damals beliebte Schauspieler.
Horst Jansons Mikrofon war nicht ausgeschaltet – die Zuschauer hörten mit
Beatrice Richter erfuhr 2008 eine besondere Ehre: Sie durfte in der Rolle der Rosmatilda Poltermann das bisher teuerste aller Karl-May-Kostüme tragen. Heute ist es in der Sonderausstellung „Karl Mays Traumwelt“ im Indian Village zu bewundern.
Horst Janson sorgte 1998 in dem Stück „Unter Geiern – Der Geist des Llano Estacado“ als Old Shatterhand für einen unfreiwilligen Lacher, als hinter der Bühne sein Mikrofon nicht ausgeschaltet war: „Verdammt, wo ist mein Pferd“, war laut und deutlich über die Lautsprecher vernehmbar.
Nach der Ehrung von Gojko Mitic versank die Freilichtbühne im Wasser
Gojko Mitic, der von 1992 bis 2006 der Segeberger Winnetou war, hatte 2016 seinen letzten Auftritt am Kalkberg: Er wurde vor der Premiere für seine Verdienste um die Karl-May-Spiele zum Ehrenhäuptling „Der mit dem Herzen spricht“ ernannt. Anschließend ging die Premiere im Silbersee unter: Zur Pause musste die Aufführung wegen des Starkregens abgebrochen werden – die Arena stand unter Wasser.
- Karl-May-Spiele: Raritäten aus dem Fundus des Wilden Westens
- Karl-May-Spiele: Falschparker nerven Anwohner – jetzt kommt Abschlepp-App
- In Winnetous Welt
Stuntman, Schauspieler und Pyrotechniker Fred Bräutigam sorgte 1985 auf kuriose Weise für eine Unterbrechung der Aufführung von „Der Ölprinz“: Er spielte den Massa Bob und war per Pferd im Wilden Westen unterwegs, als sich ein mitgeführter Fallschirm, den er – als Gag – zum Absprung vom Pferd benötigte, plötzlich in der Mikrofonanlage verfing und anschließend mühsam befreit werden musste. Damals war noch quer über die Arena ein Netz mit Mikrofonen gespannt, in die die Schauspieler möglichst geschickt hineinsprechen mussten.
Joshy Peters nutzte einen Radbruch für einen besonderen Gag
Der sturmerprobte Karl-May-Darsteller Joshy Peters, seit 1987 am Kalkberg im Einsatz, bewies gleich zu Beginn der Premiere 2010 („Halbblut“) sein Improvisationstalent und seine Kaltblütigkeit: Er wurde für seinen ersten Auftritt als Old Shatterhand mit der Kutsche den Hang hinuntergefahren, aber in der Arena brach bei vollem Tempo ein Rad. Die Kutsche erlitt Schlagseite. Seelenruhig entstieg Joshy der Kutsche, besah sich den Schaden und sprach dann den Satz, der bis heute unvergessen ist: „Augen auf beim Kutschenkauf!“ Das Publikum jubelte.
Regisseur der damaligen Inszenierung war übrigens der Henstedt-Ulzburger Donald Kraemer, der heute als Redakteur für die NDR-Tatortfolgen verantwortlich ist.