Norderstedt. Bilanz der Feuerwehren: Heftige Gewitterzelle fegt über Norderstedt und Tangstedt hinweg. Die Folgen sind sofort sichtbar.
Es kam fast aus dem Nichts: Kurz nach 17 Uhr verdunkelte sich am Montag aus südwestlicher Richtung der Himmel über Norderstedt, tiefschwarze Wolken formierten sich, und dann brach 20 Minuten später das Unwetter über die Stadt hinein. Es wurde zu dem bisher wohl heftigsten Wetterereignis in diesem Sommer, dessen Folgen unmittelbar zu sehen waren. Und im Laufe des Abends wurde deutlich: Die Nachbargemeinde Tangstedt hatte es noch stärker erwischt. Hier verzeichnete die Freiwillige Feuerwehr 37 Einsätze in wenigen Stunden – in Norderstedt waren es 70. Gemessen an der Bevölkerungszahl, hätten es eigentlich Hunderte sein müssen. Aber die Gewitterzelle war derartig kompakt, dass nur ein sehr kleiner Bereich erwischt wurde.
Die Wassermenge war ungewöhnlich. Auf der Rückseite des Rathauses in Norderstedt-Mitte war das schon nach wenigen Minuten zu sehen. Hier, im Bereich des Veranstaltungszentrums TriBühne, ergossen sich plötzlich Sturzbäche fast wie kleine Wasserfälle vom Dach auf den Vorplatz. Ein paar Meter weiter: Während die Autos auf der Rathausallee sicherheitshalber nur noch langsam voran rollten, konnten die ersten Sielanlagen denn Regen nicht mehr bewältigen und liefen prompt über.
Starkregen, Hagel, Windböen: Tornado? Plötzliches Unwetter überrascht Norderstedt
Auf der gegenüberliegenden Seite erwischte es einen gelben Müllcontainer, den eine Windböe umgeschmissen hatte. Reihenweise waren zudem Blätter und Äste von den Bäumen entlang der Allee heruntergefallen und säumten die Geh- und Radwege. Im Bürogebäude, in dem auch das Hamburger Abendblatt seinen Sitz hat, drückte eine Regenwand samt Hagelkörnern so sehr gegen die Fassade, dass das Wasser sogar durch einen Lüftungsschacht in einen Raum floss.
Sofort machten auch in sozialen Medien Fotos und Videos die Runde. „Wie ein Wirbelsturm“, schrieb ein Mann, „unser allererster Tornado“, eine Frau, die Aufnahmen von sich drehenden Wolken veröffentlichte. Andere scherzten über einen „kleinen Sommerregen“, während der heimische Rasen eher wie ein Sumpfgebiet aussah.
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Norderstedt: Böen mit bis zu 85 km/h – Baum stürzt um
Der Deutsche Wetterdienst hatte am späten Nachmittag eine Warnung aktualisiert. „Sturmböen mit Geschwindigkeiten um 85 km/h, Starkregen mit Niederschlagsmengen zwischen 15 und 25 Liter pro Quadratmeter in der Stunde“, hieß es darin. „Örtlich kann es Blitzschlag geben. Bei Blitzschlag besteht Lebensgefahr! Vereinzelt können beispielsweise Bäume entwurzelt und Dächer beschädigt werden. Achten Sie besonders auf herabstürzende Äste, Dachziegel oder Gegenstände. Während des Platzregens sind kurzzeitig Verkehrsbehinderungen möglich.“
So wie an der Segeberger Chaussee: Hier stürzte wenige Meter entfernt vom ZOB Glashütter Markt ein Baum auf parkende Fahrzeuge eines Autohandels. Eine Frau veröffentlichte ein Foto hiervon bei Facebook. Insgesamt verzeichneten die vier Freiwilligen Feuerwehren in Norderstedt 70 Einsätze zwischen 17.35 Uhr und 23.30 Uhr, 67 davon waren auf das Unwetter zurückzuführen. Die meisten wiederum (51) standen in Zusammenhang mit Wassereinbrüchen in Gebäuden oder Wasser, das nicht mehr abfloss.
16-mal waren Bäume umgestürzt beziehungsweise Äste oder andere Gegenstände, die gesichert werden mussten. Die positive Nachricht: Niemand wurde verletzt.
Tangstedt: Das Unwetter „ist aus heiterem Himmel gekommen“
Für Tangstedt war es „in diesem Jahr von der Heftigkeit das größte Unwetter“, so Andreas Riecken, Sprecher der örtlichen Feuerwehr. „Kurz und knackig, mit großer Wirkung“, sei es über die Gemeinde hereingebrochen. Vor drei Wochen habe man schon einmal eine Unwetterwarnung erhalten, da sei nichts passiert. „Aber jetzt ist es aus heiterem Himmel gekommen. Dabei war es eine kleine Zelle, ich hatte erst gedacht, dass die an uns vorbeiziehen würde.“
Im Gegenteil: „Der Schwerpunkt war in den Ortsteilen Wulksfelde und Tangstedt. Es wurde schnell eine Flächenlage ausgerufen.“ Sprich: Alle verfügbaren Feuerwehrleute wurden alarmiert. Im Gerätehaus an der Dorfstraße wurde ein Meldekopf eingerichtet, sodass die bei der Leitstelle in Bad Oldesloe eingegangenen Notrufe über die 112 direkt weitergeleitet werden konnten. „Das sind Szenarien, die man übt“, so Riecken.
Schon sehr früh lief der erste schwerwiegende Alarm auf. Im Forstweg war ein Baum auf ein Auto gekracht. Der Fahrer konnte sich nicht mehr selbstständig befreien, hatte aber großes Glück – er blieb unversehrt. „Danach ging es Schlag auf Schlag“, berichtet der Sprecher. Umgestürzte Bäume, vollgelaufene Keller, überschwemmte Straßen – bis in die Abendstunden seien 37 Einsätze abgearbeitet worden.
„Hinzu kommen etliche Fälle, bei denen die Einsatzkräfte auf der Anfahrt zum Einsatz Windbruch beiseite räumen mussten, um zu den eigentlichen Einsatzstellen zu gelangen.“ Nicht zuständig ist die Feuerwehr, wenn Bäume auf Privatgrundstücken umknicken, sofern diese nicht die Wohnhäuser gefährden. „Wir sind zuständig, wenn Gefahr in Verzug ist.“
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Unwetter: Sehr lokale Gewitterzelle – Henstedt-Ulzburg bleibt komplett verschont
Bemerkenswert ist tatsächlich, wie klein das betroffene Gebiet war. Denn Tangstedt erhielt unter anderem Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehr aus Henstedt-Ulzburg, die mit einer Drehleiter ausrückte. „Sonst arbeitet Tangstedt ja mit Norderstedt zusammen. Aber die Leitstelle hat entschieden, dass wir die nächstgelegene Drehleiter haben“, so deren Sprecher Christoph Rüter.
Die Kapazitäten waren vorhanden, denn: „Wir hatten hier nicht einen Einsatz. Wir sind dann aus Henstedt-Ulzburg rausgefahren auf die Schleswig-Holstein-Straße, sind nach Wilstedt abgebogen. Am Straßenrand sah es wie ein Schneehaufen.“ Es waren große Hagelkörner, die sich aufgetürmt hatten – davon war in Henstedt-Ulzburg hingegen nichts zu sehen.