Kreis Segeberg. Wie Christdemokraten im Kreis Segeberg auf die Äußerungen ihres Parteichefs über Zusammenarbeit mit der AfD reagieren.
Steht die Brandmauer nach Rechts, zur rechtsextremen AfD? Für viele Christdemokraten ist das ein nicht verhandelbarer Grundsatz ihrer politischen Arbeit innerhalb der CDU – auch im Kreis Segeberg.
Entsprechend wenig verwunderlich ist es, dass Parteichef Friedrich Merz der innerparteiliche Sturm der Entrüstung entgegenschlägt, seit er am Sonntag in einem Sommerinterview im ZDF den Eindruck erweckte, er wolle Steine aus der Brandmauer lösen.
CDU: Zusammenarbeit mit AfD? CDU-Basis sauer auf Friedrich Merz
Merz hatte im ZDF zwar erneut bekräftigt, dass die Union nicht mit der AfD kooperieren werde. Beschränkte diesen Grundsatz aber plötzlich auf „gesetzgebende Körperschaften“ auf europäischer, Bundes- oder Landesebene. Auf Landesebene oder im Kommunalen, wenn bei demokratischen Wahlen AfD-Leute Landrat oder Bürgermeister werden, müsse nach Wegen gesucht werden, wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet.
Und auch wenn Merz im Angesicht des Sturms am Montag zurückruderte und per Twitter mitteilte, sich an die Beschlusslage seiner Partei zu halten und dass es auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde – der Sturm an der Parteibasis nahm nicht an Intensität ab.
Norderstedt: AfD ist in der Stadtvertretung erstarkt
In Norderstedt hat es die CDU mit einer erstarkten AfD-Fraktion zu tun. 8,7 Prozent holten die Rechtspopulisten um Fraktionschef Sven Wendorf, ein Plus von 4,2 Prozent zur letzten Wahl 2018. Mit jetzt fünf Leuten sitzt die Partei in der Stadtvertretung (plus 3).
Die CDU Norderstedt hat seit dem erstmaligen Einzug der AfD 2018 ins Stadtparlament peinlich genau darauf geachtet, keinerlei Zweifel an der kategorischen Nicht-Zusammenarbeit der CDU mit den Rechtsextremen aufkommen zu lassen.
CDU-Chef reagiert gereizt auf Friedrich Merz
Gereizt reagiert nun CDU-Fraktionschef Peter Holle auf die Äußerungen seines Parteivorsitzenden. „Die CDU-Fraktion vor Ort benötigt keine Ratschläge, wie wir unsere kommunalpolitische Arbeit ausführen sollen.“
Holle sagt, die Demokratie sei eine Staatsform, in der die Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Gewählte Mehrheiten müsse jeder Demokrat akzeptieren. „Das beinhaltet jedoch nicht, dass daraus eine Mitarbeit oder Zusammenarbeit erwächst. Es gab in der Vergangenheit keine gemeinsamen Anträge und es wird in der Zukunft keine gemeinsamen Anträge mit der AfD geben“, macht Holle unmissverständlich klar.
„Antworten auf drängende Fragen finden“
Norderstedts CDU-Ortsvereinsvorsitzender Thorsten Borchers pocht auf den gefassten CDU-Parteitagsbeschluss, der eine Zusammenarbeit mit der AfD – egal auf welcher politischen Ebene – ausschließe.
„Im Vergleich zum Osten des Landes, hat die AfD in Norderstedt ja nur überschaubaren Erfolg“, sagt Borchers. „Gleichwohl: Die Umfragewerte im Bund von 20 Prozent sind ein Alarmsignal.“ Borchers warnt vor einer Annäherung an die Rechtspopulisten: „Wir sollten jetzt nicht versuchen, die AfD mit ihren Themen zu übertrumpfen. Wir müssen uns Antworten überlegen auf die drängenden Fragen der Zeit, den Markenkern der CDU freilegen. Dann kommen wir auch wieder sicher über 30 Prozent.“ Beruhigt habe Borchers zur Kenntnis genommen, dass Merz seinen Aussagen am Montag relativiert habe.
Landespolitik pocht auf Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU
Anders als in Norderstedt, wo die Politikerinnen und Politiker der CDU den AfD-Kandidaten selbst unbedeutende stellvertretende Ausschussvorsitze verweigerten, wählten die Christdemokraten des Kreistages im Juni den AfD-Abgeordneten Julian Flak zum Bauausschussvorsitzenden.
Der CDU-Kreisvorsitzende Ole-Christopher Plambeck betont aber, dass die CDU-Kreistagsfraktion bei ihrer Sitzung vor den Sommerferien den CDU-Unvereinbarkeitsbeschluss aus 2018 erneuert habe, in dem die Zusammenarbeit mit AfD und Linke ausgeschlossen wird. „Es wird schlichtweg keine Zusammenarbeit mit der AfD geben!“, sagt Plambeck.
„Demokratische Wahlen machen noch eine Demokraten“
Auf Landesebene sei für ihn die Sache ebenso klar. Plambeck: „Die AfD ist eine rechtsextreme, menschenverachtende Partei, die zudem vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Jegliche Relativierung lassen wir als CDU-Kreisverband Segeberg nicht zu!“
Der Norderstedter CDU-Landtagsabgeordnete Patrick Pender sieht die Lage nach den einordnenden Worten von Friedrich Merz am Montag unverändert: „Die CDU hat einen klaren Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst. Als CDU-Landtagsabgeordneter teile ich diesen Beschluss mit voller Überzeugung.“
Von einer „unsinnigen Debatte“ spricht seine CDU-Kollegin in Kiel, Katja Rathje-Hoffmann. „Der Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU schließt zudem die kommunale Ebene eindeutig mit ein.“ Der dort formulierte Schlusssatz ist für Rathje-Hoffmann besonders zutreffend: „Eine demokratische Wahl macht einen noch lange nicht zum Demokraten“.
CDU Kaltenkirchen: „Wir werden uns nicht gegen das Recht stellen!“
Sie kritisiert die von Merz angedachte Einschränkung auf „gesetzgebende Körperschaften“ und macht klar: „Keine Zusammenarbeit mit der AfD. Die Partei und ihre menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Inhalte bleiben die gleichen, egal auf welcher Ebene. Keine Relativierung, keine Verharmlosung!“
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Ähnlich klar äußerte sich die CDU-Bundestagsabgeordnete Melanie Bernstein. „Es gilt die Beschlusslage der CDU. Es wird – auch auf kommunaler Ebene – keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben. Die AfD ist demokratiefeindlich, in großen Teilen rechtsextrem und spaltet unsere Gesellschaft. Das ist mit den Werten der CDU nicht zu vereinbaren.“
Kreis Segeberg: Kreistag wählte AfD-Mann als Ausschussvorsitzenden
Für Kurt Barkowsky sind Merz’ Äußerungen „ein heißes Thema“. Der Kaltenkirchener ist CDU-Fraktionsvorsitzender in der Stadtvertretung, Mitglied des Kreistages und hat jahrelange Erfahrungen mit der AfD, die in der vergangenen Wahlperiode mit einem Politiker und derzeit mit vier Mandatsträgern im Stadtparlament tätig ist.
Zwar halte sich seine Fraktion an die Vorgabe des Landes-CDU, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Dennoch habe seine Fraktion zugestimmt, als die Wahl von AfD-Mitgliedern in die Ausschüsse anstand. AfD-Fraktionschef Julian Flak wurde auch mit den Stimmen der CDU zum Vorsitzenden des Ausschusses für Bau und Umwelt gewählt.
Barkowsky sieht darin keine inhaltliche Zusammenarbeit. Er begründet das Vorgehen seiner Partei mit dem Anrecht der AfD auf die Sitze, da die Politiker dieser Partei von den Bürgern gewählt worden sind. „Wir werden uns nicht gegen das Recht stellen“, sagte Barkowsky. Ähnlich sei der Kreistag vorgegangen.