Norderstedt. Parlamente im Kreis und ihr Umgang mit Rechtspopulisten: Zwischen kategorischer Ablehnung und schulterzuckender Akzeptanz.

Nicht nur in Umfragen legt die AfD deutschlandweit zu, es wählen sie auch immer mehr Menschen. Die Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein zeigten das – auch im Kreis Segeberg. In Norderstedt 8,7 Prozent, ein Plus von über 4 Prozent und damit fünf statt wie bisher zwei Sitze in der Stadtvertretung. In Kaltenkirchen 12,7 Prozent, ein Plus von 6,5 Prozent und vier Sitze im Stadtparlament. Im Kreistag 10,3 Prozent, ein Plus von 2,7 Prozent und sieben Sitze im Kreistag.

Die anderen Parteien müssen mit den erstarkten Rechtspopulisten nun umgehen. Und sie tun das in einer Mischung aus kategorischer Ablehnung der Zusammenarbeit und schulterzuckender Akzeptanz. Das zeigt sich derzeit bei der Wahl der Ausschussvorsitzenden.

Kommunalpolitik: Keine Zusammenarbeit mit der AfD – das sehen nicht alle so

Nachdem der Segeberger Kreistag den Rechtspopulisten mehrheitlich wieder die Leitung des Bauausschusses übertrug, entschied sich die Stadtvertretung in Kaltenkirchen ähnlich, hier fiel bei der Besetzung der Gremien sogar der Umwelt-, Klima- und Naturausschuss an die Partei.

Sowohl im Kreis als auch in Kaltenkirchen war es die CDU, die als deutlich größte Fraktion mit ihren Stimmen ausschlaggebend war für die Vergabe der Posten. Allerdings stimmten auch andere Parteien zu: Im Kreis gab es eine Stimme der Grünen, drei der Freien Wähler und eine der Basis, in Kaltenkirchen auch die Stimmen der Wählergemeinschaft Pro-Kaki.

Und jeweils wurde so argumentiert, dass nun einmal viele Bürgerinnen und Bürger die AfD gewählt hätten, was wiederum im Sinne der Demokratie respektiert werden müsse. Das ist durchaus pikant, und zwar aus zweierlei Gründen.

Überraschung in Norderstedt: AfD sagt Nein zum Ausschuss-Vorsitz

In dieser Woche nannte der Bundesverfassungsschutz in seinem Jahresbericht für 2022 die Zahl von geschätzt 10.200 Mitgliedern der AfD sowie deren Jugendorganisation, die als Anhänger extremistischer Strömungen eingeordnet werden könnten. Schon 2021 war die AfD durch den Inlandsgeheimdienst als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft worden, hiergegen läuft derzeit noch ein Berufungsverfahren vor einem Oberverwaltungsgericht.

In bemerkenswerter Art und Weise hatten sich zudem in diesem Juni, unter dem Eindruck der Wahlergebnisse in Kreisen, Städten und Gemeinden, die Vorsitzenden von gleich fünf Parteien in Schleswig-Holstein zusammen geäußert: CDU (also Ministerpräsident Daniel Günther), Grüne, SPD, FDP und SSW gaben ihren Kolleginnen und Kollegen auf kommunaler Ebene eine Art Handlungsempfehlung. Die AfD sollte nicht in „herausgehobene Positionen der Kommunalvertretungen“ gewählt werden.

„In einer Demokratie gibt es keinen Anspruch, gewählt zu werden“

„Egal, ob sich diese Partei vor Ort ein bürgerliches oder moderates Gesicht gibt oder nicht – die AfD ist rechtsradikal und teils offen rechtsextrem.“ Und: „In einer Demokratie gibt es keinen Anspruch, gewählt zu werden – auch nicht für die AfD.“ Die Einschränkung: Selbstverständlich könne selbst entschieden werden, wie man mit der AfD umgehe. Trotzdem wurde betont, wie „wichtig“ es sei, „dass man sich vor Ort unter den demokratischen Parteien einig ist und einen gemeinsamen Umgang mit der sich immer weiter radikalisierenden Partei AfD bespricht“.

Im Kreistag sowie in Kaltenkirchen war die Mehrheit einer anderen Auffassung. Übrigens im Gegensatz zum Pinneberger Kreistag, dort gab es eine klare Ablehnung, die AfD bekam den Vorsitz des Jugendhilfeausschusses nicht. Nach zwei Abstimmungen wurde abgebrochen – wie es weitergeht, ist offen.

Norderstedt: Kein Posten für die AfD – es gibt einen Präzedenzfall

Auch in Norderstedt gab es bereits einen Präzedenzfall, der einige Jahre zurückliegt. Die AfD zog 2018 nach der Kommunalwahl mit zwei Personen in die Stadtvertretung ein, hatte damit einen Anspruch auf stellvertretende Ausschussvorsitze. Nur: CDU, SPD, Grüne und Linke lehnten die Vorschläge für den Stadtwerke- sowie den Sozialausschuss wieder und wieder ab. „Es handelte sich um eine demokratische Wahl, und wir haben uns eben entschieden – gegen die AfD-Kandidaten“, lautete damals die Begründung des CDU-Fraktionschefs Peter Holle – und die meisten Stadtvertreter sahen das ebenso.

Nach mehreren Versuchen gab die AfD letztlich auf. Rechtlich gibt es in der Tat keine Pflicht, diesen Personalvorschlägen zuzustimmen, es ist aber eine politische Gepflogenheit gewesen – solange die AfD nicht im Stadtparlament saß. Arbeitsfähig sind Ausschüsse trotzdem, selbst ohne Vorsitzende wäre das theoretisch so, solange Stellvertreter gewählt wurden.

Sven Wendorf ist Fraktionsvorsitzender der AfD, die mit fünf Mandatsträgern in die Stadtvertretung von Norderstedt eingezogen ist.
Sven Wendorf ist Fraktionsvorsitzender der AfD, die mit fünf Mandatsträgern in die Stadtvertretung von Norderstedt eingezogen ist. © Claas Greite

Norderstedt: AfD verzichtet auf Ausschuss-Vorsitz – das sind die Gründe

Heute, im Juni 2023, wäre die AfD mit ihren fünf Fraktionsmitgliedern in Norderstedt an sechster Stelle berechtigt, eine Person für den Vorsitz eines Gremiums vorzuschlagen. Aber dazu wird es bei der konstituierenden Sitzung am Dienstag, 27. Juni (19 Uhr, Plenarsaal, Rathaus), nicht kommen, wie der Fraktionsvorsitzende Sven Wendorf gegenüber dem Abendblatt bestätigt.

„Da der Arbeitsaufwand in den Norderstedter Ausschüssen bereits sehr intensiv ist und unsere Fraktionsvorsitzenden auch als Kreistagsabgeordnete eine Doppelfunktion erfüllen, und in Person des Herrn Frahm auf Kreisebene bereits einen stellvertretenden Ausschussvorsitz innehaben, haben wir uns entschieden, in Norderstedt auf den eher repräsentativen und organisatorischen Vorsitz eines Ausschusses zu verzichten und uns hier stattdessen auf die reine Sacharbeit in den Ausschüssen zu konzentrieren.“

Norderstedt: AfD besteht auf Posten in Aufsichtsräten

Die AfD verhindert damit, erneut auf breiter Front von den anderen Fraktionen der Stadtvertretung abgelehnt zu werden – so wie 2018. Denn die Haltung der meisten Stadtvertreter dazu hat sich nicht geändert. Doch es gibt auch Posten, bei denen die AfD anders vorgehen wird. Wendorf: „Was das Verhalten anderer Fraktionen betrifft, wird es für uns also erst in der Besetzung der Aufsichtsräte spannend – auf die wir weiterhin Wert legen.“

Die Parteien entsenden Vertreterinnen und Vertreter in die Kontrollgremien für die zahlreichen städtischen Gesellschaften, etwa wilhelm.tel, die EGNO oder den Stadtpark. Der zuständige Hauptausschuss wird hierzu am 10. Juli tagen. Nach Abendblatt-Informationen ist es offen, ob sich für AfD-Kandidaten Mehrheiten finden werden.