Kreis Segeberg. Wegezweckverband fehlen bereits 20 Millionen Euro. Schuld an der „hochnotpeinlichen“ Lage sei eine Erfurter Firma.
Für die knapp 70.000 betroffenen Bürgerinnen und Gebührenzahler mag es eine – wenn auch vorübergehende – Ersparnis sein. Für den Wegezweckverband (WZV) des Kreises Segeberg wird das Daten-Chaos zunehmend ärgerlich und kostet unnötig Zeit und Geld: Das Versorgungsunternehmen, das neben der Straßenunterhaltung vor allem für die Abfallentsorgung aller 94 Städte und Gemeinden im Kreis Segeberg (außer Norderstedt) zuständig ist, kann immer noch keine Gebührenbescheide an seine Kunden verschicken, weil das neu installierte IT-System nicht funktioniert.
Das soll jetzt frühestens im September möglich sein, heißt es aus der Kreisstadt. Immerhin hat der WZV jetzt die Reißleine gezogen und der IT-Firma aus Erfurt den Auftrag entzogen, die offenbar nicht in der Lage war, ihr neues Softwaresystem beim WZV zum Laufen zu bringen.
Kreis Pinneberg: Daten-Chaos beim WZV hält an – Bürger müssen nicht zahlen
„Wir haben jetzt ein anderes renommiertes Softwareunternehmen beauftragt“, erklärt WZV-Verbandsvorsteher Peter Axmann auf Nachfrage. „Wir mussten improvisieren und haben die Zusammenarbeit mit der Firma Q-Soft aus Erfurt beendet. Das hatte keine Zukunft.“
Immer wieder seien Fristen zur Behebung der Probleme nicht eingehalten worden. Der WZV behalte sich vor, die Erfurter Firma in Regress zu nehmen. Immerhin sei dem WZV erheblicher Schaden entstanden und der Auftrag, ein neues umfassendes IT-System für Logistik und Abrechnung der Müllabfuhr zu installieren, umfasste einen sechsstelligen Betrag, sagt Axmann. „Wir werden Schadensersatzansprüche stellen.“
WZV will IT-Firma in Regress nehmen
Notwendig geworden war die neue elektronische Datenverarbeitung durch die Einführung von Abfallgebühren zum 1. Januar 2023. Bisher haben die 65.000 privaten und die 2400 gewerblichen Abfallkunden des WZV Entgelte bezahlt. Weil die aber künftig umsatzsteuerpflichtig seien, mussten neue Programme für Soft- und Hardware angeschafft werden.
Da schien zunächst Q-Soft der richtige Partner zu sein. Auf seiner Homepage wirbt das vor gut 30 Jahre gegründete Unternehmen damit, dass sein Programm bereits „300 verschiedene Abfallgebührensatzungen“ erstellt habe. Jeder fünfte Gebührenbescheid in Deutschland würde mit diesem Modulsystem abgerechnet, heißt es da.
Kreis Segeberg: WZV hat 65.000 private und 2400 gewerbliche Kunden
Das Tourenplanungssystem „managt sowohl die zyklische und auftragsbezogene Planung von Touren beispielsweise für die Entsorgungsbereiche Restmüll, Biomüll, DSD, als auch für den Sperrmüll und Containerdienst“, wird es dort wörtlich angepriesen. „Das System verwaltet Gefäße und Standplätze und gewährleistet die Kontrolle aller tourenspezifischen Parameter (Anzahl der Gefäße, Tourvolumen, Tourzeiten, Fahrzeugzuordnungen, Füllgrade).“
Die Leistungsmerkmale der Software reichten demnach von der Unterstützung der Straßenabschnittsplanung und Tourensimulation über die Möglichkeit zur grafischen Abbildung der Touren bis hin zur Übertragung der Informationen an mobile Einheiten und Telematiksysteme.
Software-Panne: Keiner weiß genau, woran es liegt
Aus Sicht des WZV waren das eher leere Versprechen. Ein halbes Jahr nach der Umstellung auf die Gebührenbescheide funktioniere das Abfall-Abrechnungssystem immer noch nicht. Woran genau es liegt, vermag keiner zu sagen. „Es ist kompliziert“, gibt Axmann zu. „Wir wollten eine Software-Lösung aus einer Hand.“
Der WZV möchte sein gesamtes Abrechnungssystem einschließlich der Finanzverwaltung, Kassensystem, Liquiditätsberechnung, Abfallströme, Tourenplanung und kommunale Dienste mit dem IT-System abdecken. Doch offenbar ließen sich die Schnittstellen nicht so miteinander vernetzen, dass es lief. Lediglich das Finanzsystem funktioniere, erklärt Axmann. Das habe Q-Soft aber auch extern eingekauft, sagt er.
Eine Stellungnahme von dem Erfurter Unternehmen, das 50 Menschen beschäftigen soll, war nicht zu erhalten. Mehrere telefonische und schriftliche Anfragen dazu ließ Q-Soft auch mit Fristsetzung unbeantwortet. Dabei ist deren Geschäftsführerin, Tochter des Firmengründers, voriges Jahr zur Thüringer Unternehmerin des Jahres gekürt worden.
Dem WZV fehlen bereits 20 Millionen Euro an Einnahmen
Für den WZV schlagen jetzt erhebliche Einnahmeverluste zu Buche. Pro Quartal schätzt Axmann sie auf zehn Millionen Euro. Somit fehlten dem Abfallunternehmen des Kreises Segeberg mit seinen 330 Mitarbeitenden jetzt bereits 20 Millionen Euro in der Kasse. Bis Ende September wären es 30 Millionen Euro. Dann hofft der WZV-Chef aber, dass endlich Gebührenbescheide an die fast 70.000 Kunden verschickt werden können.
Um nicht in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten, hat sich die WZV-Geschäftsführung im Frühjahr von der Verbandsversammlung vorsorglich einen Kassenkredit von zehn Millionen Euro bewilligen lassen. Der sei bisher noch nicht zum Tragen gekommen, sagt Axmann.
Daten-Chaos beim WZV: Kunden können freiwillig Geld überweisen
Wer möchte, könnte aber bereits heute vorab eine Abschlagszahlung an den WZV leisten, um nicht im Herbst eine höhere Summe für die Abfallgebühren entrichten zu müssen. Das hätten auch bereits einige Kunden getan, sagt Axmann. „Das sind aber Einzelfälle.“
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„Das ist eine ausgesprochen unglückliche Situation und hochnotpeinlich für die beauftragte Firma aus Erfurt“, sagt Ralf Martens, Bürgermeister aus Ellerau und amtierender Vorsitzender der WZV-Verbandsversammlung. Es gehe hier aber nur um die ordnungsgemäße Gebührenabrechnung, die bislang nicht funktioniere. „Die Müllentsorgung im Kreis Segeberg ist nicht in Gefahr. Die Tonnen werden weiterhin rechtzeitig geleert. Es türmt sich kein Müll auf den Straßen.“ Für die Kunden sei kein Schaden entstanden.