Kaltenkirchen. Kim Wilde tritt am Sonntag in Kaltenkirchen auf. Unser Autor traf sie erstmals 1980, als sie noch unbekannt und sehr schüchtern war.

Es gibt Ereignisse, die im Gedächtnis bleiben und sich manchmal erst Jahre später als so interessant herausstellen, dass es sich lohnt, diese Erinnerungen mit anderen zu teilen. Die erste Begegnung mit der britischen Sängerin Kim Wilde hat sich bei mir ins Gedächtnis gebrannt. Am Sonntag tritt sie mit ihrer Band beim Kaltenkirchener „Most-Wanted-Festival“ auf - 62 Jahre und immer noch ein Star. Ich habe sie vor 43 Jahren persönlich kennengelernt.

Es war im Dezember 1980, als das Hamburger Büro einer internationalen Plattenfirma mich anrief, um nachzufragen, ob ich Interesse an einem Interview mit einer britischen Sängern hätte. Tatsächlich war das Interesse meinerseits aus verschiedenen Gründen ziemlich gering: Die junge Dame war unbekannt, hatte gerade Aufnahmen für eine Single gemacht, die aber noch nicht auf dem Markt war, hatte offenbar keinerlei Bühnenerfahrung und war somit eine von unzähligen kleinen Möchtegern-Sängerinnen, die von einer Karriere träumten. Vielen Dank, aber nein!

Most-Wanted-Festival: So habe ich vor 43 Jahren Kim Wilde kennengelernt

Da war sie schon etwas älter. Kim Wilde 2019 beim Werner-Rennen in Hartenholm.
Da war sie schon etwas älter. Kim Wilde 2019 beim Werner-Rennen in Hartenholm. © Sven Darmer | Sven Darmer

Dass es schließlich doch zu einem Interview kam, lag nicht so sehr an dem Versprechen der damaligen PR-Frau der Plattenfirma, die mich ungefähr so lockte: „Die kommt ganz groß raus, dafür sorgen wir.“ Dieses Argument von Traudl Troska, die nach ihrer Zeit als PR-Agentin eine große Karriere als Modeschöpferin in Australien hinlegte, war, ehrlich gesagt, ziemlich lahm. Wer sich damals in der Branche auskannte, musste nahezu täglich mit derartig leeren Versprechungen zurechtkommen.

Was mich aber tatsächlich lockte, war der Name des Vaters: Marty Wilde war in den 1950er-Jahren eine Größe in England: Mit Coverversionen bekannter US-Hits hatte er einige Erfolge, vor allem aber war er der Komponist großer Hits. Zum Beispiel für Status Quo („Ice in the sun“) und Lulu („I’m a tiger“).

Vater Marty war in England ein bekannter Sänger und Komponist

Jetzt also die Tochter. Als Treffpunkt wird die Moorweide am Dammtor-Bahnhof ausgemacht. Kim Wilde kommt direkt vom Flughafen. Die Plattenfirma hat sie abholen lassen. Blass, schmal, völlig verfroren, so steht sie an jenem kalten Wintertag im Jahre 1980 vor mir. Ein 19 Jahre altes Mädchen, das eher noch jünger aussieht.

Dann das Interview, das eigentlich keines war. Kim Wilde wirkt unbeholfen und schüchtern, antwortet kaum und wenn, dann ziemlich einsilbig. Ich habe nicht den Eindruck, dass dahinter Lustlosigkeit und Desinteresse gegenüber einem deutschen Journalisten steckt, sie hat offenbar Angst, etwas Falsches zu sagen. Offenbar war sie völlig alleine nach Deutschland geflogen, denn von einer Begleitperson, einem Agenten oder einem Familienangehörigen war nichts zu sehen.

Einige Leser des Hamburger Abendblattes hatten 2012 vor dem Konzert Gelegenheit im Norderstedter Stadtpark Gelegenheit, Kim Wilde hinter der Bühne zu begrüßen und mit ihr zu reden. Alle bekamen damals von ihr eine Autogrammkarte.
Einige Leser des Hamburger Abendblattes hatten 2012 vor dem Konzert Gelegenheit im Norderstedter Stadtpark Gelegenheit, Kim Wilde hinter der Bühne zu begrüßen und mit ihr zu reden. Alle bekamen damals von ihr eine Autogrammkarte. © Frank Knittermeier

„Kids in America“ entwickelte sich Anfang 1981 zum weltweiten Hit

Immerhin: Nach aufmunternden Worten der deutschen PR-Agentin ist der Britin dann doch einiges zu entlocken. Ja, sie sei im Studio gewesen. Und ja, Papa Marty sei der Produzent gewesen. Und übrigens auch der Komponist. Den Text habe Bruder Ricky verfasst. Der Titel? „Kids in America“. Im Januar, also etwa drei Wochen später, solle der in England erscheinen, berichtet die PR-Agentin. Aha.

Noch schnell ein paar Farbfotos von einer frierenden Sängerin, deren Blick zumeist auf den Boden gerichtet ist – und Ende. Kim Wilde entschwindet. Ich veröffentliche pflichtgemäß einen kurzen Text mit Foto im Wochenend-Journal des Hamburger Abendblatts, war mir aber ziemlich sicher, dass diese schüchterne junge Dame keine große Karriere machen würde.

2012 trat Kim Wilde beim Schleswig-Holstein-Tag im Norderstedter Stadtpark auf

Ein Irrtum, wie sich wenige Wochen später herausstellen sollte. „Kids in America“ avanciert zum weltweiten Hit und landet sogar in den US-Charts. Und ich? Ich kann mich bis heute darüber freuen, der erste deutsche Journalist, möglicherweise sogar der erste Journalist überhaupt gewesen zu sein, der Kim Wilde jemals interviewt hat. Kaufen kann ich mir nichts dafür.

Später landete sie Hits wie „Chequered Love“, „The Second Time“ und „Water On Glass“, „Cambodia“ und vor allem „You keep me hangin’ on“, der es bis auf Platz eins der US-Charts schaffte. Mir ihren ersten drei Alben avancierte sie zum Shootingstar.

Die anschließende Karriere von Kim Wilde habe ich aus der Distanz verfolgt, konnte mich aber nie wirklich für ihre Musik begeistern. Bis ich ihr 2012 in Norderstedt wiederbegegnete. Sie war Stargast beim Schleswig-Holstein-Tag im Stadtpark, und ich sah sie hinter der Bühne aus nächster Nähe. Was sollte ich sagen? „Hallo Kim, erinnerst du dich, damals auf der Moorweide...“ Nee, das wäre peinlich gewesen. Also beließ ich es bei der Beobachtung und beim verstohlenen Fotografieren.

Auch Thomas Anders und Nino de Angelo treten in Kaltenkirchen auf

Auf der Bühne war Kim Wilde riesig. Mit Band, die von Bruder Ricky geleitet wurde, und Backgroundsängerinnen lieferte sie eine großartige Show. Mit 30 Jahren Verspätung bin ich dann also doch noch Fan von ihr geworden. Was möglicherweise auch an ihren Aussehen lag: 1980 schüchtern und verklemmt, jetzt eine souveräne Frau fortgeschrittenen Alters, die ihre Falten nicht versteckt.

Am Sonntag tritt sie in Kaltenkirchen auf – ich bin dabei. Ansprechen werde ich sie aber vermutlich auch dort nicht. Die Show, an der auch die deutschen Schlagersänger Nino de Angelo und Thomas Anders beteiligt sind, beginnt um 18 Uhr auf dem Festplatz. Tickets gibt es ab 52,49 Euro.

Alle Infos zum Most-Wanted-Festival gibt es hier.