Norderstedt. Warum sich hartnäckig Gerüchte halten, eine Grünachse in Norderstedt werde Gewerbegebiet – und wer verantwortlich dafür ist.
Markige Sprüche, zugespitzte Thesen – im Kommunalwahlkampf legitim. Doch die Grenzen zum Populismus und zur faktenwidrigen Dramatisierung sollten niemals überschritten werden. Die Garstedter Feldmark, die grüne Lunge im Westen der Stadt, entwickelt sich im Wahlkampf zu einem Thema, bei dem die Fakten in den Hintergrund und die Gerüchte in den Vordergrund treten. Und so wächst nun in der Stadt bei manchen die Überzeugung, die Stadt wolle die Feldmark quasi zum Gewerbegebiet machen und das kostbare Grün dafür roden. Zeit, einiges klarzustellen.
Zunächst vielleicht die Fakten: Die Garstedter Feldmark ist eine Grünachse westlich des Stadtteils Garstedt. Hier haben viele Pferde ihre Koppeln, der Rantzauer Forst bietet Flora und Fauna Rückzugsmöglichkeit. Die Menschen holen hier Luft, gehen Joggen, führen ihre Hunde Gassi oder feiern am Ende des Jahres die Waldweihnacht – ein unverzichtbarer grüner Lebensraum für die Stadt.
Norderstedt: „Absoluter Unfug!“ Polit-Streit um die Garstedter Feldmark
Und als solcher auch im Landesentwicklungsplan Schleswig-Holstein (LEP) und dem zugehörigen Regionalplan verzeichnet und somit quasi geschützt – wenn auch nicht kategorisch. Aber was auch immer hier entstehen möchte oder soll – die Stadt könnte es nur in Abstimmung mit dem Land und Kommunalpolitik angehen, müsste bei Flächennutzungs- und Bebauungsplänen die Ziele und Grundsätze des Landes einfließen lassen.
Was ist denn eigentlich konkret passiert? Derzeit stellt das Land die Regionalpläne des LEP neu auf. Aus derzeit fünf bestehenden Regionalplänen sollen künftig drei werden. In diesem Prozess fragt Kiel bei den Städten und Kommunen höflich nach, was denn für Wünsche auf Veränderung der Planung bestehen.
Gewerbegebiet Nordport: Option auf Erweiterung nach Norden
Norderstedt liegt künftig im Regionalplan III und dachte heute schon an morgen. Nämlich an die Zeit, wenn das überaus erfolgreiche Gewerbegebiet Nordport zwischen Flughafen Hamburg und Niendorfer Straße voll gelaufen ist und die grünen Weiden nördlich der Ohechaussee als potenzielles Erweiterungsgebiet infrage kämen. Ob das so kommt – das werden die wirtschaftliche Entwicklung und die Zukunft zeigen. Doch wenn es so kommt, ist es im Verfahren für die Stadt von Vorteil, wenn man den Wunsch nun schon beim Land platziert.
Also meldete die Stadt an die Landesregierung: Die Stadt Norderstedt hält eine Siedlungsachsenerweiterung im südlichen Bereich vom Stadtteil Garstedt (nordwestlich Gewerbegebiet Nordport/Flughafen/B 432, Ohechaussee) für dringend erforderlich. Es soll hierdurch die Option für eine bedarfsgerechte Erweiterung des für Norderstedt wichtigen Gewerbestandortes gesichert werden.“
Wählergemeinschaft Wir in Norderstedt appelliert: „Rettet die Feldmark!!!!“
So reagierte die Politik: Die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen, Linke, FDP, Freie Wähler und AfD stimmten für den Passus – nur die Wählerinitiative Wir in Norderstedt (WiN) lehnte ab. Und wendete sich nach der Abstimmung mit einem vergleichsweise dramatischen Appell über soziale Medien und Pressemitteilungen an die Öffentlichkeit.
„Rettet die Garstedter Feldmark!!!!!“, hieß es da. „Die Verwaltung plant im Rahmen des Landesentwicklungs-Planes (LEP) die Garstedter Feldmark als Entwicklungsgebiet für zukünftige Gewerbeansiedlung auszuweisen.“
CDU spricht von „Unfug“ und „Fake-News“
Die WiN sei die einzige politische Kraft, die gegen diese „Planung in die Zukunft“ gestimmt habe, die dieses „ökologisch und klimatisch äußerst wichtige Refugium“ auf keinen Fall für Gewerbeflächen opfern werde. Sie sei wichtig für die „Regelung der Klimaauswirkungen“, die Biodiversität und als „Frischluftschneise für Garstedt“. Die WiN werde sich mit aller Kraft gegen die Aufgabe dieses Gebietes für die gewerbliche Nutzung wehren.
Das Gerücht war geboren: Die Garstedter Feldmark soll Gewerbegebiet werden – Fakt! Dagegen hatte es die komplexere Wahrheit schwer – dass es also nur um einen Teil der Feldmark im Süden geht, dass noch nichts feststeht und dass die politische Debatte, ob diese Fläche jemals ausgewiesen wird, in einer noch nicht terminierten Zukunft erst noch geführt werden müsste.
SPD verbreitet die „Wahrheit über die Feldmark“
Die übrigen Parteien der Stadtvertretung waren empört. Die CDU reagierte mit harscher Kritik. „Leider nutzt die Partei der WiN nun auch Fake News für propagandistische Zwecke“, teilte CDU-Fraktionschef Peter Holle mit. Er bezeichnete die Äußerungen der WiN als einen Versuch, Wählerinnen und Wähler zu manipulieren und als „absoluten Unfug“. Die CDU forderte die WiN auf, trotz Wahlkampf sachlich und ehrlich zu bleiben, sowie die Bürgerinnen und Bürger nicht weiter zu verunsichern.
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Doch aus der Welt ist das Gerücht der für Gewerbegebiete zugepflasterten Feldmark immer noch nicht. Auch die SPD sah sich deswegen nun genötigt, gegenüber den Wählerinnen und Wählern in der Stadt etwas klarzustellen. „Die Wahrheit über die Garstedter Feldmark“ titeln die Ortsvorsitzende Katrin Fedrowitz und Fraktionschef Nicolai Steinhau-Kühl von der SPD eine Mitteilung.
Norderstedt: Entwicklung der Stadt versus Schutz der Natur
„Die Sozialdemokraten betonen, dass die Behauptung, die Garstedter Feldmark würde zugebaut werden, unwahr ist“, heißt es darin. Steinhau-Kühl: „Die Garstedter Feldmark ist ein Schatz, den wir bewahren müssen. Es ist wichtig, dass wir hier mit Augenmaß handeln und die Naturressourcen schonen.“ Die SPD habe sich seit jeher für eine nachhaltige und umweltverträgliche Nutzung der Garstedter Feldmark eingesetzt und möchte die Bedürfnisse der Stadt nach Entwicklung und Wachstum erfüllen, ohne dabei den Naturbestand zu beeinträchtigen.
Katrin Fedrowitz: „Wir sollten uns im Klaren sein, dass wir uns in einem Spannungsfeld zwischen der Entwicklung unserer Stadt und dem Schutz der Natur befinden. Eine nachhaltige Stadtentwicklung muss jedoch beide Aspekte berücksichtigen.“
Die südliche Feldmark sei nur eine Option für das Gewerbegebiet Nordport, die bei Bedarf in Erwägung gezogen werden kann. „Derzeit besteht keine Notwendigkeit für eine derartige Entwicklung. Gewerbe sollte sich dort entwickeln, wo bereits die Möglichkeit dazu besteht“, sagt Fedrowitz.