Norderstedt/Hamburg. Der Tresorraum war nach Einschätzung des Landgerichts Hamburg nur „unzureichend“ gesichert. Was Opfer-Anwalt und Haspa sagen.

Nach dem spektakulären Einbruch in die Haspa-Filiale in Norderstedt im Sommer 2021 gibt es neue Entwicklungen. Und diese gehen in eine Richtung, die der Sparkasse nicht gefallen dürften.

Denn das Landgericht Hamburg ist der Auffassung, dass der Tresorraum zum Zeitpunkt des Einbruchs nicht ausreichend gesichert war – entgegen anders lautenden Beteuerungen der Bank. Und das Gericht ist auch der Ansicht, dass die bisher von der Haspa immer genannte Haftungsgrenze von 40.000 Euro wohl nicht zu halten sein wird.

Haspa-Einbruch: Opfer können auf volle Entschädigung hoffen

Einige der über 600 Geschädigten können nun hoffen, dass sie doch noch den vollen Wert ihres bei dem Raub aus den Schließfächern verschwundenen Eigentums erstattet bekommen.

Wegen der Frage der Entschädigungen steht ein Gerichtsprozess vor dem Hamburger Landgericht an. Mehrere Geschädigte, vertreten von dem Buchholzer Rechtsanwalt Jürgen Hennemann, haben gegen die Haspa geklagt. Sie kämpfen für die volle Erstattung ihres Schadens. Und gegen die Haftungsgrenze, auf die sich die Haspa beruft.

Erster Prozesstermin am 20. März

In einem ersten Fall soll es am 20. März einen ersten Prozesstermin geben (Az. 300 O 127/22). Vor diesem Termin hat die zuständige Zivilgerichtskammer 30 des Landgerichts, bestehend aus drei Berufsrichtern, den Beteiligten einen Hinweis gegeben, wie sie nach bisheriger Aktenlage die Sache einschätzt – und diese Einschätzung geht in eine klare Richtung.

„Nach vorläufiger Würdigung der Sach- und Rechtslage hält die Kammer die von der Beklagten in dem streitgegenständlichen Tresorraum vorgehaltenen Sicherungsmaßnahmen für unzureichend“, heißt es in dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt. Unterzeichner ist Richter Christoph Ruholl, Vorsitzender der Kammer.

Richter: Vereinbarung zur Haftungsbegrenzung dürften "Kontrolle nicht standhalten"

Außerdem, so heißt es in dem Schreiben weiter, dürfte „die Vereinbarung zur Haftungsbegrenzung in den Bedingungen für die Vermietung von Schrankfächern“ einer „Kontrolle nach Paragraf 309 Nr. 7 BGB nicht standhalten.“

Die Geschäftsbedingungen, in denen die Haspa die Obergrenze von 40.000 Euro Haftung festgeschrieben hat, sind also in diesem Fall nicht gerichtsfest – so die Einschätzung der Richter.

Beide Punkte bedeuten eine sehr deutliche Verschlechterung der Position der Haspa. Für Rechtsanwalt Jürgen Hennemann und seine Mandanten hingegen sind das gute Nachrichten.

Rechtsanwalt Hennemann sieht sich "mehr als bestätigt"

„In der Beurteilung durch die Zivilkammer des Landgerichts sehen wir uns mehr als bestätigt“, sagt Jürgen Hennemann. Es zeichne sich „bereits jetzt ab, dass das von der Haspa errichtete Gebilde aus Täuschung und Vernebelung, das seit mehr als einem Jahr aufrecht erhalten wurde, wie ein Kartenhaus in sich zusammenfällt – falls das nicht bereits geschehen ist.“

Wie berichtet, hatte die Haspa stets betont, die Sicherungssysteme seien auf dem aktuellen Stand der Technik gewesen. Und aus Sicht der Bank sind auch fast alle Betroffenen, deren Schließfächer in der fraglichen Zeit ausgeräumt wurden, längst entschädigt. „Bis Ende Juli haben wir die rund 600 Fälle regulieren können“, sagte Stefanie von Carlsburg im August.

Anwalt: Geschädigte sollen sich "nicht mehr unter Wert endgültig abfinden lassen"

Zu diesem Regulierungsverfahren sagt Jürgen Hennemann im Lichte der Einschätzung des Landgerichts: „Die Haspa wollte offenbar Gesamtabfindungen bis zu einer Höhe von 40.000 Euro teils sogar erzwingen. Wer diesem Druck letztlich nachgegeben und damit auf eine weitere Geltendmachung von Ansprüchen endgültig verzichtet hat, wissen wir im Einzelnen natürlich nicht. Allerspätestens jetzt dürfte jedoch für alle Geschädigten klar sein, sich nicht mehr unter Wert endgültig abfinden zu lassen.“

Aufseiten der Haspa sieht man hingegen keinen Grund, von den bisherigen Positionen abzurücken. Auf die Frage, ob man nun die Sache anders bewerte, sagte Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg am Mittwoch: „Nein. Die Sicherungssysteme des Tresorraums der Haspa-Filiale in Norderstedt waren zum Zeitpunkt des Einbruchs auf dem aktuellen Stand der Technik. Der Tresorraum war durch professionelle Sicherheitssysteme mehrfach geschützt. Dies wurde auch durch ein Gutachten der Versicherung bestätigt. An unserer Einschätzung hat sich durch die vorläufige Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Landgericht Hamburg nichts geändert.“

Haspa-Sprecherin sieht keine Veranlassung, die Fälle neu aufzurollen

Zur Bewertung der Haftungsgrenze durch die Kammer sagte Carlsburg, man wolle „zunächst die Begründung des Gerichts prüfen und analysieren.“

Eine Veranlassung, die Entschädigungsfälle neu aufzurollen, gebe es aus Sicht der Bank nicht: „Wir haben bis Ende Juli 2022 die rund 600 Fälle allesamt regulieren können“, betonte die Sprecherin noch einmal.

Der Prozessauftakt im März dürfte indes mit Spannung erwartet werden – wohl auch von solchen Geschädigten, die bisher noch nicht gegen die Haspa klagen.

Und die Täter? Razzia brachte keine Beweise

Auf einen anderen Prozess hingegen werden die Geschädigten wohl noch länger warten müssen – den Prozess, in dem die Täter vor Gericht stehen. Denn eine Razzia der Polizei in Berlin und Brandenburg gegen Verdächtige brachte keine verwendbaren Beweise, wie sich kürzlich herausstellte.

Der Einbruch in die Haspa-Filiale in Norderstedt war einer der spektakulärsten Kriminalfälle der letzten Jahre. Zwischen dem 6. und dem 9. August 2021 brachen die Täter mit einem Kernbohrer in den Tresorraum der Bankfiliale ein. Die Täter hatten dafür extra eine Wohnung über der Filiale angemietet. Für Hinweise zur Ergreifung der Täter sind nach wie vor 55.000 Euro Belohnung ausgesetzt.