Norderstedt. Mit welchem Trick sich Hausbesitzer weiterhin Öl- und Gasheizungen einbauen lassen – obwohl ein regenerativer Anteil Pflicht ist.

Sind die Auftragsbücher voll, freut sich der Handwerker. Doch der Boom, der derzeit die Heizungsbauer erfasst, ist kaum noch zu bewältigen. Innungsmeister Lars Krückmann und seine Kollegen werden nicht nur mit Anfragen zu alternativen Heiztechniken überrannt. Derzeit sind die Betriebe völlig damit ausgelastet, neue konventionelle Heizungen zu bauen, obwohl eigentlich ein Anteil regenerativer Energien Pflicht ist. Wie kann das sein?

„Wir haben massig zu tun – mehr denn je“, sagt der Norderstedter Krückmann über die Situation seiner Branche. „Zum Teil können wir nicht einmal Kundenanfragen beantworten.“ Außerdem sei der Beratungsbedarf riesig. „Wir können das alles gar nicht schaffen“, sagt Krückmann, der in Norderstedt einen kleinen Traditionsbetrieb leitet.

Viele Kunden haben vor dem 1. Juli den Auftrag an die Handwerker erteilt

Wie kommt es zu dem Boom bei der konventionellen Technik mit Öl oder Gas ohne einen alternativen Anteil mit Photovoltaik, Solarthermie oder Wärmepumpe? Die Kunden können so vorgehen, weil sie rechtzeitig den Auftrag für die neue Heizung erteilt haben.

In Schleswig-Holstein gilt die Vorschrift, dass alle neuen Heizungen ab 1. Juli dieses Jahres mindestens einen Anteil von 15 Prozent regenerativer Energie haben müssen. Wer jedoch Krückmann und seinen Kollegen den Auftrag bis zum 30. Juni erteilt hat, darf auf den 15-Prozent-Anteil verzichten – auch wenn die Anlage später eingebaut wird.

Eine neue Heizung und alternative Energie sind einigen Kunden zu teuer

Dass sich Kunden für diese Variante entschieden haben, liegt nicht an Ignoranz des Klimawandels oder Skepsis gegenüber grüner Energie. Vielen Kunden sei die 15-Prozent-Quote schlichtweg zu teuer, sagt Krückmann. Denn häufig ist es nicht mit dem Einbau von Solarelementen getan. Hinzu kämen in vielen Fällen der technisch notwendige Austausch aller Heizkörper oder der Einbau von Fußbodenheizungen. Das ist für viele Kunden, die eine neue Heizung brauchen, nicht auch noch zu finanzieren.

Krückmann schätzt, dass sein Betrieb bis Januar mit diesen Aufträgen ausgelastet ist. Begonnen hatte der Boom im November. Die große Welle an Aufträgen folgte dann im Mai und im Juni. „Das war extrem“, sagt Krückmann.

In seinem Lager stapeln sich bis unter die Decke die Heizkessel, die verbaut werden sollen, aber nur mit Zeitverzögerungen eintreffen. Vor Kurzem hat Krückmann eine neue Lieferung bekommen. Bestellt hatte er die Ware bereits im April. Hinzu kommen die Lieferprobleme bei elektronischen Bauteilen, die zum Beispiel auch die Autoindustrie betreffen.

„Diese Probleme beschäftigen die ganze Branche“, sagt Krückmann. Kessel, Speicher und andere Ausrüstungen zu beschaffen, gehöre zu den größten Problemen der Betriebe. Weil Material fehle und deshalb zuweilen die Arbeit in manchen Betriebe ruhen müsse, werde in Teilen der Branche über Kurzarbeit nachgedacht.

Personalmangel und Kurzarbeit – das ist kein Widerspruch

Scheinbar im Widerspruch dazu steht der derzeitige Boom und ein weiteres Problem: der schon lange bestehende Mangel an Fachkräften, der die Kapazitäten der Branche ebenfalls einschränkt. Sie fehlen, wenn die Arbeit erledigt werden kann, nachdem die Teile eingetroffen sind.

Um die Beratungen der Kunden zu verbessern, schlägt Krückmann vor, mehr Energieberater einzusetzen. Er spricht sich dabei für eine neutrale Stelle aus, die diese Aufgabe übernimmt.

Auch bei Wärmepumpen brauchen Betriebe und Kunden viel Geduld

Wenn im Januar die große Welle abgearbeitet ist, rechnet Krückmann mit einer„Talsohle“, die jedoch nur kurz andauern und von einer großen Nachfrage nach Wärmepumpen abgelöst werde. Auch bei dieser Technik sind die Lieferzeiten enorm und verlangen von den Kunden und Betrieben viel Geduld. Bis zu 44 Wochen dauert es derzeit von der Bestellung bis zur Lieferung.

Krückmann hält sich zurück mit Tipps, wie Immobilienbesitzer derzeit auf die Energiepreise reagieren sollen und welche Technik die beste ist. „Das wäre derzeit unseriös“, sagt Krückmann. Er könne sich kaum vorstellen, dass Gas für die Privathaushalte abgeschaltet werde. Komme es doch dazu, könne man sich dagegen kaum wappnen.