Bad Bramstedt. Drogenabhängiger überfiel Geschäft mit 60-Zentimeter-Klinge. Der Grund: Seine Sehnsucht nach einem geregelten Leben.
Für die Mitarbeiterinnen eines Bekleidungsgeschäftes in Bad Bramstedt war es ein Schock: Ein blasser, ausgezehrter Mann betrat im Januar den Laden, eine riesige Machete in der Hand, fuchtelte damit umher und forderte Geld. Kurz darauf wurde er festgenommen. Am Donnerstag musste er sich vor dem Landgericht in Kiel verantworten.
34 Eintragungen im Vorstrafenregister – bei dieser Vergangenheit konnte sich der Serientäter aus Bad Bramstedt wenig Hoffnungen auf ein mildes Urteil machen. Das Kieler Landgericht verurteilte den Angeklagten (58) dann auch wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu vier Jahren Freiheitsstrafe.
Landgericht: Macheten-Räuber aus Bad Bramstedt muss vier Jahre in Haft
228 Euro hatte der geständige Mann bei seinem morgendlichen Überfall am 14. Januar im Zentrum seiner Heimatstadt erbeutet. 60 Zentimeter maß die schwarze Klinge der Tatwaffe. Für die geschockten Verkäuferinnen muss es gewesen sein, als wäre der steinerne Roland, das mit einem langen Schwert bewaffnete Wahrzeichen der Roland-Stadt, vom Sockel des benachbarten Schlosses gestiegen.
„Gruselig“ fand eine erst seit wenigen Tagen beschäftigte Mitarbeiterin den martialischen Auftritt des ausgezehrt wirkenden Mannes, der mit der Waffe vor ihrer Brust herumfuchtelte und Geld forderte. Nach dem Vorfall konnte sie nicht mehr allein im Laden arbeiten und leidet laut Urteil immer noch unter Angstattacken und Schlaflosigkeit.
Im Prozess brauchten beide Zeuginnen nicht auszusagen. Durch sein rückhaltloses Geständnis ersparte der auffallend blasse Drogenabhängige den Verkäuferinnen die erneute Konfrontation vor Gericht. Ihre polizeilichen Aussagen wurden verlesen. Demnach hatte er sich vor Betreten des Ladens in einem Gebüsch versteckt.
Geständnis des Täters ersparte den Opfern die Aussage vor Gericht
Der Angeklagte habe mit dem Einsatz der Waffe ein schweres Verbrechen begangen, warf ihm der Vorsitzende der 10. Strafkammer, Ralph Jacobsen, in der Urteilsbegründung vor. Noch höher wäre die Strafe ausgefallen, wenn die psychiatrische Sachverständige dem Drogenabhängigen nicht eine erhebliche Einschränkung seiner Steuerungsfähigkeit bescheinigt hätte.
Wenn Betäubungsmittel ins Spiel kämen, neige der Angeklagte zu Straftaten, erklärte die Gutachterin. Wegen seines Hangs zu Suchtmitteln aller Art seien Rückfälle mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Normalerweise wäre der 58-Jährige damit ein Kandidat für eine Langzeittherapie.
Raubüberfall sollte das Ticket in den Knast für den Täter sein
Eine Unterbringung in einer geschlossenen Entziehungsanstalt schloss das Gericht jedoch mangels Erfolgsaussichten aus: Der Angeklagte hatte zuvor deutlich seinen Widerwillen gegen jede Form von Therapie bekundet. Mehr als die Hälfte seines Lebens saß der in Heimen aufgewachsene Mann nach eigenen Angaben im Knast.
Dennoch war es ihm gelungen, sich nach seiner letzten Entlassung 2017 weitgehend straffrei zu halten. Der Alltag in schmutzigen Notunterkünften und chaotischen Wohngemeinschaften habe ihm auf Dauer jedoch so zugesetzt, dass er am Ende lieber freiwillig wieder ins Gefängnis zurück wollte.
Täter entschuldigte sich bei den Opfern
Ihm sei es bei der Tat gar nicht ums Geld gegangen, behauptete der Angeklagte. Er habe sich vor allem nach einem geregelten Leben hinter Gittern gesehnt. Mit seiner Darstellung des Raubüberfalls als Hilferuf konnte er auch seine Verteidigerin Emily Henriette Imbusch nicht überzeugen. Ihr Mandant habe wohl versucht, die Tat im Nachhinein menschlicher wirken zu lassen, sagte sie.
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Gleichzeitig betonte die Anwältin in ihrem Plädoyer, der Angeklagte habe sich bei den Opfern seines Überfalls schriftlich entschuldigt – in unterschiedlich formulierten Schreiben. Die Tat tue ihm wirklich leid. Die Verteidigerin forderte zwei Jahre und zehn Monate Freiheitsstrafe.
Die Staatsanwältin hatte zuvor vier Jahre und zwei Monate beantragt. Mehrfach hatte der Angeklagte seine Reumütigkeit erklärt. „Ich kann mich nur noch mal entschuldigen für den ganzen Scheiß“, gab er dem Gericht vor der Beratungspause zur Urteilsfindung mit auf den Weg.