Norderstedt. 27-Jährige schleuderte in A7-Unfall und tötete 64-Jährigen. Heute leidet sie psychisch – so wie die Witwe des Getöteten.

Wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr ist am Donnerstag nach drei Verhandlungstagen eine 27 Jahre alte Frau vom Amtsgericht Norderstedt zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung sowie einer Geldstrafe von 2400 Euro verurteilt worden. Die Bewährung ist auf zwei Jahre angesetzt. Solange hat die Frau, die mit ihrer Familie in Flensburg lebt, Zeit, das Geld an die Witwe des Verstorbenen in Raten zu überwiesen.

Sie war am Ostermontag vor eineinhalb Jahren (5. April) auf der Heimreise auf der A7 in Höhe Holmmoor mit ihrem Fahrzeug ins Schleudern geraten und hatte dabei einen 64 Jahre alten Mann überfahren, der am Standstreifen einem anderen Unfallfahrer helfen wollte. Der Ersthelfer starb noch auf der Autobahn.

Amtsgericht Norderstedt: Tränen vor Gericht – Unfallfahrerin erhält Bewährungsstrafe

Die Angeklagte mit ihrem Verteidiger Christian Ascherfeld im Gerichtssaal im Amtsgericht Norderstedt.
Die Angeklagte mit ihrem Verteidiger Christian Ascherfeld im Gerichtssaal im Amtsgericht Norderstedt. © Burkhard Fuchs

Das Gericht unter dem Vorsitz von Richterin Elisa Kuhne sah es als erwiesen an, dass die Angeklagte an jenem Ostermontagabend gegen 18.30 Uhr durch ihre nichtangepasste Geschwindigkeit den Tod des Mannes verursacht hat.

„Wenn ihr schwarzer Mercedes, in dem noch ihre Mutter, Schwester und Nichte saßen, keine Sommerreifen, sondern Winterreifen auf der regennassen Fahrbahn mit Graupelschauern und Schneeregen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt am Fahrzeug gehabt hätte, wäre der Unfall zu vermeiden gewesen“, urteilte die Vorsitzende Richterin. „Sie müssen das Fahrzeug jederzeit so führen, dass es ausgeschlossen ist, dass Sie ins Schleudern geraten.“ Die Richterin blieb in ihrem Strafmaß um zwei Monate unter dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft.

Anwalt der Witwe warf der Fahrerin Rücksichtslosigkeit vor

„Es war eine Fehleinschätzung und ein Verkennen der Situation“, schlussfolgerte die Richterin Kuhne. Die Angeklagte habe sich aber mit ihrer Geschwindigkeit, die der Sachverständige in seinem Gutachten auf 90 bis 110 km/h einschätzte, keineswegs rücksichtslos verhalten, wie es der Anwalt der Witwe ihr vorwarf.

„Sie haben nicht böswillig gehandelt. Das kann jedem passieren“, sagte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Darum sehe sie auch keinen Grund, ihr den Führerschein zu entziehen. Sie nehme der Angeklagten ab, dass sie dieses „einschneidende tragische Erlebnis“ schwer belaste. Die Speditionskauffrau ist seit dem Unfall in psychotherapeutischer Behandlung.

„Unfall an der Grenze von Fahrlässigkeit und bloßem Unglücksfall“

Die Richterin Elisa Kuhne vom Amtsgericht Norderstedt führte die Verhandlung
Die Richterin Elisa Kuhne vom Amtsgericht Norderstedt führte die Verhandlung © Burkhard Fuchs

Ihre Einlassung, die vom Sachverständigen nicht bestätigt werden konnte, dass sie von einem anderen Fahrzeug vor dem Unfall touchiert worden und erst so ins Schleudern geraten sei, werte sie als zwar als „Schutzbehauptung“, führte die Richterin aus. Diese könnte aber durchaus unbewusst erfolgt sein, um das tragische Ereignis besser verarbeiten zu können, sagte sie.

Der Unfall sei „an der Grenze von Fahrlässigkeit und bloßem Unglücksfall“, sagte Richterin Kuhne. Wegen der tragischen Konsequenzen sei keine Geldstrafe mehr in Betracht gekommen. Es sei sowieso geradezu unmöglich, eine gerechte Strafe zu finden, angesichts des Leids, die dieser Unfall bei den Hinterbliebenen verursacht habe.

Witwe des getöteten Ersthelfers wurde aus dem Leben gerissen

Nebenklage-Anwalt Hufnagel hatte 18 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung gefordert. Seine Klientin, die den Tod ihres Mannes auf der A7 mit eigenen Augen miterleben musste, sei ebenfalls vollständig aus dem Leben gerissen worden. Sie sei in therapeutischer Behandlung und musste aus Geldgründen auch das Haus wieder verkaufen, das ihr Mann und sie sich gerade erst angeschafft hatten.

„Das Leben meiner Mandantin ist auf den Kopf gestellt. Ihr Leben ist geprägt von Ängsten, Trauer und Alpträumen“, sagte Hufnagel. Er hätte sich gewünscht, die Angeklagte hätte mehr Reue und Anteilnahme gezeigt und sich in irgendeiner Weise seit dem Unfall bei der Witwe gemeldet, kritisierte der Anwalt.

Unfallfahrerin leidet bis heute unter psychischen Problemen

Das sei für seine Mandantin, die selbst an den Folgen des Unfalls „bis heute leidet“ aber kaum möglich gewesen, entgegnete ihr Verteidiger Christian Ascherfeld. Wenn unmittelbar nach dem Unfall die Ehefrau des Verstorbenen zu der Unfallfahrerin geht und ihr vorwirft, „Sie haben meinen Mann umgebracht“, dann „fällt der Weg zu einer Kontaktaufnahme schwer.“

Erst in diesem Moment habe seine Mandantin überhaupt erst begriffen, dass sie mit ihrem Fahrzeug einen Menschen tödlich verletzte. Sie hätte sich dann auch sehr um den am Boden liegenden Mann gesorgt, als dieser von Rettungskräften versorgt wurde, sagte ein Zeuge vor Gericht aus.

Der Mann aus Henstedt-Ulzburg war mit seiner hochschwangeren Frau unmittelbar hinter dem weißen BMW des damals 18 Jahre alten Elmshorners gefahren, der den Unfall auf der A/ verursachte. Der 18-Jährige war mit 170 km/h auf der glatten Fahrbahn ins Schleudern geraten und hatte sich überschlagen. er und sein Beifahrerin (17) blieben unverletzt.

Amtsgericht Norderstedt: Unfallverursacher geht ohne jede Strafe aus dem Verfahren

Der 34-Jährige Zeuge aus Ulzburg stieg sofort aus und eilte dem BMW-Fahrer zur Hilfe. In dem Moment sah er noch aus den Augenwinkeln, wie der 64-Jährige hinter ihm plötzlich durch die Luft flog und mit seinen schweren inneren und äußeren Verletzung reglos liegenblieb, berichtete er vor Gericht.

Für den Verteidiger der Angeklagten ist es völlig unverständlich, dass der eigentliche Verursacher dieser tragischen Unglückskette, der inzwischen 20 Jahre alte BMW-Fahrer, völlig ungeschoren davon gekommen sei. Die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren gegen ihn eingestellt. „Dieser Mann hat gar keine Konsequenzen zu tragen. Das passt nicht zusammen“, befand der Verteidiger.

Das letzte Wort vor der Urteilsbegründung hatte die Angeklagte, die in Dänemark studiert und arbeitet. Sie wisse sehr wohl, wie es sich anfühlt, einen geliebten Menschen zu verlieren, sagte sie. Als Kind hatte sie Vater und Bruder verloren. Ihre Psychotherapeutin habe ihr geraten, keinen Kontakt zur Familie des Verstorbenen aufzunehmen, weil sie dies nur noch mehr belasten würde. „Es tut mir unheimlich leid, dass dieser Mann gestorben ist“, sagte sie unter Tränen aufgelöst.