Norderstedt. Die Kitas sind überlaufen – doch in der Kindertagespflege gibt es freie Plätze. Warum Eltern sich oft gegen sie entscheiden.

Früher, vor etwa 20 Jahren, hätte man Katharina Dennstedt und Yvonne Lebens noch als „Tagesmütter“ bezeichnet. Sie mögen es nicht, so genannt zu werden. „Es gibt diesen Begriff nicht mehr, er ist sehr negativ behaftet“, sagt Yvonne Lebens aus Norderstedt. „Wir sind Bezugspersonen.“

Für sie spiegelt die Bezeichnung nicht ihre tägliche Arbeit wider. All die Qualifikationen, die sie erlangt hat. Die 52-Jährige wünscht sich mehr Wertschätzung. „Wir haben immer noch dasselbe Image wie vor 20 Jahren. Dabei machen wir jedes Jahr mehrere Fortbildungen und haben den gleichen Bildungsauftrag wie Kitas.“

Kita Norderstedt: Kindertagespflege – „Wir sind für viele Eltern nur Plan B“

Die beiden Kindertagespflegepersonen, wie sie heute korrekt genannt werden, betreuen jeweils fünf Kinder im Alter von ein bis drei Jahren. Den Vormittag verbringen sie meistens alle gemeinsam in der Natur. Sie gehen in den Rantzauer Forst, pflanzen bei Yvonne Lebens im Hochbeet auf der Terrasse selbst Gemüse an und lernen, wie aus den Samen das Essen wird, das bei ihnen auf den Tellern landet. Heute verbringen sie Zeit auf dem Spielplatz. Die Kinder schütten Sand in kleine Förmchen, bemalen Steine mit Kreide.

Im Sommer löst sich die Gruppe auf. Einige Kinder wechseln in den Elementarbereich einer Kita, weil sie dann älter als drei Jahre sind. Andere verlassen die Gruppe, weil Eltern den lang ersehnten Krippen-Platz in der Kita doch noch angeboten bekommen und angenommen haben. „Wir sind für viele Eltern nur Plan B“, sagen Dennstedt und Lebens. „Die Kinder sind gerade bei uns angekommen, haben Räumlichkeiten und Menschen kennengelernt und Wurzeln bekommen – und dann werden sie aus der Gruppe wieder herausgerissen. Das bricht uns jedes Mal das Herz“, sagen die Kindertagespflegepersonen.

Kitas sind überlaufen – Kindertagespflegepersonen haben freie Plätze

Ein noch größeres Problem: Obwohl überall von einem Mangel an Betreuungsplätzen die Rede ist, haben die Norderstedterinnen noch nicht genügend Anmeldungen für den kommenden Sommer. Katharina Dennstedt (38) betreut Stand jetzt ab August nur drei Kinder, Yvonne Lebens zwei. Fünf freie Plätze gäbe es also noch. „Die Kitas sind überlaufen – und wir haben Probleme, unsere Gruppen voll zu bekommen“, beklagen die Betreuerinnen. Ihre Botschaft: „Uns gibt es auch noch!“

43 Kindertagespflegepersonen sind derzeit in Norderstedt aktiv. In diesem Mai betreuten sie 177 Kinder. Theoretisch wären 215 Kinder erlaubt. Allerdings: Da sie selbstständig tätig sind, können sie auch eigenständig entscheiden, um wie viele Heranwachsende sie sich kümmern möchten. Einige betreuen nur drei oder vier Kinder, wollen aber auch nicht mehr aufnehmen.

Hauptargument für Kitas ist aus Sicht vieler Eltern die Verlässlichkeit

Ilka Reineke von der Fachberatung Kindertagespflege in Norderstedt wundert sich darüber, dass noch so viele Plätze ab Sommer unbesetzt sind. „Viele Eltern warten erst einmal ab, ob sie einen Kita-Platz bekommen. Wenn nicht, melden sie sich dann bei Kindertagespflegepersonen“, mutmaßt sie.

Warum bevorzugen aus ihrer Sicht so viele Eltern Kindertagesstätten? „Das Hauptargument von ihnen ist die Verlässlichkeit. Wenn die Erzieherin oder der Erzieher in der Kita mal krank ist, übernimmt jemand anderes ihre Aufgaben. Bei Kindertagespflegepersonen ist das nicht so – beziehungsweise es gibt zwar ein Vertretungssystem, aber die Betreuung findet dann nicht in den gewohnten Räumlichkeiten statt“, sagt Reineke.

Kindertagespflegepersonen werden regelmäßig kontrolliert

Diesen Aspekt führt auch Peter Gaal von der Kreiselternvertretung Segeberg als Hauptgrund für die Vorliebe für Kindertagesstätten auf: „Die Kita gilt als zuverlässiger. Wenn in der Kindertagespflege eine Person ausfällt, gibt es keinen Ersatz.“

Des Weiteren hätten viele Eltern ein Problem damit, ihre Kinder allein bei Betreuern zu Hause zu lassen, sagt Ilka Reineke. „Wir beraten und versichern Eltern, dass sie keine Angst haben müssen. Sie können sich während der Eingewöhnungszeit alles in Ruhe anschauen. Außerdem führen wir regelmäßig Kontrollen durch“, betont Reineke.

Kita: Wer Krippenplatz hat, bekommt oft auch Platz im Elementarbereich

Eine weitere Sorge der Eltern spielt ebenfalls eine große Rolle bei der Wahl des Betreuungsplatzes: „Wenn mein Kind in der Kita einen Krippenplatz hat, ist es ziemlich sicher, dass es auch in der Elementargruppe einen Platz bekommt“, sagt die pädagogische Fachberaterin.

Zur Erklärung: Eltern haben ein Wunsch- und Wahlrecht, was die Form der Betreuung ihrer Kinder betrifft. Viele wollen auf den Wartelisten der Kitas für einen Krippenplatz verbleiben, auch wenn sie sich zunächst für die Betreuung ihres Kindes in der Kindertagespflegestelle entschieden haben. Wenn ihnen dann doch ein Kita-Platz angeboten wird, reißen einige Eltern ihre Kinder aus den bestehenden Kleingruppen der Kindertagespflege heraus. „Sie haben Angst, anschließend keinen Elementarplatz zu bekommen“, sagt Ilka Reineke. „Das ist ein Problem im System. Daran hat niemand wirklich Schuld.“

Kindertagespflege: „Feste Bezugsperson ist ein Riesengewinn“

Sie könne nachvollziehen, dass Einrichtungen bei der Vergabe der Plätze Kinder bevorzugen würden, die sie bereits aus Krippenzeiten kennen. „Eine Lösung könnte sein, mehr Elementar- als Krippenplätze anzubieten. Damit gewährleistet wäre, dass auch Kinder von Kindertagespflegepersonen einen Platz bekämen“, so Reineke.

Ihr ist es wichtig, die großen Vorteile der Kindertagespflege hervorzuheben: „Gerade bei Kleinkindern ist eine feste Bezugsperson ein Riesengewinn. Maximal fünf Kinder gleichzeitig werden betreut – es kann sehr bedürfnisorientiert und individuell darauf eingegangen werden, was sie gerade brauchen.“

Norderstedt: Yvonne Lebens hat als Erzieherin aufgehört

Yvonne Lebens hat vor vielen Jahren noch als Erzieherin in einer Hamburger Kita gearbeitet. „Wenn du innerhalb von 14 Minuten 14 Kinder wickeln kannst – dann hör auf. Dann funktionierst du nur noch“, sagt sie. „Ich hatte das Gefühl, einfach nicht allen gerecht werden zu können. Ich möchte Kindern Liebe, Wurzeln und Flügel geben und vor allem für alle ausreichend Zeit haben.“

Die Norderstedterin beschloss damals, sich zur Kindertagespflegeperson ausbilden zu lassen. 160 Unterrichtsstunden müssen minimal für eine Qualifizierung geleistet werden. „Die Bindung ist für ein Kind so wichtig. In unserer kleinen Gruppe fühlt es sich wie in familiären Verhältnissen an“, sagt sie. Katharina Dennstedt und Yvonne Lebens hoffen, dass noch viel mehr Eltern erkennen, wie wertvoll die Kindertagespflege sein kann.