Norderstedt. Betreuern von Kindern in Norderstedt wurde das Geld für Urlaubs- und Krankheitstage gestrichen. Sie befürchten erhebliche Einbußen.

Katharina Dennstedt ist seit zwölf Jahren in der Kindertagespflege tätig. Die 35 Jahre alte Norderstedterin verbringt mit einer Gruppe von Kleinkindern im Alter von null bis drei Jahren viel Zeit im Wald nahe der Oadby-and-Wigston-Straße. Einmal in der Woche musizieren sie gemeinsam. Leere Plastikflaschen funktionieren sie zu Rasseln um, füllen sie mit Nussschalen und Kieselsteinen.

Die Kinder sitzen dann auf dem Waldboden und singen mit Dennstedt. „Für mich ist es unglaublich spannend, ihre Entwicklung zu verfolgen und zu wissen, dass ich sie darin unterstützt habe“, sagt sie. „Die Kinder geben einem so viel zurück.“ Dennstedt liebt ihren Job. Doch sie weiß nicht, wie lange er sich noch für sie rechnet.

Wegen der schleswig-holsteinischen Kita-Reform, die zum 1. August in Norderstedt in Kraft tritt, kalkuliert sie mit locker 2500 Euro Einbußen im Jahr. Dabei sollte alles besser werden: Das Land verspricht, die Qualität der Kinderbetreuung zu stärken sowie die Familien und Kommunen durch mehr Landesmittel finanziell zu entlasten. Derzeit bekommt Katharina Dennstedt einen Stundensatz von 4,50 Euro pro Kind. Zukünftig stehen ihr 5,83 Euro zu. „Das sieht erst einmal nach mehr Geld aus“, sagt sie. Aber das täusche.

Kindertagespflege kämpft um mehr Anerkennung

Nach der alten Satzung hatten Kindertagespflegepersonen Anspruch auf 25 Urlaubs- und Krankheitstage im Jahr. Die Stadt zahlte ihnen während der Fehlzeiten ihren Stundensatz weiter. Dieser Passus wurde nun ersatzlos gestrichen. „Das heißt, wenn ich mir drei Wochen Urlaub nehme, verdiene ich in dieser Zeit kein Geld mehr“, sagt Dennstedt. Das bedeute im Umkehrschluss, dass viele Selbstständige in der Kindertagespflege künftig mehr arbeiten werden, als es für sie gesund sei. „Wenn man keinen Urlaub zum Erholen hat, leidet die Qualität. Wir sind ja keine Maschinen.“

Früher, vor 20 Jahren, hätte man Katharina Dennstedt noch als „Tagesmutter“ bezeichnet. Sie mag es nicht, so genannt zu werden. Für sie fühlt es sich an wie eine Herabwürdigung. „Wir kämpfen seit Jahren für mehr Wertschätzung, weil die Kinder einen guten Start in die Zukunft haben sollen.“ Kindertagespflegeperson lautet heute die korrekte Bezeichnung – sie wertet ihre Tätigkeit auf. „Wir müssen inzwischen viel höhere Anforderungen erfüllen als früher“, erklärt Dennstedt. Frauen und Männer qualifizieren sich in vielen Stunden für die so wichtige Arbeit mit Kindern. Immer wieder bilden sie sich fort, erwerben neue Zertifikate.

Maximal fünf Kinder darf Dennstedt gleichzeitig betreuen

Der Arbeitsalltag bestehe eben nicht nur aus Kochen, Putzen und Kinderbespaßen, wie viele Menschen noch immer glauben. Seit 2005 ist die Kindertagespflege per Gesetz gleichrangig zu Kindertagesstätten. Ein großer Schritt. Dennoch bevorzugt ein Großteil der Eltern weiterhin die Betreuung in Krippen. Kindertagespflege wird häufig nur im Notfall in Anspruch genommen, wenn kein Platz für das Kind gefunden wurde. Nach wie vor ringen Kindertagespflegepersonen um Anerkennung.

„Wir arbeiten in einem systemrelevanten Beruf, der sehr anstrengend ist“, erinnert Dennstedt. „Das ist kein Hobby.“ Pro Woche kommt die Mutter eines zwölfjährigen Sohnes auf 36 Stunden reine Betreuungszeit. „In dieser Zeit habe ich noch nicht die Entwicklung der Kinder dokumentiert, Elterngespräche geführt oder den nächsten Tag organisiert.“ Hinzu kämen täglich mindestens zwei unbezahlte Stunden für Vor- und Nachbereitung. Maximal fünf Kinder darf Dennstedt in ihrem Reihenhaus in Norderstedt gleichzeitig betreuen. Sie hat extra ein Kinderzimmer und eine Kreativküche in der Garage eingerichtet. Die meiste Zeit verbringt sie mit den Kleinen aber an der frischen Luft.

Satzung soll in jetziger Fassung in Kraft treten

Durch die Kita-Reform wird den Kindertagespflegepersonen das Leben schwerer statt einfacher gemacht. Viele von ihnen fürchten um ihre Existenz. Neben dem Urlaub, für den sie nun noch mehr Geld sparen müssen als ohnehin, können sie keine zusätzlichen Beiträge mehr von Eltern verlangen. Von den 4,50 Euro, die Dennstedt bisher pro Stunde und Kind bekam, zahlten 4 Euro die Stadt und 50 Cent die Eltern. Jede Kindertagespflegeperson konnte einen Eigenanteil der Eltern vertraglich festlegen. Nun sollen die Beiträge vereinheitlicht werden. Zusatzgelder fallen weg. „Ich würde mir wünschen, dass die Politik unsere Probleme ernst nimmt und Fehlzeiten weiterhin gezahlt werden“, sagt Dennstedt, die sich auch im Kindertagespflege-Verbund im Kreis engagiert. Sie hofft, dass die Stadt die Satzung rückwirkend ändert.

Petra Müller-Schönemann kennt als Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses die Sorgen der Kindertagespflegepersonen. „Wir werden uns noch mit den Feinheiten beschäftigen“, verspricht die CDU-Politikerin. „Die Kindertagespflege liegt uns sehr am Herzen. Wir wollen in Norderstedt die gesamte Bandbreite an Betreuungsmöglichkeiten anbieten können.“ Dennoch trete die neue Satzung, die die Mindestanforderungen erfüllt, zunächst in ihrer jetzigen Fassung in Kraft. „Es war wichtig, das Gesetz auf den Weg zu bringen“, sagt Müller-Schönemann. Durch die Corona-Pandemie sei man in Verzug geraten. „Danach können wir immer noch an Details pfeilen.“

Zwei Wochen Urlaub im Oktober nimmt sich Katharina Dennstedt trotz ihrer Zukunftsängste. „Ich brauche ihn einfach. Manchmal bin ich echt alle.“ Ihr und ihren rund 50 Kolleginnen und Kollegen in Norderstedt bleibt nichts anderes übrig, als mögliche Nachbesserungen abzuwarten. „Ich möchte meinen Job, den ich wirklich sehr liebe, gerne weiter ausüben.“