Norderstedt. CDU ist stärkste Kraft, SPD muss starke Verluste hinnehmen. Warum die Stadtvertretung deutlich wächst und wie es nun weitergeht.
Norderstedt hat gewählt und die CDU ist mit Abstand die stärkste Kraft in der Stadt geworden. Was aber bedeutet das nun konkret? Wie setzt sich die neue Stadtvertretung zusammen? Und wie geht es weiter nach der Kommunalwahl?
Peter Holle, Fraktionsvorsitzender der CDU, freut sich auch am nächsten Tag noch über das starke Wahlergebnis seiner Partei. Er sagt aber auch: „Es ist nicht unbedingt einfacher geworden. Obwohl die CDU am meisten Sitze hat, müssen sich mindestens drei Fraktionen einig sein, um eine Mehrheit zu bekommen.“ Mit wem die Christdemokraten zusammenarbeiten wollen, hält sich der Stadtvertreter offen. Nur eine Kooperation mit dem „blauen Lager“, sprich der AfD, schließt Holle aus.
Kommunalwahl 2023: Norderstedt hat gewählt – Was die Ergebnisse für Folgen haben
Die SPD muss erstmal einen kräftigen Dämpfer verdauen – sie hat das kräftigste Minus von allen Parteien zu verzeichnen. Die Gründe vermutete Ortschefin Katrin Fedrowitz am Tag nach der Wahl aber nicht in Norderstedt: „Das Ergebnis ist dem Landestrend gefolgt, wir sind dafür leider vor Ort abgestraft worden. Es ist enttäuschend, dass Wähler nicht die Arbeit vor Ort bewerten.“ Auch Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder sagte: „Da hat der Bundestrend böse durchgeschlagen.“
Die Norderstedterinnen und Norderstedter haben in ihrer Stadt wie folgt abgestimmt: Die CDU holte 28,8 Prozent der Stimmen (plus 1,8), die SPD kommt auf 20 Prozent (minus 6,1), die Grünen auf 17,5 Prozent (plus 4,1), Wir in Norderstedt (WiN) erreicht 9,3 Prozent (minus 2,8), die AfD kommt auf 8,7 Prozent (plus 4,2), die FDP auf 7,2 Prozent (minus 1,4), die Freien Wähler haben 3,2 Prozent geschafft (plus 0,6) und Die Linke landet bei 2,8 Prozent (minus 2,4).
Stadtvertretung wächst deutlich von 39 auf 54 Sitze an
Nach der Wahl wächst die Stadtvertretung deutlich an – von 39 auf 54 Sitze. Der Grund: Die CDU gewann 17 von 20 Wahlkreisen direkt und erhält daher auch 17 Sitze, die dann wiederum 28,8 Prozent des Gesamtstimmenanteils entsprechen müssen. Die Anzahl der Sitze der anderen Parteien wird angepasst, entsprechend dem Anteil der Wählerstimmen. Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder (SPD), die auch Wahlleiterin ist, beruhigt: „Es gibt genügend Sitzplätze.“
Sie freut sich darüber, dass die Wahlbeteiligung deutlich gestiegen ist, von 32 Prozent (2018) auf 42,3 Prozent. „Da bin ich stolz drauf“, sagt die Oberbürgermeisterin. Knapp die Hälfte der rund 27.000 Wählerinnen und Wähler, die ihre Stimme abgaben, haben das per Briefwahl getan.
CDU: Neue und bekannte Gesichter wurden in Wahlkreisen gewählt
Die CDU ist in der Stadtvertretung mit bereits bekannten Gesichtern wie Ortschef Thorsten Borchers oder Uwe Matthes vertreten. Aber auch neue Namen sind dabei – die vielen in Norderstedt allerdings trotzdem sehr geläufig sein dürften. Doris Grote, Frau von Ex-Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote, hat ihren Wahlkreis ebenso gewonnen wie Lars Krückmann, der gleichzeitig Kreishandwerksmeister ist und das Sanitär-und-Heizungsunternehmen Krückmann in Norderstedt leitet.
Von der SPD konnten immerhin zwei zentrale Figuren ihren Wahlkreis gewinnen – nämlich Katrin Fedrowitz und Fraktionschef Nicolai Steinhau-Kühl. Fedrowitz: „Das ist ein Vertrauensbeweis. Man kennt uns, man schätzt uns.“ Ansonsten wird sich die Fraktion, die aus elf Personen bestehen wird, deutlich verjüngen. „Ein Drittel hört auf, es rücken neue Kräfte nach“, sagt Katrin Fedrowitz.
18 Jahre alter Schüler zieht für SPD in Stadtvertretung ein
Unter anderem Sybille Hahn, Emil Stender und Danny Clausen-Holm werden nicht mehr der SPD-Fraktion angehören. Dafür rücken einige Jungpolitiker nach, darunter der erst 18 Jahre alte Domenik Gehringk, der noch Schüler ist und die Willy-Brandt-Schule besucht.
Während die SPD offenbar für Bundesthemen abgestraft wurde, konnten die Grünen sich behaupten, ihr Ergebnis sogar kräftig ausbauen. Dazu Fraktionschef Marc Muckelberg: „Grüne in der Bundesregierung beziehen Stellung, auch zu umstrittenen Themen im Bereich von Energie und Klimaschutz. Das ist der bessere Weg als stillzuhalten, wie die SPD das macht.“
Rathje: „In Krisenzeiten setzen Menschen auf Sicherheit und wählen CDU“
Muckelberg sieht in dem Ergebnis aber auch die Honorierung der „guten Politik“, die man in Norderstedt gemacht habe. Ein Beispiel: „Der Ausbau der Grundschulen zu offenen Ganztagsschulen ist stark durch uns geprägt gewesen.“
Zu dem Verlust von immerhin 2,8 Prozent sagte WiN-Fraktionschef Reimer Rathje: „Norderstedter Gründe sehe ich nicht. Wir haben unsere Wählerschaft mitgenommen.“ Allerdings hätten andere Parteien, im Zuge der höheren Wahlbeteiligung, ihre Stimmanteile gesteigert. Etwa die CDU. Dazu Rathje: „Ich glaube, dass die Menschen in Krisenzeiten auf Sicherheit setzen und CDU wählen.“ Außerdem hätten viele Jungwähler, mutmaßlich wegen des Klima-Themas, die Grünen gewählt.
Tobias Mährlein, Fraktionsvorsitzender der FDP, kann mit dem Wahlergebnis gut leben. Obwohl die Liberalen an Prozentpunkten verloren haben, gewinnen sie wegen der Ausgleichsmandate zwei Sitze dazu. Schon in der Vergangenheit habe die FDP mit vielen unterschiedlichen Parteien gemeinsame Anträge gestellt, so Mährlein. Das will er beibehalten: „Es braucht mindestens drei Parteien, um eine Sache durchzusetzen. Es wird viel über Themen diskutiert werden und das finde ich gut.“
AfD hat in Norderstedt viele Stimmen gewonnen
Ordentlich an Stimmen dazugewonnen hat die AfD. Die Bundespolitik habe „eine große Rolle gespielt“, sagt AfD-Mann Sven Wendorf. Dort würden nämlich gerade „viele Experimente gemacht“. Ein Beispiel seien „diese ganzen Klimaschutz-Maßnahmen. Da merken immer mehr Bürger, dass es da jetzt ans eigene Häuschen geht.“
Wendorf zeigt sich aber auch überzeugt, dass die „gute Arbeit der AfD“ in Norderstedt honoriert worden sei. CDU-Fraktionschef Peter Holle ist hingegen „enttäuscht“ vom Erfolg der AfD. Er sagt aber auch: „Die sind einfach in mehr Wahlkreisen angetreten“, das sei der Hauptgrund für den Zuwachs.
Zum Erfolg der AfD sagt Elke Christina Roeder: „Ich finde das erschreckend. Aber meine Aufgabe als Oberbürgermeisterin ist es, neutral zu sein und das werde ich bleiben.“
Mitglied der Partei dieBasis schafft es erstmals in Stadtvertretung
Enttäuscht über das Ergebnis seiner Partei zeigt sich Miro Berbig (Die Linke). Auch er sieht einen starken Einfluss des Bundestrends. Berbig beklagt, dass seine Partei auf Bundesebene „derzeit nicht gerade ein geschlossenes Bild“ abgibt. „Der Deutsche mag nun mal Geschlossenheit. Rückenwind ist das dann natürlich nicht gerade.“
Mit Gerald Kühl hat es erstmals ein Mitglied der Partei dieBasis in die Norderstedter Stadtvertretung geschafft. Der 71-Jährige war lange als Vertriebsleiter in der Leuchten-Industrie tätig. Er wohnt seit etwa 17 Jahren in Norderstedt. Mit dem Wahlerfolg hat Kühl bereits gerechnet: „An unseren Wahlständen ist deutlich geworden, dass sich viele Leute etwas anderes wünschen und der bestehenden Politik misstrauen.“
Was er nun als neuer Stadtvertreter bewirken und anpacken will? „Wir wollen grundsätzlich eine andere Politik einbringen und alles anders machen als bisher“, sagt Gerald Kühl. „Wir wollen Volksbefragungen und die Menschen mehr an der Demokratie beteiligen.“ Richtig konkret wurde er noch nicht. Eine Zusammenarbeit könnte er sich mit jeder Partei vorstellen – sowohl mit der Linken als auch mit der AfD. „Das sind alles demokratisch gewählte Parteien. Was zählt, ist der gute Vorschlag“, so Kühl.
Kommunalwahl: Norderstedt bekommt eine neue Stadtpräsidentin
Am 27. Juni werden sich die neuen Stadtvertreter zur konstituierenden Sitzung treffen. Dann werden unter anderem die Ausschüsse besetzt und die Vorsitzenden gewählt. Außerdem wählt die Stadtvertretung eine neue Stadtpräsidentin – Kathrin Oehme (81), die dieses Amt 15 Jahre lang inne hatte, hat bereits vergangenes Jahr angekündigt, nicht erneut zur Verfügung zu stehen.
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Katrin Fedrowitz (SPD) und auch Petra Müller-Schönemann (CDU) hatten vor der Kommunalwahl deutlich gemacht, gerne Oehmes Nachfolgerin zu werden. Nun ist klar, dass es aller Voraussicht nach Petra Müller-Schönemann wird. Denn der CDU gebührt als stärkster Fraktion das Vorschlagsrecht.
OB Elke Christina Roeder kann mit der Personalie gut leben: „Ich habe im Aufsichtsrat des Stadtparks hervorragend mit ihr zusammengearbeitet und freue mich jetzt darauf, das mit ihr in ihrem neuen Amt zu tun.“ Die Verwaltung werde die neue Stadtpräsidentin „zu 100 Prozent unterstützen“.