Henstedt-Ulzburg. Ein Trio, das sich politisch sehr nahe steht, könnte die nächsten fünf Jahre in Henstedt-Ulzburg maßgeblich bestimmen.
Der Begriff machte am Kommunalwahlabend in Henstedt-Ulzburg schnell die Runde im Rathaus, als sich eine Tendenz abzeichnete. Da war von einer „Koalition“ die Rede, sogar von einem „Koalitionsvertrag“. Es sind Ideen, die der FDP-Fraktionsvorsitzende Klaus-Peter Eberhard wiederholt formulierte unter dem Eindruck des Ergebnisses. Denn, angeführt von der CDU mit 16 Sitzen, würden seine Partei und die Wählergemeinschaft der BFB (Bürger für Bürger) ja eine „bürgerliche Mehrheit“ in der künftigen Gemeindevertretung bilden. „Das ist der Wählerwille“, befand er.
Was Eberhard andeuten wollte: Man könnte ja nun quasi regieren, die Wunschprojekte voranbringen, eine gemeinsame Strategie für die nächsten fünf Jahre entwerfen. Im Gegensatz zu der jüngeren Vergangenheit, da hätte es in Ausschüssen „Zufallsmehrheiten“ gegeben. Es ist also unüberhörbar: Die FDP tritt selbstbewusst auf. „Bisher hat man uns so betitelt: Die FDP ist ja auch noch da.“ Jetzt sind die Liberalen weitestgehend auf Augenhöhe mit Grünen, SPD, BFB und WHU, alle haben künftig acht oder sieben Gemeindevertreter.
Henstedt-Ulzburg: Warum die FDP jetzt von einer bürgerlichen Koalition träumt
Dietmar Kahle, Fraktionschef der CDU und ein vergleichsweise bedächtiger Politiker, äußerte sich nicht ganz so forsch, auch wenn die 16 gewonnenen Direktmandate dazu Anlass gegeben hätten. „Es wäre schön, wenn wir bei allen Themen einer Meinung wären“, sagte er. „Bei einigen Parteien wird es viele Schnittmengen geben. Wir sind von der Bevölkerung beauftragt worden, die Dinge nach vorn zu bewegen.“
Satte 53 Sitze statt wie bisher 33 umfasst die neue Gemeindevertretung – das ist zunächst einmal eine mathematische Konsequenz der CDU-Dominanz in den Wahlkreisen, weil die Union eben trotzdem nur 29,3 Prozent aller Stimmen erhielt. Um die Verhältnisse adäquat wiederzugeben, hagelte es Überhangmandate, sodass zahlreiche Bewerberinnen und Bewerber der jeweiligen Listen in das Ortsparlament einziehen.
Da wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als die Sitzungen künftig ausnahmslos im Bürgerhaus durchzuführen, das allerdings hierfür technisch deutlich besser ausgestattet werden muss. Der alte und designierte neue Bürgervorsteher Henry Danielski (CDU) wird bei den Sitzungen gut aufpassen müssen, um den Überblick zu behalten.
Was die WHU verloren hat, haben die Grünen gewonnen
„Wenn man es sich genau anguckt, sind die Mehrheitsverhältnisse gar nichts anders geworden“, auch das sagte Kahle betont nüchtern. Der Blick zurück ins Jahr 2018 erklärt das: Seinerzeit stellte die WHU die stärkste Fraktion, sammelte 28,5 Prozent. Das war bekanntlich nur ein Intermezzo.
Nun traten die Grünen, die sich mehr oder weniger von der Wählergemeinschaft abgespaltet hatten, erstmals in der Großgemeinde an, kamen auf 15,4 Prozent, während die WHU 15,2 Prozent verlor. Taktisch ist das ein Erfolg für die Grünen. „Wir sind das Original“, sagt Spitzenkandidatin Anja Hampel, „das haben die Menschen uns zurückgespiegelt.“
Denn mit dem Ziel einer „Gemeinde im Grünen“ werben seit Jahren mehr oder weniger alle Parteien und Wählergemeinschaften. Viele erwarten jetzt, dass die Partei nach dem Vorsitz im Planungs- und Bauausschuss greift, also jenem Gremium, das die großen Fragen der Ortsentwicklung diskutiert.
„Das werden anstrengende fünf Jahre für uns“
„Sehr schade. Wir hätten gemeinsam der CDU das eine oder andere Direktmandat abnehmen können. Wir haben vor fünf Jahren gezeigt, dass das geht“, sagte Wilhelm Dahmen, Spitzenkandidat der WHU. Es fehlte ein bedeutsames Thema wie 2018 die umstrittene Rewe-Ansiedlung, eine Polarisierung gelang nicht, der Fokus auf einer Grenze von 30.000 Einwohnern zog nicht. „Beziehungsweise: Die anderen Parteien haben es geschickt unter dem Deckel gehalten, denn es geht klar um die Ausweisung neuer Baugebiete und um Gewerbeentwicklung“, so Dahmen. „Das werden anstrengende fünf Jahre für uns.“
Die letzten Wochen lehren einiges. So konnte die BFB mit einem ausdrücklich auf Spitzenkandidat Jens Iversen („Wir hatten uns mehr erhofft“) zugeschnittenen Wahlkampf immerhin das Niveau von 2018 halten. „Koalitionen gibt es auf kommunaler Ebene nicht“, sagte Iversen, man sei bei Themen wie der Bebauung der Sportanlage auf dem Rhen oder dem Offenen Ganztag anderer Meinung als FDP oder CDU. Aber: „Wenn man sich das Abstimmungsverhalten der letzten fünf Jahre anschaut, gibt es nur wenig, wo wir uns nicht einig waren.“
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Konkret dürfte das unter anderem bedeuten: Der Widerstand gegen die neue Stromtrasse („Ostküstenleitung“), den das Trio führt, wird weitergehen, denn sie hätten weiterhin die Mehrheit, um im Spätsommer/Herbst eine Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht zu initiieren.
Henstedt-Ulzburg: SPD kritisiert Wahlkampf der FDP
Währenddessen sorgte sich die SPD um die politische Kultur. Die FDP habe „unhaltbare Wahlversprechen gemacht“, „unbezahlbare Luftschlösser gebaut“ kritisierten Spitzenkandidatin Patrizia Giuffrida und Gemeindevertreterin Nadine Braasch mit Verweis auf Slogans wie „Gasheizung retten“ oder „Stau beenden“, die überall im Ort plakatiert wurden. „Die FDP hat Bundesthemen aufs Lokale runtergebrochen und ist damit auf Stimmenfang gegangen. Das ist traurig.“ Die SPD habe es bei den Themen mit einem „guten Mix“ versucht. „Das scheint leider nicht funktioniert zu haben.“
Vielmehr, das empfang Giuffrida, habe man den „Frust auf die Bundespolitik“ abbekommen. Der proklamierten „Koalition“ steht sie skeptisch gegenüber. Sie erwartet „extrem schwierige Mehrheitsverhältnisse in den nächsten fünf Jahren“.