Bad Segeberg. Neun Parteien sitzen im neuen Segeberger Kreistag, aber nur sechs als Fraktion. Wie sich das auf die Arbeit auswirkt.
Die politische Arbeit im künftigen Segeberger Kreistag wird nicht leichter. Waren die Machtverhältnisse im bisherigen Parlament mit acht Fraktionen schon unübersichtlich, so wird es in der kommenden Legislaturperiode vermutlich noch schwieriger, klare Entscheidungen zu treffen: Im neuen Kreistag wollen neun Parteien oder Wählergemeinschaften mitreden. Aber nur sechs von ihnen erhalten den Fraktionsstatus. Der Kreistag vergrößert sich von 62 auf 67 Sitze.
Stärkste Kraft im Segeberger Kreistag bleibt die CDU, die mit 36,9 Prozent exakt das Ergebnis der Kreistagswahl 2018 wiederholen konnte. Allerdings hat die CDU im künftigen Parlament zwei Sitze mehr als in der ablaufenden Legislaturperiode: 25 Abgeordnete statt bisher 23, weil alle CDU-Kandidaten ihre Wahlkreise direkt gewinnen konnten.
Kommunalwahl 2023 - Die Arbeit im Kreistag wird schwerer und unübersichtlicher
Spitzenkandidat Torsten Kowitz ist „happy“. Er soll wieder Fraktionsvorsitzender der CDU im Kreistag werden. Auf der konstituierenden Sitzung des Kreistags am 12. Juni wird er Jörg Buthmann aus Garbek als neuen Kreispräsidenten vorschlagen. Er soll Nachfolger des freiwillig ausgeschiedenen Claus Peter Dieck aus Todesfelde werden.
Zweitstärkste Kraft bleibt die SPD, die bei einem Wahlergebnis von 18,3 Prozent 3,2 Prozentpunkte verloren hat. Die Sozialdemokraten können zwölf Sitze (bisher 13) für sich beanspruchen. Das ist für Spitzenkandidatin Cordula Schultz „nicht so toll“. Sie tröstet sich aber auch: „Wir liegen noch vor den Grünen, das freut uns natürlich.“ Sie wird wieder für den Posten der stellvertretenden Kreispräsidentin kandidieren.
Historisch bestes Ergebnis für die Kreis-Grünen
Elf Sitze (bisher 9) stehen den Grünen zu, die ihr Wahlergebnis von 2018 von 15,1 Prozent auf 16,8 Prozent steigern konnten. Sie haben damit ihr historisch bestes Ergebnis bei einer Kreistagswahl im Kreis Segeberg erreicht. „Das zeigt, dass die politische Arbeit der Grünen wirkt und die Menschen das auch bemerken und würdigen“, sagt Marc-Christopher Muckelberg vom Grünen-Kreisvorstand.
Neben den Grünen konnte vor allem die AfD Stimmenzuwächse verzeichnen. Die Alternative für Deutschland steigerte sich von 7,5 Prozent auf 10,3 Prozent, ihr Stimmenanteil wächst von fünf auf sieben Sitze. Kreisgeschäftsführer und Spitzenkandidat Julian Flak freut sich über die erhebliche Steigerung des Stimmenanteils. Er vermutet: „Es gab viele Protestwähler, aber insgesamt haben sich die großen politischen Themen auf die örtliche Ebene niedergeschlagen, und davon profitiert die AfD.“
Die Freien Wähler gewinnen hinzu, die FDP stagniert
Die Freien Wähler profitierten offenbar vom freiwilligen Ausscheiden der Wählerinitiative Segeberg (WiSe), die im alten Parlament mit zwei Sitzen vertreten war, an der aktuellen Wahl aber nicht mehr teilnahm. So konnten die Freien Wähler ihren Anteil um 1,5 Prozentpunkte auf 4,4 Prozent steigern und drei Abgeordnetensitze (bisher zwei) gewinnen.
Die FDP gewann 0,3 Prozentpunkte hinzu und landete bei 8,5 Prozent. Sie ist mit sechs Abgeordneten (bisher fünf)) im neuen Kreistag vertreten. Nach Ansicht des Kreisvorsitzenden Stefan Holowaty hätte das Kreiswahlergebnis besser sein können, unzufrieden ist er nicht. „Wir hatten mehr erwartet, aber wir sind gut aufgestellt.“
Kein Fraktionsstatus für Linke und die Basis – und die Partei ist erstmals vertreten
Die Linke verliert ihren Fraktionsstatus, weil sie nur noch mit einem Abgeordneten im Parlament vertreten sein wird. Ihr Ergebnis sackte um 1,7 Prozentpunkte auf 2,1 Prozent. Neu im Segeberger Kreistag sind die Basis (1,4 Prozent) und die Partei (1,5 Prozent). Beide Partein entsenden ebenfalls einen Abgeordneten und haben damit keinen Fraktionsstatus. Um diesen zu erreichen, müssen mindestens zwei Sitze im Kreistag gewonnen werden.
Das gute Abschneiden der AfD sorgt bei den übrigen Parteien für Gesprächsstoff. Glücklich ist darüber niemand. Stefan Holowaty bringt es auf den Punkt: „Über das AfD-Ergebnis sind wir entsetzt.“ Marc-Christopher Muckelberg von den Grünen zieht daraus diese Erkenntnis: „Es gibt im Kreis Segeberg offenbar mehr politisch frustrierte Menschen als bisher angenommen.“
Die Parteien müssen sich zusammenraufen, um Entscheidungen treffen zu können
Was bedeutet das Kreistagswahlergebnis für die künftige arbeit in diesem Gremium, in dem Entscheidungen getroffen werden, die für den ganzen Kreis von Bedeutung sind? Zunächst gibt es diese Erkenntnis: Bei Sachentscheidungen müssen sich die Abgeordneten zusammenraufen, um Mehrheiten zu finden.
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Das wird vermutlich kein Zuckerschlecken. Denn schon im bisherigen Kreistag war es nicht immer leicht, Entscheidungen zu treffen. Es gab keine klaren Bündnisse, keine Fraktion hatte das uneingeschränkte Sagen. Es gab bei Abstimmungen große und kleine Koalitionen, wobei die politischen Grundausrichtungen in den seltensten Fällen entscheidend waren.
Auf die Kreistagsabgeordneten warten große Zukunftsaufgaben
Die Aufgaben der nächsten fünf Jahre erfordern von den Abgeordneten viel Fingerspitzengefühl, wobei die eine oder andere Fraktion wahrscheinlich auch mal über ihren eigenen Schatten springen muss, damit große Themen abgeschlossen werden können.
Die Digitalisierung der öffentlichen Einrichtungen, zu denen auch die Schulen gehören, muss vorangetrieben werden, der Kreis muss mit Hausärzten versorgt werden, es gilt dem Fachkräftemangel entgegenzutreten und die Mobilitäts- und Energiewende zu meistern. Bis 2032 soll der ÖPNV im Kreis Segeberg emissionsfrei werden – kleinliches Parteiengezänke wäre bei der Bewältigung dieser Aufgaben hinderlich.