Norderstedt/Bad Segeberg. Polizei im Kreis Segeberg legt Statistik für 2022 vor. Welche Zahlen überraschen und welche mysteriösen Fälle es gab.
Corona geht – die Kriminalität kommt zurück: dieses Muster zeichnete sich im vergangenen Jahr im Kreis Segeberg ab. Das geht aus der Statistik für 2022 hervor, die die Polizei jetzt vorlegte. In vielen Bereichen gab es mehr Kriminalfälle. Besonders auffällig ist der Anstieg im Bereich der „Rohheitsdelikte“, also Raub, Körperverletzung, Bedrohung und Nötigung. Es gab auch mehr Jugendkriminalität – und zwei rätselhafte Fälle.
Im vergangenen Jahr wurden 14.254 Straftaten im Kreis Segeberg erfasst, das waren etwa 9 Prozent mehr als noch 2021. „Der Anstieg war aber ein Stück weit zu erwarten, nach dem Wegfall vieler Corona-Schutzmaßnahmen“, sagt Lars Brockmann, Sprecher der Polizeidirektion Bad Segeberg.
Polizei Norderstedt„Extremer Anstieg“ bei Raub, Körperverletzung und Bedrohung
Er nennt ein Beispiel: „Während der Corona-Zeit gab es viel weniger Wohnungseinbrüche, weil viele Menschen im Homeoffice gearbeitet haben. Da waren die Möglichkeiten für die Täter so nicht gegeben.“ 2022 stiegen die Wohnungseinbrüche dann wieder, es gab 264 Fälle (2021: 187). Aber noch immer liegt die Zahl der Einbrüche unter dem Niveau von 2019 (430).
Während sich die Zahl der Kriminalfälle also insgesamt wieder dem Niveau von Vor-Corona-Zeiten annähert, stechen manche Zahlen doch heraus. Besonders betrifft das den Bereich „Rohheitsdelikte“. Hier gab es 2306 Fälle, das waren gut 300 mehr als im Jahr davor. Die Zahl liegt damit auf einem Zehn-Jahres-Hoch, nur 2012 lag sie noch höher (2328 Fälle).
Anstieg von Gewalttaten wurde auch in Norderstedt registriert – Fokus Bahnhof
„Dieser Anstieg ist schon extrem, das kann man nicht anders sagen“, sagt Lars Brockmann. Eine Erklärung hat er nicht. Aber der Anstieg wurde auch an anderer Stelle registriert, etwa in Norderstedt. Hier gab es zuletzt eine Zunahme von Gewalttaten und auch Fällen von Jugendkriminalität an den U-Bahnhöfen Garstedt und Norderstedt-Mitte.
Die Stadt will deshalb den Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) häufiger zu den Bahnhöfen schicken und auch die Möglichkeit von Video-Überwachung rechtlich prüfen lassen. Auf polizeilicher Seite kümmert sich laut Lars Brockmann eine „Ermittlungsgruppe Jugend“ um Fälle in Norderstedt und Henstedt-Ulzburg.
Ein Drittel aller Tatverdächtigen hat keinen deutschen Pass
Die Gruppe, die auch sogenannte Intensivtäter im Blick hat, gibt es laut Brockmann schon seit Jahren. Indes: Der jüngste, kreisweite Anstieg im Bereich Rohheitsdelikte geht „nicht unbedingt auf Jugendliche zurück“, sagt der Polizeisprecher. Insgesamt stiegen die Fälle von Kinder- und Jugendkriminalität allerdings deutlich. 2021 waren es 1134 Fälle, im Jahr darauf 1436 Fälle.
Fakt ist: ein Großteil der Tatverdächtigen hat einen Migrationshintergrund – wenn man sämtliche Arten von Delikten des Jahres 2022 und alle Altersgruppen betrachtet. 5735 Tatverdächtige wurden in dem Jahr von der Polizei ermittelt, sogenannte „ausländerrechtliche Verstöße“ (also etwa die illegale Einreise nach Deutschland) sind hier nicht mitgerechnet. 1660 der Tatverdächtigen hatten keinen deutschen Pass, das entspricht 29 Prozent.
Tatverdächtige überwiegend männlich und über 21 Jahre alt
Fakt ist auch: die Tatverdächtigen sind ganz überwiegend Männer, ihr Anteil liegt bei 76,2 Prozent. Und sie sind in der Regeln erwachsen – der Anteil der Tatverdächtigen zwischen 21 und 59 Jahren liegt bei 76,6 Prozent. Zum Vergleich: Der Anteil von Jugendlichen zwischen 14 und 18 macht 9,5 Prozent aus, der der Heranwachsenden (18 bis 21 Jahre) 7,2 Prozent, der der Kinder (unter 14) immerhin 6,7 Prozent.
Die meisten Delikte, die begangen werden, sind Diebstähle – ihr Anteil liegt bei 33,5 Prozent. Rohheitsdelikte machen 15,5 Prozent aus, Vermögens- und Fälschungsdelikte 17,8 Prozent – und „sonstige Straftatbestände“ 22,1 Prozent.
Versuchter Mord: Unbekannte Person warf Stein von einer Brücke auf die Autobahn
In der Polizeistatistik sind auch sogenannte „Straftaten gegen das Leben“ erfasst. 2022 gab es hier zehn Fälle, darunter waren fünf Totschlagsdelikte und zwei fahrlässige Tötungen. Außerdem gab es drei versuchte Morde – bei zweien davon handelte es sich um mysteriöse Steinwürfe von Brücken.
„Der erste Fall ist am 28. April passiert, im Bereich der Autobahn 7 zwischen Bad Bramstedt und Großenaspe“, sagt Lars Brockmann. Von einer Autobahnbrücke aus, die im Ort Wiemersdorf liegt, wurde ein Stein auf die Autobahn geworfen. „Der traf ein Auto in die Frontscheibe. Die Personen im Wagen blieben aber zum Glück unverletzt“, sagt Brockmann. Es sei allerdings niemand bei der Tat beobachtet worden, ein Täter konnte nicht ermittelt werden.
Einen Tag später das selbe Muster – ein Stein fliegt von einer Brücke auf ein Auto
Nur einen Tag später, am 29. April, kam es zu dem zweiten, sehr ähnlichen Fall. Diesmal wurde in dem Ort Negernbötel ein Stein von einer Brücke auf die B 205 geworfen. Er traf wieder ein Auto in die Frontscheibe – glücklicherweise gab es erneut keine Verletzten. „Im zweiten Fall wurde eine Person gesehen. Aber ein Täter konnte trotzdem auch in dem Fall nicht ermittelt werden“, so Brockmann.
- Polizei: Mehr Verkehrsunfälle im Kreis – besonders bei E-Bike-Fahrern
- Polizei Norderstedt: Unbekannte sprühen Reizgas in Norderstedter Einkaufspassage
- Polizei Norderstedt Schockanruf: 78-jährige Seniorin verliert Gold und Schmuck
Insgesamt lag die Aufklärungsquote der Polizei im Kreis Segeberg 2022 bei 51,6 Prozent. Das ist ein recht üblicher Wert – der allerdings stark schwankt, wenn man die Arten der Fälle betrachtet betrachtet. Wer Opfer eines Wohnungseinbruchs wird, sollte eher nicht darauf hoffen, dass die Täter gefunden werden – die Aufklärungsquote liegt hier bei nur 11,4 Prozent.
Wie hoch die Aufklärungsquote bei Diebstählen liegt – und wie hoch bei Sexualdelikten
Wird ein Auto gestohlen, liegt die Aufklärungsquote bei 18,8 Prozent – Einbrüche in ein Auto werden hingegen nur mit einer Quote von 6,7 Prozent aufgeklärt. Ähnlich niedrig liegt sie bei dem Diebstahl von Fahrrädern (7,2 Prozent).
Sehr viel höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Sexualstraftat aufgeklärt wird – sofern sie der Polizei gemeldet wird: 214 „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ gab es 2022, 82 Prozent davon wurden aufgeklärt.
Mitgezählt wird hier auch sexueller Missbrauch von Kindern (32 Fälle), die Aufklärungsquote lag hier bei 87,5 Prozent. Auch bei „Rohheitsdelikten“ wie Körperverletzung oder Nötigung liegt die Aufklärungsquote über 80 Prozent.
Polizei Norderstedt: Warum sich die Bewohner des Kreises relativ sicher fühlen dürfen
Insgesamt dürfen sich Bewohner des Kreises Segeberg recht sicher fühlen – zumindest statistisch gesehen. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer einer Straftat zu werden, ist nach Angaben der Polizei deutlich geringer als in großen Städten und anderen Landkreisen in Schleswig-Holstein.
So liegt die sogenannte „Häufigkeitszahl“ für den Kreis Segeberg bei 5083 - das ist die Anzahl der Straftaten, hochgerechnet auf 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: in Kiel liegt die Zahl bei 9603, in Neumünster bei 15.948 – und in Nordfriesland bei 25.536.