Norderstedt. Norderstedterin glaubte, ihre Tochter habe einen Radfahrer getötet – nun forderte ein Polizist 45.000 Euro von ihr.
Es vergeht kaum eine Woche, in der die Polizei nicht vor den Machenschaften von Kriminellen warnt, die mit dem Enkeltrick, als Falscher Polizist oder mit Schockanrufen besonders Seniorinnen und Senioren täuschen und ausrauben. Doch trotz aller Warnungen und vieler potenzieller Opfer, die mittlerweile sofort auflegen, wenn verdächtige Anrufe eingehen, finden die Kriminellen doch immer wieder Menschen, die ihnen in die Falle gehen. Wie in einem krassen Fall am Wochenende in Norderstedt, bei der eine Frau Schmuck und Geld im Gesamtwert von 12.000 Euro verloren hat.
Am Freitagabend, 24. März, ahnt eine 78-Jährige aus Norderstedt nicht, dass ihr ein schockierender Abend bevorstehen wird. Gegen 18.30 Uhr klingelt das Telefon. Und plötzlich wird es sehr dramatisch und die Lage zur Ausnahmesituation. Eine schreiende und weinende Frau ist am Apparat. Sie erzählt aufgewühlt von einem schlimmen Verkehrsunfall der ihr passiert, dass sie einem Radfahrer die Vorfahrt genommen habe und der Mann jetzt tot sei.
Polizei Norderstedt: Schockanruf – 78-jährige Seniorin verliert Gold und Schmuck
Die 78-Jährige ist geschockt, verwirrt und aufgebracht. Noch bevor sie der Frau Fragen stellen kann, übernimmt plötzlich ein angeblicher Polizeibeamter das Gespräch. Er bestätigt die Angaben der angeblichen Tochter und verdeutlicht der 78-Jährigen nun die drastische Situation der Tochter.
Dieser drohe jetzt Haft, sie sei der fahrlässigen Tötung schuldig, und die Mutter könne diese nur durch die Zahlung von 45.000 Euro abwenden. In ihrer Aufregung lässt die Frau offenbar jede Vernunft vermissen und fragt sich nur, woher sie das Geld nehmen könnte. Nicht aber, ob die ganze Sache nur ein billiges und grausames Schauspiel ist.
Norderstedterin will Goldbarren und Schmuck übergeben
Die Norderstedterin teilt dem „Polizisten“ mit, nicht über so viel Bargeld zu verfügen, bietet ihm aber Goldbarren und Schmuck im Wert von ungefähr 12.000 Euro an. Was dem kriminellen Anrufer natürlich ebenso gefällt. Er geht sofort auf das Angebot ein und handelt nun mit der 78-Jährigen die Abholungsmodalitäten aus. Wie immer in diesen Fällen, halten die Kriminellen ihre Opfer in dieser Phase laufend am Telefon – um sicherzustellen, dass es keine anderen Menschen anrufen kann und auch, um jeden Schritt zu überwachen.
Die 78-jährige Norderstedterin packte ihre Goldbarren und den Schmuck schließlich in eine Kiste und machte sich zum vereinbarten Treffpunkt für die Übergabe auf – der Parkplatz eines Mehrfamilienhauses im Bereich Marktplatz und Rathaustwiete in Norderstedt. Vor Ort erschien allerdings nicht der angebliche Polizist vom Telefonanruf, sondern eine etwa 30 Jahre alte, ungefähr 1,65 Meter große und schlanke Frau. Sie hatte dunkle kurze Haare und eine Umhängetasche bei sich. Sie nahm die Wertsachen an sich und verschwand.
Übergabe auf einem Parkplatz: Kriminelle schicken eine junge Frau
Dass sie Opfer von Kriminellen geworden war und sich ganz unbegründet große Sorgen um ihre Tochter gemacht hatte, erfuhr die 78-Jährige erst, als am späten Abend die echte Tochter bei ihr anrief und der ganze Schwindel aufflog.
In Quickborn hatten die Kriminellen übrigens am selben Freitag keinen Erfolg: Sie meldeten sich bei Eheleuten im Alter von 75 und 76 Jahren. Abermals war zunächst eine in Tränen aufgelöste angebliche Tochter am Apparat, die gerade ein Kind überfahren haben wollte – und wieder forderte ein falscher Polizeibeamter Geld, während im Hintergrund die Tochter weiter schluchzte. Doch die Täter bissen bei den Eheleuten auf Granit – denn die haben gar keine Tochter und kannten die Masche außerdem und legten auf.
Die Kriminalpolizei Norderstedt sucht nun mögliche Zeugen, die in Norderstedt die Übergabe der Wertsachen und die beschriebene Abholerin beobachtet haben. Zeugen sollen sich unter 040/52 80 60 bei den Ermittlern melden.
Tipps für das Verhalten im Falle eines Anrufes
Vor dem Hintergrund des aktuellen Norderstedter Falls warnt die Polizei zum wiederholten Male vor den betrügerischen Anrufen. Die Betrüger werden am Telefon aufdringlich oder betteln regelrecht um Hilfe. Oftmals verfügen sie sogar über Detailwissen und verunsichern die Bürgerinnen und Bürger dadurch enorm. Die Zielrichtung ist dabei immer dieselbe. Die Opfer sollen Bargeld besorgen und es den Betrügern aushändigen.
Die Polizei ruft insbesondere ältere Menschen dazu auf, bei derartigen Anrufen hellhörig zu werden und umgehend die Polizei zu informieren. Darüber hinaus rät die Polizei jüngeren Familienangehörigen, ihre Verwandten und Bekannten für das Thema zu sensibilisieren.
Polizei Norderstedt: Auflegen und sich nicht unter Druck setzen lassen
Wer angerufen wird, sollte sich nicht unter Druck setzen lassen. Am besten auflegen, wenn etwas merkwürdig erscheint und die Polizei informieren. Man sollte am Telefon nicht über persönliche und finanzielle Verhältnisse sprechen. Geld oder Wertgegenstände sollten niemals an unbekannte Personen übergeben werden. Senioren sollten sofort Kontakt zur Familie oder anderen Vertrauten suchen.
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Zudem können sich besorgte Bürgerinnen und Bürger an jede örtliche Polizeidienststelle oder das Sachgebiet Prävention der Polizeidirektion Bad Segeberg wenden (04551/884 21 41). Dort erhalten vermeintliche Opfer, aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter örtlicher Geldinstitute, entsprechende Hinweise.
Die Maschen und Tricks der Telefon-Betrüger im Überblick
Falsche Polizisten: Am Telefon geben sich Betrüger als Polizisten aus, um Geld zu erbeuten. Die Täter schaffen es, ältere Menschen am Telefon zu verunsichern oder zu verängstigen. Die Täter täuschen durch die im Display angezeigte Rufnummer vor, von der Polizei zu sein (110 oder Nummer der örtlichen Polizeidienststelle). Die Betrüger warnen beispielsweise vor einem geplanten Einbruch. Den Betroffenen bieten sie an, Bargeld oder Wertsachen von einem Kriminalbeamten an einen „sicheren Ort“ bringen zu lassen. Sie geben vor, nach der akuten Gefahr alles zurückzubringen. Oder sie warnen vor Falschgeld, das überprüft werden muss, oder vor Kriminellen, die das Konto der Angerufenen plündern wollen.
Der Enkeltrick: Die Betrüger rufen meist bei älteren und alleinlebenden Personen an und geben sich als Verwandte, Enkel oder auch gute Bekannte aus. Immer bitten sie kurzfristig um Bargeld. Vorgetäuscht wird ein finanzieller Engpass oder eine Notlage, beispielsweise ein Autokauf oder ein Unfall. Die Lage wird immer als äußerst dringlich dargestellt, um das Opfer unter Druck zu setzen. Sobald es bereit ist zu bezahlen, wird ein Bote geschickt, um das Geld abzuholen. Hat der Betroffene die geforderte Summe nicht zu Hause, wird er gebeten, unverzüglich zur Bank zu gehen, um dort den Betrag abzuheben. Nicht selten ruft der Täter sogar ein Taxi, wenn das Opfer den Weg nicht zu Fuß bewältigen kann.
Gewinnversprechen: Die Betrüger versprechen ihren Opfern am Telefon hohe Gewinne. Die Methode ist immer ähnlich: Vor einer Gewinnübergabe werden die Betroffenen aufgefordert, eine Gegenleistung zu erbringen. Sie sollen Gebühren bezahlen, kostenpflichtige Telefonnummern anrufen oder an Veranstaltungen teilnehmen, auf denen minderwertige Ware zu überhöhten Preisen angeboten werden.