Norderstedt. Sieben Monate Parkgebühren: Anlagen sind nicht ausgelastet. Dafür ärgern sich Anwohner über vollgeparkte Nebenstraßen.
Es ist unverkennbar: In Norderstedt sind Autos von Park+Ride-Anlagen verschwunden. Sieben Monate ist es her, dass die Stadt nach jahrelanger Debatte und Planung sowie mehrfacher Verzögerung die Parkgebühren eingeführt hat. Ein Hauptziel: Dauerparker vertreiben – oder sie dazu zwingen, Tickets zu ziehen. Die Begeisterung bei Pendlern war überschaubar.
Das Abendblatt hat nun an einem Montag- und Dienstagvormittag einige Stichproben gemacht. Denn, zur Erinnerung: Vor der Pandemie und dem dadurch salonfähig gewordenen Home-Office war es die Regel, dass sämtliche öffentliche Anlagen, sei es in Norderstedt-Mitte, Garstedt oder Friedrichsgabe, spätestens ab 8.30 bis 9 Uhr komplett besetzt waren. Wer zu spät kam, musste viele Runden bei der Parkplatzsuche drehen.
Halbvolle P+R-Anlagen in Norderstedt – wo sind die Autos?
Oftmals blieb nur, in eine Nebenstraße auszuweichen, also in Wohngebiete, wo es tagsüber dann doch ein paar freie Lücken gab. In Nähe des Rathauses und des ZOB Norderstedt-Mitte wäre das beispielsweise die Heidbergstraße. Und hier fällt tatsächlich auf: Am Straßenrand, und das bereits von der Kurve bei den Stadtwerken bis zur Brücke über die U-Bahnschienen, parken reihenweise Autos – ein gutes Dutzend.
Wer einmal in soziale Medien schaut, trifft auf Norderstedterinnen und Norderstedter, denen dieses offenbar alltägliche Szenario ein Dorn im Auge ist. „Alles zugeparkt, wenn Gegenverkehr kommt kann man kaum ausweichen. Durch die Kurve ist die Sicht so heftig eingeschränkt und viele fahren da echt schnell. Ich meide die Stelle mittlerweile und fahre fast immer über den Buchenweg“, schreibt eine Frau auf Facebook.
Anwohner kritisieren: „Früher standen diese Autos in der Tiefgarage“
„Jeder denkt an sich, nicht daran, dass es noch andere Verkehrsteilnehmer gibt, die auch durch die Straße müssen. Nach dem Motto: ,Hauptsache ich habe einen Parkplatz, mir egal was mit den anderen ist und wie der Verkehr hier weiter durch kommt’, kommentiert eine andere Userin. Auf Nachfragen antworten weitere Ortskundige: „Du musst mal versuchen, da vorbeizukommen, früher standen diese Autos in der Tiefgarage.“ Oder: „Seitdem es in der Tiefgarage Geld kostet. Wenn du in der Heidbergstraße wohnen würdest, würdest du es verstehen.“
In der Tat: Begegnungsverkehr ist so gut wie unmöglich. Ein Halteverbot gilt hier nicht, das Parken ist also erlaubt. Wer hier sein Auto abstellt, lässt sich andererseits nicht sagen – neben Pendlern könnten das auch Patienten oder Besucher des Gesundheitszentrums oder des Kardiologischen Zentrums sein.
Heidbergstraße: Aus der Tiefgarage direkt in den Gegenverkehr
Zwei weitere Faktoren sind in diesem Bereich potenziell gefährlich. Einerseits ist hier die Ausfahrt der Tiefgarage, die sich unter der Post befindet – wer von dort nach links abbiegt, landet auf der Gegenfahrbahn. Und es überqueren Fußgänger und Radfahrer, die den Weg entlang der Bahn benutzen, die Straße – die Sicht aus südlicher Richtung ist eingeschränkt.
Einige Hundert Meter weiter nördlich, nun hinter dem Rathaus: Am Alten Heidberg sowie am Sanddornweg gibt es am Straßenrand keine freien Parkplätze mehr. Kennzeichen weisen auf Fahrzeuge hin, die in Pinneberg oder Stormarn zugelassen sind.
Norderstedt-Mitte: Große P+R-Anlagen vormittags maximal halb gefüllt
Zum Vergleich zwei Beispiele, wie es eine Etage tiefer aussieht: Unter dem Rathaus und dem Rathausmarkt ist die P+R-Garage maximal zur Hälfte ausgelastet – und das an einem Montag außerhalb der Ferien. Nicht anders ist es direkt am ZOB und auf der anderen Straßenseite unterhalb der Post und Budni. Selbst an Donnerstagen, wenn Wochenmarkt ist, sieht es erfahrungsgemäß ähnlich aus. In Friedrichsgabe befindet sich eine gebührenpflichtige Fläche direkt an der AKN-Station Quickborner Straße. Hier ist das Bild vormittags um 11 Uhr trist – lediglich ein Auto wurde hier abgestellt.
Eine These wäre: Viele sparen sich die Parkgebühren von 2, 10 oder 40 Euro (Tag, Woche, Monat). Genau wird sich das wohl nie beweisen lassen. Die Verwaltung hatte angekündigt, zu prüfen, ob es einen Verdrängungseffekt gibt – denn halbvolle öffentliche Anlagen und dafür hoher Parkdruck in den Straßen sind nicht gewollt.
Anwohnerparken: Hohe Anforderungen für Zonen
Bisher liegen noch keine detaillierten Zahlen vor, in welchem Maße die P+R-Flächen ausgelastet sind und wie die Einnahmen sind. „Ganz sicher ist es nicht das Ziel der Stadt, damit Geld zu verdienen“, hatte Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder im letzten Jahr gesagt. Eine ältere Kalkulation hatte einen jährlichen Aufwand von 285.000 Euro und geschätzte Einnahmen von 460.000 Euro genannt.
Es würde aus Sicht mancher Bürger in Norderstedt-Mitte nun wohl nahe liegen, wenigstens ein Anwohnerparken in bestimmten Straßen zu fordern. Doch auf Nachfrage erklärt die Stadt, warum das nicht so einfach umsetzbar ist. „Die Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde zur Einrichtung eines Bewohnerparkbereichs muss auf der Grundlage einer belastbaren Feststellung zum Parkraummangel für die ansässige Wohnbevölkerung durch fehlende private Stellplätze und zugleich Überlastung des öffentlichen Parkraums durch nicht quartiersansässige Pendler oder Besucher erfolgen“, so ein Sprecher.
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Und: „Die Bewohner des städtischen Quartiers müssen dafür aufgrund des erheblichen allgemeinen Parkraummangels regelmäßig keine ausreichende Möglichkeit haben, in ortsüblich fußläufig zumutbarer Entfernung von ihrer Wohnung einen Stellplatz für ihr Kraftfahrzeug zu finden. Diese Situation ist in Norderstedt nicht gegeben.“
Norderstedt-Mitte: Parkbereiche für Anwohner nicht vorgesehen
Aus Sicht der Verwaltung steht der Grundsatz: Der öffentliche Park- und Verkehrsraum wird allen Verkehrsteilnehmenden gleichermaßen zur Verfügung gestellt. Flächendeckend Anwohnerinnen und Anwohner zu bevorzugen, widerspreche, so die Stadt, auch der Rechtsprechung. Zumal seien dann auch keine Ausnahmen möglich für soziale Dienste, Handwerker oder Besucher.
Was es allerdings in Norderstedt gibt, und zwar in Nähe des Herold-Centers, etwa in der Garstedter Feldstraße, ist folgendes Modell: Anwohner haben spezielle Parkscheine, alle anderen dürfen ihr Fahrzeuge maximal zwei Stunden abstellen – dann mit einer Parkscheibe.
So etwas ist für Norderstedt-Mitte aber nicht vorgesehen. Und politisch auch nicht gewollt. Die Verwaltung weist darauf hin: Der damalige Beschluss für die Parkraumbewirtschaftung habe ausdrücklich keine Bewohnerparkzonen vorgesehen.