Kreis Segeberg. Amoktat in Alsterdorf: Jäger und Sportschützen fürchten den Generalverdacht. Wie viele Waffenbesitzer es im Kreis gibt.

O Gott. Das war Holger Möllers erster Gedanke, als er von der Amoktat Anfang März in Hamburg-Alsterdorf hörte. Er weiß noch genau, wie er am nächsten Morgen davon erfahren hat. Der 67-Jährige lag noch im Bett. Sein Radio weckte ihn morgens. Der Nachrichtensprecher erzählte gerade, dass in der vergangenen Nacht acht Menschen in einem Gebäude der Zeugen Jehovas erschossen wurden. Einer der Toten sei vermutlich der Täter. „Hoffentlich war er kein Jäger“, dachte Möller im nächsten Moment.

Holger Möller ist Vorsitzender des Clubs für jagdliches und sportliches Schießen in Hasenmoor. 20 Jahre ist es inzwischen her, dass er seinen Jagdschein gemacht hat. Das wollte er schon immer. Er wohnt in einem kleinen Dorf und mag es, in der Natur zu sein. Nach Taten wie jüngst in Hamburg durch Philipp F. (35), der kein Jäger, sondern Sportschütze im Hanseatic Gun Club war, entstehe aus Möllers Sicht zu schnell ein Generalverdacht gegen alle Hobbyschützen. „Schwarze Schafe gibt es leider überall“, bedauert er.

Kreis Segeberg: Verschärfung des Waffenrechts? „Der Mensch ist das Problem“

In der Öffentlichkeit ist erneut eine Debatte um eine mögliche Verschärfung des Waffenrechts entbrannt. Möller ist dagegen, noch strengere Vorschriften einzuführen. „Das Waffengesetz ist hart genug. Es müsste nur zur Anwendung kommen“, sagt der Jäger. Die Behörden hätten nicht genügend Personal, um ausreichend Kontrollen durchzuführen und es durchzusetzen.

Jens-Peter Knuth ist Jäger und Platzwart in Hasenmoor.
Jens-Peter Knuth ist Jäger und Platzwart in Hasenmoor. © Annabell Behrmann

Auch Heino Burmeister, Schatzmeister der Kreisjägerschaft Segeberg, findet: „Deutschland ist weltweit eines der Länder mit den schärfsten Waffengesetzen. Leider kann man solche Taten nie zu 100 Prozent ausschließen. Der Mensch ist das Problem.“ Viele Straftaten würden etwa auch mit Messern geschehen, wie etwa im Regionalzug in Brokstedt, meint Burmeister.

Mehr als 18.000 registrierte Waffen gibt es im Kreis Segeberg

Im Kreis Segeberg besitzen 3428 Menschen eine Waffe. Insgesamt gibt es 18.199 registrierte Waffen. Klar ist aber auch: Es dürften noch reichlich illegale Gewehre und Pistolen im Umlauf sein. „Das Problem beginnt dort, wo Waffen nicht unter Kontrolle sind“, sagt Heino Burmeister.

Die Jägerschaft legt großen Wert auf Sicherheit. An den Schießständen in Hasenmoor gibt es immer eine Aufsicht. „Das ist das A und O. Bei uns herrscht Disziplin“, betont Jens-Peter Knuth, Platzwart der Anlage. Der 66-Jährige hat seinen Jagdschein nicht gemacht, weil ihm das Schießen so viel Spaß bringt. „Ich genieße es, mich in die Natur zu setzen, das Wild vor der eigenen Haustür zu beobachten und mal von allem weg zu sein.“

In Hasenmoor wollen viele Menschen Jagdschein machen

Derzeit gebe es bei ihnen rund 200 Prüflinge, die ihren Jagdschein machen möchten, berichtet Heino Burmeister. Der Zulauf sei in den vergangenen Jahren sehr groß. „Das ist ein wenig beängstigend. Ich frage die Menschen immer nach ihren Beweggründen“, sagt der 64-Jährige. Viele hätten in der Familie bereits Jäger, andere möchten etwas Neues lernen oder sich ihr Fleisch selbst schießen. Einige wenige „Waffenfreaks“ seien auch unter ihnen.

Die beiden Jäger Jens-Peter Knuth und Heino Burmeister legen großen Wert auf Sicherheit am Schießstand.
Die beiden Jäger Jens-Peter Knuth und Heino Burmeister legen großen Wert auf Sicherheit am Schießstand. © Annabell Behrmann

Um überhaupt eine Waffe besitzen zu dürfen, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Grundsätzlich gilt: Das 18. Lebensjahr muss vollendet sein und die erforderliche Zuverlässigkeit und persönliche Eignung aufgewiesen werden. Außerdem muss die notwendige Sachkunde und das Bedürfnis für den Umgang mit Waffen – zum Beispiel als Jägerin oder Sportschütze – nachgewiesen werden.

Niemand anderes darf Zugangscode zum Waffenschrank kennen

„Zusätzlich muss vor Erteilung der Erlaubnis die sichere Aufbewahrung der Waffen durch die Vorlage von einer Selbstauskunft, Kaufbelegen und Fotos nachgewiesen werden“, erklärt Sabrina Müller, Sprecherin des Kreises Segeberg. Die Waffen müssen in Schränken oder Tresoren aufbewahrt werden, die den Widerstandsgrad 0 oder 1 aufweisen. Nicht einmal die eigene Ehefrau, darf den Zugangscode zum Waffenschrank des Jägers oder Sportschützen wissen. Außerdem müssen laut Waffenbehörde junge Erwachsene unter 25 Jahren ein fachpsychologisches Zeugnis über ihre geistige Eignung vorlegen, um eine Waffe erwerben zu dürfen.

Auch Dirk Möller, erster Vorsitzender der Schützengemeinschaft Norderstedt, hat Angst, dass Fälle wie Philipp F. den Sport in ein schlechtes Licht rücken. „Der Hanseatic Gun Club ist ein kommerzielles Unternehmen. Da bezahlt der Kunde Geld und kann einfach drauflosschießen“, sagt er. In einem Schützenverein wie in Norderstedt gehe es hingegen um die Geselligkeit und Gemeinschaft, so Möller.

Schützengemeinschaft Norderstedt: Neulinge fangen mit Luftdruckpistole an

Gemeinsam mit Uwe Gluschitz, der bereits seit 60 Jahren Vereinsmitglied ist und 14 Jahre lang Vorsitzender war, führt er durch die Räumlichkeiten am Schierkamp in Norderstedt. „Hier fängt alles an“, sagt Möller und zeigt auf 20 Schießstände, an denen mit Luftdruckpistolen auf Zielscheiben geschossen wird. Hier beginnen die Anfänger. „Wir gucken uns die Menschen genau an“, sagt er. Erst wenn sie sich bewährt haben, dürfen sie am Pistolenstand mit Munition schießen. „Und auch hier müssen sie sich erneut beweisen und fangen zunächst mit Kleinkalibern an. Erst wenn es gut läuft, bekommen sie die Freigabe für Großkaliber“, erklärt Uwe Gluschitz.

Man würde es den Leuten an der Nasenspitze ansehen, wenn es ihnen nur darum ginge, mit scharfen Waffen herumzuballern, meint Dirk Möller. „Die drehen sich sofort wieder um, wenn sie hören, sie sollen zuerst mit Luftdruckpistolen üben.“ Wenn sie im Verein beobachten würden, dass sich ein Mitglied extrem in seinem Wesen verändere, hätten sie keine Scheu, dies der Behörde zu melden. „Wir sind eine Schützenfamilie“, sagt der Vorsitzende. Da passe man aufeinander auf.

Waffen: „Behörden haben zu wenig Personal“

Möller spricht bewusst nicht von Waffen, sondern von Sportgeräten. „Um die negative Assoziation wegzubekommen“, erklärt er. Sportschützen im Kreis Segeberg müssen sich den Bedarf von ihrem Verein bestätigen lassen, wenn sie sich eine eigene Waffe zulegen wollen. Der Norddeutsche Schützenverband prüft den Antrag. Dann kann ein Sportschütze mit dem unterschriebenen Exemplar zur Behörde gehen, eine Waffenbesitzkarte beantragen und sich eine Waffe kaufen. „Außerdem muss man mindestens ein Jahr Mitglied im Schützenverein sein. Es gilt einiges zu beachten“, sagt Uwe Gluschitz.

Wie auch die Jägerschaft ist der 73 Jahre alte Norderstedter der Meinung, dass die Waffengesetze bereits streng genug sind. „Sie müssen nur durchgesetzt werden“, sagt er. „Die Behörden haben zu wenig Personal. Sie können die Möglichkeiten, die sie haben, nicht voll ausschöpfen“, meint Dirk Möller. Er hält eine generelle Pflicht, ein psychologisches Gutachten vorlegen zu müssen, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser jüngst forderte, für nicht zielführend. „Es ist nur eine Momentaufnahme. Es gibt gute Schauspieler“, sagt der 57-Jährige.

Kreis Segeberg: Waffenbesitzer müssen alle fünf Jahre Bedürfnis nachweisen

Eine regelmäßige Überprüfung der geistigen Verfassung des Waffenbesitzers findet in Deutschland nicht statt. Kontrolliert wird im Kreis Segeberg alle fünf Jahre das Bedürfnis zum Besitz von Waffen: Jägerinnen müssen einen gültigen Jagdschein vorlegen, Sportschützen eine Bescheinigung der Mitgliedschaft im Schützenverein. Außerdem müssen Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis mindestens alle drei Jahre auf ihre Zuverlässigkeit und persönliche Eignung überprüft werden. Hierfür werden beispielsweise mögliche Straftaten bei den Behörden abgefragt.

„Darüber hinaus erfolgen anlassbezogene Kontrollen bei entsprechenden Hinweisen, die Zweifel an der Zuverlässigkeit von Waffenbesitzerinnen und -besitzern begründen können“, sagt Kreissprecherin Sabrina Müller. Mit zufälligen Kontrollen sei eher weniger zu rechnen, sagen sowohl Jäger als auch Sportschützen aus eigener Erfahrung.