Norderstedt. Ein Anbieter ist weg, ein anderer kaum existent. Die Grünen fordern von der Stadt eine neue Car-Sharing-Strategie.
Das Car-Sharing in der 83.000-Einwohner-Stadt Norderstedt ist faktisch tot. Greenwheels, der niederländische Anbieter des stationsbasierten Car-Sharings, hat sich aus Norderstedt und ganz Deutschland zurückgezogen. Die sechs roten VW-Modelle sind seit September 2022 aus dem Stadtgebiet verschwunden.
Und Share-Now, der von Mercedes und BMW getragene deutschlandweit größte Anbieter von sogenanntem Free-floating Car-Sharing, hat zwar Norderstedt im Geschäftsgebiet. Doch das beschränkt sich auf wenige Straßen in Norderstedt-Mitte. Und wer ein Auto hier abstellen will, zahlt zusätzlich zum Mietpreis eine Abstellgebühr von 4,99 Euro. Für viele Nutzerinnen und Nutzer ist das wenig attraktiv. Es führt auch dazu, dass nur wenige Share-Now-Autos im Norderstedter Geschäftsgebiet zu haben sind.
Mobilität: Warum Car-Sharing in Norderstedt nicht läuft
Greenwheels startete 2010, bekam lange einen Zuschuss der Stadt, um wirtschaftlich betrieben werden zu können. Kam zuletzt allerdings laut Aussagen der Stadt bei einer Auslastung der Wagen zwischen 15 und 20 Prozent auch ohne Zuschuss zurecht.
Share Now (damals noch Car2Go) startete 2017 in Norderstedt – ohne Abstellgebühr. „Norderstedt gehört weiterhin zum Geschäftsgebiet und das soll auch so bleiben“, sagt Sprecher Patrick Dillenberger. Man habe lediglich auf die Kostenpflicht in den städtischen Parkgaragen und auf P+R-Parkplätzen reagiert. „Die P+R-Parkplätze haben wir am 1. September 2022 aus unserem Geschäftsgebiet ausgeschlossen. Den Kundinnen und Kunden stehen nach wie vor rund 200 Straßenparkplätze in unserem 400.000 Quadratmeter großen Geschäftsgebiet in Norderstedt zur Verfügung“, sagt Dillenberger.
In Bebauungsplänen wird Car-Sharing eingeplant. Aber wer soll es anbieten?
In der Mobilitätsstrategie der Stadtverwaltung Norderstedt spielte das Car-Sharing zuletzt immer eine wichtige Rolle. In allen neuen Bebauungsplänen etwa wird auf das Vorhandensein von Car-Sharing-Stellplätzen geachtet. Man setzt vornehmlich auf das Stationsbasierte Gemeinschaftsmodell. Also das Ausleihen von einem festen Standort, an den das Auto auch wieder zurückgebracht werden muss. Die Free-floating-Anbieter (Autos in einem Geschäftsgebiet leihen und beliebig wieder abstellen) machten – bis auf Share Now – bislang einen Bogen um die Stadt. Norderstedt sei zu klein und unlukrativ dafür.
Die Grünen in der Norderstedter Stadtvertretung sehen die Mobilitätswende in der Stadt als eines ihrer Kernziele. Entsprechend haben sie jetzt die Stadt mit einer Anfrage aufgefordert, eine Strategie vorzulegen, mit der ein neues Car-Sharing-Angebot in Norderstedt geschaffen werden könnte.
Grüne fordern den Einsatz von E-Autos nach dem Car-Sharing-Prinzip
„Durchschnittlich 23 Stunden am Tag stehen private PKW ungenutzt am Straßenrand, sind unproduktiv und kosten wertvollen Platz in Straßen, die gleichzeitig dem ÖPNV und dem PKW-, Rad- und Fußverkehr gerecht werden sollen“, sagt Ingrid Betzner-Lunding, Fraktionschefin der Grünen.
Wer aber auf ein Auto nicht ganz verzichten kann, soll Car-Sharing als Alternative angeboten bekommen. Noch dazu findet der Co-Vorsitzende Marc Muckelberg: „Ein neuer Anlauf für Norderstedt im Carsharing-Bereich sollte ausschließlich auf E-Autos setzen. Damit würde nicht nur für den Verkehr Entlastung geschaffen, sondern auch für die Umwelt. Dann hätten alle was vom Carsharing: die Nutzer geringere Kosten und die Stadt mehr Platz, weniger Verkehr und besseres Klima.“
Mobilität: Das „Bike-Sharing“ funktioniert viel besser in der Stadt
Was auf vier Rädern in Norderstedt nicht so richtig funktionieren will, klappt auf zwei Rädern mittlerweile immer besser: Das „Bike-Sharing“ ist in Norderstedt zur festen Größe im Mobilitäts-Mix geworden. Wie die Stadtverwaltung gerade im Verkehrsausschuss mitteilte, erzielte das Angebot des Anbieters Nextbike im Stadtgebiet 2022 einen neuen Ausleihrekord. 63.762 Ausleihen wurden im Stadtgebiet registriert. Das sind über 10.000 Ausleihen mehr als noch im Jahr davor.
Seit 2011 besteht das Nextbike-Angebot. Mittlerweile gibt es 19 Stationen, an denen die Leihräder abgeholt werden können. Außerdem mehrere sogenannte „Flexzonen“, in denen Räder beliebiger anderer Stationen abgestellt und wieder ausgeliehen werden können.
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Kontinuierlich entwickelten sich die Ausleihzahlen des Angebotes nach oben. Waren es 2014 gerade mal 2810 Ausleihen, so waren es 2020 schon 32.380. In den zurückliegenden „Corona-Jahren“ gut 20.000 weniger als im Vorjahr. Mit 1292 wurden die meisten Räder 2021 am ZOB in Norderstedt-Mitte ausgeliehen, am wenigsten in der „Strandkorbsiedlung“ in Harkshörn (77).