Norderstedt. In dem alten Reetdachhaus befand sich einst die Künstlerkneipe „Kuckucksei“. Was sich die Eigentümer vom neuen Betreiber wünschen.
Ein Haus, das eine ganz besondere Bedeutung für Norderstedt hat, soll neu vermietet werden. Es handelt sich um jenes alte Reetdachhaus, in dem sich zuletzt das beliebte Restaurant „Binnen un Buten“ und früher einmal die legendäre Künstlerkneipe „Kuckucksei“ befand. Derzeit steht das Gebäude leer – doch Hildegard und Bernhard Waack möchten unbedingt, dass wieder Leben in das Gebäude kommt.
Vieles erinnert noch an den Restaurantbetrieb, auf dem Grundstück an der Ulzburger Straße 476 A. Tische und Stühle stehen auf der Terrasse, ein Schild am Parkplatz heißt Gäste willkommen. Doch schon seit Ende Dezember ist hier der Herd aus – das beliebte „Binnen un Buten“, das sich seit 2010 in dem Reetdachhaus befand, gibt es nicht mehr.
Norderstedt: Binnen un Buten – Legendärer Ort sucht einen neuen Pächter
Der Norderstedter Gastronom Detlef Berg, dem auch der „Hof Immenhorst“ gehört, hatte es betrieben. Das „Binnen un Buten“ habe er schweren Herzens aufgeben müssen, obwohl die Geschäfte gut liefen, sagte Berg. Ein Hauptgrund war der Fachkräftemangel, hinzu kamen die hohen Energiepreise und auch die Corona-Pandemie.
Nun wird ein neuer Betreiber gesucht. Eigentümer der Immobilie ist mittlerweile Bernhard Waack, 58. Seine Mutter Hildegard Waack, 81, überschrieb ihm das Haus, ist aber weiterhin Nießbraucherin. Gemeinsam kümmern sie sich um die Neuvermietung des Gebäudes, das beiden so sehr am Herzen liegt: „Ich bin in dem Haus geboren und aufgewachsen, später habe ich auch mit meinem Ehemann und meinem Sohn hier gelebt“, erzählt Hildegard Waack.
Einer der Erfinder der Stadt Norderstedt lebte in dem Reetdachhaus
Das 415 Quadratmeter große Gebäude, laut Bernhard Waack „Anfang, Mitte des 19. Jahrhunderts“ erbaut, ist auch ein zentraler Ort für die Norderstedter Stadtgeschichte. Hildegard Waacks Vater, der Ingenieur Heinrich Lönnies, machte sich hier früh Gedanken über einen Zusammenschluss der Gemeinden Garstedt, Friedrichsgabe, Glashütte und Harksheide, die dann 1970 auch passierte.
Lönnies, ein umtriebiger, einflussreicher Mann, galt als einer der geistigen Väter der Stadt. In alten Zeitungsartikeln findet sich oft sein Name – und selten ohne den inoffiziellen Beinamen „Löwe von Norderstedt“. Heute ist eine Straße nach ihm benannt, zu finden in der Nähe des Arriba-Erlebnisbades. Auch die für Norderstedt prägende Baugenossenschaft Adlershorst hatte einst ihr Büro in Heinrich Lönnies’ Reetdachhaus an der Ulzburger Straße.
Theater, Musik, Kunst: Als das „Kuckucksei“ Leben in die Kulturszene brachte
Richtig bunt wurde es dort ab 1989, als Hildegard Waack beschloss, gemeinsam mit Freunden eine Künstlerkneipe in ihrem Geburtshaus zu betreiben. Der Name: „Kuckucksei“, vielen noch in bester Erinnerung. Der örtlichen Kulturszene wurde erstmals richtig Leben eingehaucht. Es gab Ausstellungen, Theaterabende und Konzerte, unter anderem die Blues-Größen Abi Wallenstein, Dixie Diercks, Lars Luis Linek und Tom Shaka waren regelmäßig zu hören.
„Die Leute kamen sogar aus Hamburg! Darauf bin ich heute noch stolz“, erzählt Hildegard Waack, die leuchtende Augen bekommt, wenn sie von den bewegten Jahren erzählt. Immer mit dabei: ihr Sohn Bernhard Waack, damals Student, aber auch Teil des Teams vom „Kuckucksei“ sowie Gitarrist und Keyboarder in der Hamburger Punkband „Razzia“.
Rajas Thiele-Stechemesser war einst Mitbetreiber der Künstlerkneipe
Der Sänger der Gruppe ist noch heute Rajas Thiele-Stechemesser, eine andere prägende Gestalt für Norderstedt. Er wurde vom Kellner zum Mitbetreiber vom „Kuckucksei“, später rief er viele Norderstedter Messen und Stadtfeste ins Leben.
Von 2006 bis 2020 war Thiele-Stechemesser Geschäftsführer der „TriBühne“ und der städtischen Gesellschaft Mehrzwecksäle Norderstedt (MeNo). Heute betreibt der 57-Jährige eine Strandbar in Eckernförde. Bernhard Waack, selbst nicht mehr Mitglied bei „Razzia“, ist heute Veranstaltungstechniker.
Im Jahr 2000 zerstörte ein Brand das Haus bis auf die Grundmauern
1998 endete die Geschichte vom „Kuckucksei“ – Hildegard Waack machte Schluss als Betreiberin. Andere Gastronomen zogen ein, die sich aber auf das Kulinarische beschränkten. Im Jahr 2000 dann der Schock: Ein Brand zerstörte das Haus bis auf die Grundmauern. Doch Hildegard Waack baute es wieder auf.
„So ein Feuer wie damals kann heute übrigens nicht mehr passieren“, versichert sie. Denn beim Wiederaufbau wurde eine Betonschicht unter dem Reet eingezogen. „Seitdem kann ich besser schlafen“, sagt Hildegard Waack.
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Nun, nach zwölf Jahren „Binnen un Buten“, wird jemand gesucht, der das nächste Kapitel aufschlägt. Eine Betreiberin oder einen Betreiber, der idealerweise Sinn für die Geschichte des Ortes hat, der auch schon vor dem Einzug der Familie Waack ein Leben hatte: „Ganz früher war das hier mal eine Pausenstation für Postkutschen“, sagt Bernhard Waack.
Wieder eine Künstlerkneipe in dem Haus? Die Waacks hätten nichts dagegen
Aus Sicht der beiden könnte wieder ein Gastronom einziehen, mit einem Konzept, das zum Ambiente des alten Hauses mit seinen hohen Decken und seinen Sprossenfenstern passt. Was das für ein Konzept sein könnte? „Na ja, ich fänd es gut, wenn man in diesem Haus auch mal ein Bauernfrühstück essen kann“, sagt Hildegard Waack.
Und was wäre mit einer neuen Kulturkneipe, im Geiste des „Kuckuckseis“? Die beiden Waacks würde es erst recht freuen. 5100 Euro Pacht werden monatlich für das Gebäude fällig, das nicht unter Denkmalschutz steht, zur Hälfte unterkellert ist und ein Obergeschoss hat. Wer Interesse hat, meldet sich bei Hildegard Waack per E-Mail:hwaack@gmx.de