Norderstedt. Jobs, die schon seit langer Zeit unbesetzt sind - wir stellen sie vor. Zum Beispiel: Elektroniker/in in Norderstedt.
Restaurants, die schließen müssen. Bäckereien, Arztpraxen und Geschäfte, die ihre Öffnungszeiten einschränken. Der Fachkräftemangel ist überall spürbar, auch in Norderstedt. Stellen, für die es früher viele Bewerber gab, bleiben heute monate- oder sogar jahrelang unbesetzt.
Welche sind diese Jobs, die offenbar niemand mehr machen möchte? In Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit haben wir Stellen in Unternehmen in der Region ausfindig gemacht, die nicht besetzt werden können. In einer Serie stellen wir sie vor.
Fachkräftemangel Norderstedt: Gute Jobs, die keiner will – Elektroniker bei Lüco Messebau
Heute sind wir zu Gast in dem Messebau-Unternehmen Lüco in Norderstedt. Die Firma gibt es schon seit 1924, seit 1990 ist sie ansässig im Gewerbegebiet, in direkter Nachbarschaft des Famila-Marktes. Das Unternehmen mit seinen 43 Angestellten konzipiert baut Messestände für Unternehmen aller Art, ist dafür unterwegs in ganz Europa – aktuell ist Lüco unter anderem mit dem Bau von Ständen für die Freizeit- und Reisemesse „oohh!“ in Hamburg beschäftigt.
Das sind nur einige der Leistungen des Familienunternehmens – nach der Corona-Pandemie brummt das Geschäft und man könnte deutlich mehr Aufträge annehmen. Aber das geht nicht. Der Grund ist der Fachkräftemangel. „Früher haben wir nie nein gesagt. Aber das tun wir jetzt“, sagt Jens Behnemann, Kaufmännischer Leiter des Unternehmens.
Die Firma sucht auch Tischler, Buchhalter und Lagerlogistiker
Ihm fehlen in vielen Bereichen die Leute: „Wir suchen eine Fachkraft für Lagerlogistik und einen Lohn- und Gehaltsbuchhalter. Außerdem Tischler, schon seit 2017.“ Besonders händeringend sucht er nach Elektronikern: „Früher hatten wir vier. Jetzt ist nur noch einer da, und der geht dieses Jahr in Rente.“ Die Stellen könnten einfach nicht besetzt werden – und das schon „seit zehn Jahren“, sagt Behnemann.
Elektroniker sind extrem wichtig für die Firma. Denn die Stände müssen mit Strom versorgt werden, das müssen Experten machen – manche Messen verlangen entsprechende Zertifikate von der Person, die für die Verkabelung verantwortlich zeichnet. Ein- bis zwei Elektroniker würde Behnemann deshalb sofort einstellen.
Dienstreisen können nach Paris, Barcelona oder Kopenhagen führen
Was die erwarten würde: „Man hat ein eigenes, großes Lager zu verwalten, mit Lampen, Leitungen, Starkstromkästen und mehr“, sagt Behnemann. Die Elektroniker müssen die Stände mitplanen, teilweise auch mit zur Messe reisen, um die Elektronik vor Ort einzubauen.
So eine Reise kann schon mal nach Kopenhagen, Paris, Barcelona oder Madrid führen, das ist allerdings eher die Ausnahme – der Haupt-Einsatzort ist der Unternehmenssitz in Norderstedt, Einsätze führen im Regelfall eher nach Hamburg oder Bremen.
Bezahlung: zwischen 2855 und 3600 Euro brutto für 37 Wochenstunden
Wenn nicht gerade die Übergabe eines Messestandes ansteht, verläuft der Job eher entspannt und geregelt, wie Behnemann schildert. 37 Wochenstunden sind in der Stelle vorgesehen, die übliche Arbeitszeit: Montag bis Donnerstag von 7 bis 16 Uhr, Freitag von 7 bis 12.30 Uhr.
Was kann man verdienen? Jens Behnemann betont, dass es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt – in Absprache mit diesem würde die Bezahlung für einen neuen Elektroniker-Gesellen, je nach Qualifikation und Vorerfahrung, zwischen 2855 und 3600 Euro brutto liegen. „Das ist ein Stundenlohn, der zwischen 17,43 Euro und 19,83 Euro liegt. Der Branchenschnitt liegt bei 14 bis 17 Euro“, sagt Jens Behnemann.
Er sagt auch, dass die Firma sehr viel Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie lege. Die Hierarchien seien sehr flach, jeder sei immer ansprechbar. Und dann ist da auch noch die betriebliche Zusatz-Krankenversicherung, die Lüco-Angestellte bekommen.
Konkurrenz von Firmen wie Airbus und Lufthansa um Jobs macht die Sache nicht einfacher
Indes: Die Resonanz auf Jobanzeigen ist „null“, wie Behnemann sagt. Woran liegt es aus seiner Sicht? Zum einen an der Konkurrenz: „Es ist für ein Unternehmen wie Lüco nicht so einfach, sich bemerkbar zu machen, wenn auch Airbus und Lufthansa Leute suchen“, sagt er.
Dann liege es auch ein bisschen am Job selbst, der nicht für jeden interessant sei. „Das ist ein sehr übersichtliches, einfaches Arbeiten“, sagt er. Aber der Job sei eben auch viel schonender für den Körper als etwa ein Elektriker-Job auf dem Bau.
Das Grundproblem sei aber struktureller Natur, so Behnemann. „Bei den Elektronikern fehlt schon lange der Nachwuchs. Jahr für Jahr werden zu wenige neue Kräfte ausgebildet“, sagt er. Die Anfänge dieses Trends habe man schon schon lange sehen können, aber in der Branche „verpennt“.
In Deutschland fehlt es an Offenheit gegenüber anderen Kulturen, bemängelt Behnemann
Er ist seit 2019 in der Firma, hat sich auf die Fahne geschrieben, das Problem Fachkräftemangel wirklich anzugehen. Dabei setzt er auch stark auf Inklusion und Integration von Menschen aus anderen Kulturen. Er hat unter anderem einen Schwerbehinderten-Arbeitsplatz in der Tischlerei eingerichtet, in anderen Bereichen sind Arbeitskräfte tätig, die etwa aus dem Iran oder aus Belarus stammen.
Offenheit gegenüber anderen Kulturen – das ist genau der Punkt, an dem es aus Behnemanns Sicht in Deutschland krankt. Und hier sieht er eine wesentliche Ursache dafür, dass so viele Stellen nicht besetzt werden können, quer durch alle Branchen und Regionen.
Dass voll integrierte Menschen mit Job abgeschoben werden, macht ihn wütend
„Menschen, die zu uns kommen und hier arbeiten wollen, müssen viel zu lange mit der Bürokratie kämpfen“, sagt er. Das Grundklima sei ablehnend – diese Erfahrung machten etwa Ausländer, die zu einer Behörde kommen. Und auch die Gesetze müssten sich ändern. Dass derzeit „voll integrierte Menschen, die hier einen Job haben“, abgeschoben werden, das macht ihn wütend.
Er sieht hier nicht nur ein Problem bei den Behörden, sondern in der ganzen Gesellschaft: „Wenn Flüchtlingsunterkünfte brennen, dann ist das das Bild, das wir von uns in die Welt schicken. Deutschland ist nicht die erste Wahl für gut ausgebildete Fachkräfte. Warum wohl? Weil Deutschland merkwürdig ist!“
Anstellung eines Mannes aus der Türkei scheiterte an langwieriger Anerkennung der Qualifikationen
Er wünscht sich eine bessere „Begrüßungskultur“ – und Gesetze, die die Zuwanderung von Fachkräften viel einfacher machen. Beispiele, dass diese bisher scheitert, kann er einige nennen. Hier nur eines: „Wegen der Stelle des Elektronikers habe ich mit einem Mann in der Türkei geskypt. Der wäre sogar überqualifiziert für den Job gewesen, aber hatte Lust, zu kommen.“ Dennoch sei nichts daraus geworden: „Das Verfahren, seine Qualifikationen anzuerkennen, hätte in Deutschland zwei Jahre gedauert.“
Erst einmal hilft man sich bei Lüco so weiter, dass der letzte Elektroniker im Unternehmen – ein Mann namens Jack Elkan, 65 Jahre alt – auch als Rentner noch ein bisschen weitermacht. Und zur Not müsse man eben mit selbstständigen, externen Elektrikern zusammenarbeiten.
Fachkräftemangel Norderstedt: Wie sich das Unternehmen jetzt behilft
Aber gut sei das natürlich nicht, denn so etwas limitiert die Einsatzmöglichkeiten. Und das spürt man schon jetzt: „Früher galt Lüco als Unternehmen, das alles kann. Jetzt begrenzen wir die Aufträge und die Umfänge von Aufträgen“, sagt Jens Behnemann.
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In unserer Serie über den Fachkräftemangel stellen wir in den kommenden Tagen und Wochen weitere unbesetzte Jobs in Norderstedt und in der Region vor. Die da wären: Garten- und Landschaftsbauer/in in Ellerau, IT-Fachinformatiker/in in Norderstedt und Konditor/in in Norderstedt.
Wer sich für die Stelle bei Lüco interessiert, nimmt unter Telefon 040/52 95 80 32 mit Jens Behnemann Kontakt auf, oder schreibt ihm eine Mail: j.behnemann@lueco.de