Kaltenkirchen. Jobs, die seit Monaten unbesetzt sind - wir stellen sie vor. Zum Beispiel: Physiotherapeut/in in Kaltenkirchen.
- Fachkräftemangel sorgt bei vielen Arbeitgebern für monatelange Engpässe beim Personal.
- Obwohl die Konditionen stimmen, finden sich keine Bewerberinnen und Bewerber.
- Besonders im ländlichen Raum fällt es Arbeitgebern zunehmend schwer, Leute zu finden.
Restaurants, die schließen müssen. Bäckereien, Arztpraxen und Geschäfte, die ihre Öffnungszeiten einschränken. Der Fachkräftemangel ist überall spürbar, auch in Norderstedt und Kaltenkirchen. Stellen, für die es früher viele Bewerber gab, bleiben heute monatelang unbesetzt – oder auch ganz.
Welche sind diese Jobs, die offenbar niemand mehr machen möchte? In Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit haben wir sechs Stellen in Unternehmen in der Region ausfindig gemacht, die nicht besetzt werden können. In einer Serie stellen wir sie vor.
Fachkräftemangel: Gute Jobs, die keiner will – Physiotherapeut in Kaltenkirchen
Heute besuchen wir die Massage- und Krankengymnastikpraxis Burkert in Kaltenkirchen, gelegen gegenüber dem Einkaufszentrum Ohland-Park. Inhaber Klaus-Dieter Burkert, selbst Masseur und medizinischer Bademeister, gründete die Praxis vor 41 Jahren.
Menschen mit Knie- und Rückenproblemen lassen sich hier behandeln, Patienten, die gerade eine Operation hinter sich haben, auch Personen mit chronischen körperlichen oder psychischen Problemen – manche kommen seit Jahrzehnten hierher.
Die Stelle ist seit einem Dreivierteljahr vakant
„Ich mache den Job, weil ich Menschen gerne helfe“, sagt Burkert, der 72 Jahre alt ist und nicht ans Aufhören denkt. Helfen, das tut er zusammen mit seinen vier Angestellten – das sind zwei Physiotherapeuten und zwei Hilfskräfte.
Burkert und sein Team würden gerne noch mehr Menschen helfen – doch dafür bräuchten sie Verstärkung durch eine zusätzliche Physiotherapeutin oder einen Physiotherapeuten. Die Stelle ist seit einem Dreivierteljahr ausgeschrieben – kann aber nicht besetzt werden.
Chef schrieb 20 Leute an, zwei meldeten sich – und kamen dann doch nicht
„Ich habe 7000 Euro ausgegeben, nur für Anzeigen und Arbeitsvermittlung. Aber es hat nichts geholfen“, sagt Klaus-Dieter Burkert. Über das Arbeitsamt habe er auch Physiotherapeuten kontaktiert. „Ich habe 20 Leute angeschrieben. Zwei hatten sich gemeldet. Aber die sind dann doch nicht gekommen“, so Burkert.
Dass es deutschlandweit zu wenige Physiotherapeuten gibt, ist in der Branche und der Politik bekannt. Es wurden auch Schritte unternommen, um gegenzusteuern. So wird die dreijährige Ausbildung mittlerweile von den meisten Bundesländern bezahlt. Wer früher eine Physiotherapeutenschule besuchte, musste früher rund 400 Euro im Monat zahlen. Seit 2019 übernimmt das das Land Schleswig-Holstein.
Schulgeld für angehende Therapeuten wurde 2019 gestrichen – Burkert half es nicht
„Eigentlich müsste uns das helfen“, sagt Klaus-Dieter Burkert. Doch bisher ist kein Effekt spürbar. Auf der Suche nach jungen Nachwuchskräften hat er auch Schulen direkt angeschrieben. Denn die letzten sechs Monate der Ausbildung arbeiten die Jobanfänger bereits in einer Praxis. „Wir haben an Schulen geworben für den Job bei uns. Aber da ist leider nichts gekommen“, sagt Klaus-Dieter Burkert.
Er führt das auch darauf zurück, dass sich seine Praxis in Kaltenkirchen befindet, „halt auf dem Land“, wie er sagt. Junge Physiotherapeuten könnten sich eben ihre Stellen heutzutage aussuchen. Und da ziehe es eben viele in die Großstadt. Außerdem sei die Konkurrenz größer als früher – auch in Kaltenkirchen. „Als ich 1981 anfing, gab es drei Praxen. Heute sind es 15.“
Weiterer Grund für Fachkräftemangel: Job kann belastend sein
Ein weiterer Grund für den Fachkräftemangel: Der Job des Physiotherapeuten kann belastend sein, und körperlich anstrengend. „Drei Mitarbeiter, die ich im Laufe der Jahre hatte, sind wegen Burn-out ausgestiegen“, sagt Klaus-Dieter Burkert. Es gebe Physiotherapeuten, die komplett die Branche wechseln.
Was so fordernd in dem Beruf ist, beschreibt Klaus-Dieter Burkert so: „Man muss flexibel sein, sich auf verschiedene Krankheitsbilder einstellen.“ Der Arbeitsalltag in einem Krankenhaus sei allerdings „ein bisschen ruhiger“, die Abläufe seien andere als in Praxen, deshalb seien die Jobs in Kliniken sehr beliebt.
Vorzug der Arbeit in der Praxis: Engere Bindung zu den Patienten
Für Burkert ist es allerdings gerade diese Flexibilität, die seinen Job interessant mache. „Jeder Patient ist anders und soll die optimale Behandlung bekommen“, sagt er. Und die Arbeit in einer Praxis biete auch viele Vorzüge gegenüber dem Job in einer Klinik. „Man kann über längere Zeiträume mit Patienten arbeiten. Und man arbeitet in kleineren Teams. In der Praxis ist man nicht nur einer unter vielen“, sagt Burkert.
Das sei auch ein Vorzug, den er einem neuen Mitarbeiter bieten könne: „Wir sind hier ein nettes, sehr familiäres Team.“ Ein weiterer Vorzug: Um die Vorbereitung und Reinigung der Therapieräume kümmere sich eine Hilfskraft. „Außerdem haben wir eine großzügige 30-Minuten-Taktung der Behandlungen.“
Verdienst für Vollzeitstelle: „Zwischen 2800 und 3000 Euro, je nach Vorausbildung“
Gearbeitet wird in der Praxis von 8 bis 12 und von 14 bis 18 Uhr. Burkert sucht eine 40-Stunden-Kraft, wäre aber flexibel, falls jemand in Teilzeit arbeiten möchte. Der Verdienst für eine Vollzeitstelle würde „zwischen 2800 und 3000 Euro“ liegen, „je nach Vorausbildung“.
Ein Quereinstieg wie in anderen Branchen ist bei den Physiotherapeuten kaum möglich. Grundvoraussetzung ist die dreijährige Ausbildung, danach bilden sich die Therapeuten in vielen Lehrgängen weiter.
Burkerts Werdegang: Zuerst Kaufmann und Marinesoldat – dann Masseur
Aber es komme durchaus vor, dass Menschen, die zuerst einen ganz anderen Job hatten, plötzlich Physiotherapeut werden wollen – so war es auch bei Burkert selbst. Er war nämlich zuerst Kaufmann und dann Marinesoldat. Während dieser seit entdeckte er eher zufällig seine Liebe für den heutigen Beruf.
„Ich war als Soldat wegen einer Verletzung am Sprunggelenk im Krankenhaus“, erzählt Burkert. Eine Krankenschwester, die dann auch seine Freundin wurde, habe ihm gesagt, er „massiere besser als die Masseure im Krankenhaus“, sagt Burkert und lacht.
Nach seiner Marinezeit konnte er sich nicht mehr vorstellen, in einem Büro zu arbeiten. Und so machte er dann eine Umschulung und viele weitere, spezielle Lehrgänge. Bereut hat er das nicht: „Dieser Job, der kann wirklich Spaß machen!“, sagt er.
Fachkräftemangel Kaltenkirchen: Was es für die Patienten bedeutet, dass eine Kraft fehlt
Doch bis auf Weiteres müssen er und sein Team nun ohne Verstärkung weitermachen. Was das für Patienten bedeutet, schildet Burkert so: „Wir haben Wartezeiten bis zu 14 Tage, bis wir Therapien annehmen können. Das ist für viele bitter. Denn die haben nicht erst in 14 Tagen Schmerzen.“
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Mit einer fünften Person könnte sein Team auch „viel mehr Hausbesuche“ machen, sagt Burkert. Bei manchen Patienten sei das absolut notwendig: „Die sind krank zu Hause, die können nicht allein herlaufen.“
Wer sich für den Job interessiert, kontaktiert die Massage- und Krankengymnastikpraxis Burkert, Kisdorfer Weg 22 in Kaltenkirchen, unter Telefon 04191/4501 oder per E-Mail an masseur-burkert@t-online.de
Norderstedt: Vier weitere gute Jobs, die derzeit keiner machen will
In unserer Serie über den Fachkräftemangel stellen wir in den kommenden Tagen und Wochen weitere unbesetzte Jobs in Norderstedt und in der Region vor. Die da wären: Elektriker/in in Norderstedt, Garten- und Landschaftsbauer/in in Ellerau, der IT-Fachinformatiker/in in Norderstedt und Konditor/in in Norderstedt.