Bad Bramstedt. Verein Kiwebu schafft in dem Haus 42 Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen. Welche Produkte der Laden anbieten wird.
Noch ist es ziemlich kalt in dem früheren Postgebäude am Landweg in Bad Bramstedt. Die Heizungen sind nicht aufgedreht, die Fenster nicht perfekt isoliert. Die Filiale hat bereits vor 13 Jahren geschlossen. Seitdem standen die Räume leer. Doch nun kehrt wieder Leben ein: Der Verein Kiwebu, was die Abkürzung für Kinder Werkstatt Bund ist, hat die alte Post angemietet.
Seit einem halben Jahr arbeiten Jonas Hövermann und sein Vater Holger, der den Verein 2007 gegründet hat, hart an ihrer Vision: Sie wollen 42 Menschen mit einer Behinderung einen Arbeitsplatz geben. Dafür bauen sie gerade die 540 Quadratmeter große Fläche komplett um.
Im Eingangsbereich soll ein kleines Geschäft entstehen. Hier sollen die beeinträchtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regionale Produkte verkaufen, etwa Obst und Gemüse. Außerdem werden sie Kunden beraten, Ware einsortieren und scannen. Ein paar Holzregale sind schon aufgebaut.
Bad Bramstedt: Neues Leben in der alten Post – Bald öffnet ein Regionalladen
„Für das Selbstwertgefühl der Menschen ist Arbeit ganz wichtig. Sie definieren sich sehr stark darüber und fühlen sich als Teil der Gesellschaft, wenn sie morgens wie alle anderen zur Arbeit gehen“, sagt Jonas Hövermann, der ebenso wie sein Vater Vorsitzender des Vereins Kiwebu ist.
Ein weiterer Bereich, in dem die Beschäftigten arbeiten sollen, ist der Garten- und Landschaftsbau. Zu Kiwebu gehört der Barfußpfad in Todesfelde. Ursprünglich hat Holger Hövermann ihn gegründet, um die Sinneseindrücke von Menschen mit Behinderung zu schärfen. Inzwischen ist er für alle zugänglich und ein beliebtes Ausflugsziel von Schulklassen.
Hier können beeinträchtigte Menschen in einem großen Garten arbeiten und die geernteten Produkte wiederum im Laden in Bad Bramstedt verkaufen. „Auf diese Weise lernen sie gleich die verschiedenen Kreisläufe kennen“, sagt Holger Hövermann.
Neue Arbeitsplätze: Umbau wird komplett mit eigenen Mitteln und Spenden finanziert
Ein dritter Arbeitsbereich ist die Gastronomie. In einer Küche, die sich ebenfalls in dem alten Postgebäude in Bad Bramstedt befindet, soll künftig gekocht werden. Ein Restaurant oder ähnliches wird es in dem Gebäude aber nicht geben – vielmehr sollen in der Küche unter anderem Soßen vorbereitet werden, die dann am Barfußpark in Todesfelde verwendet werden können.
Allerdings stehen bisher noch keinerlei Küchengeräte in dem Raum. „Noch fehlt uns das Geld, um sie zu kaufen und aufzubauen“, sagt Betriebswirt Jonas Hövermann.
Den Umbau der alten Post finanziert der Verein komplett aus eigenen Mitteln und Spenden. Der Gewinn, der mit dem Barfußpfad erwirtschaftet wird, fließt direkt in den Aufbau der Arbeitsstätte. Bisher hat das Projekt 150.000 Euro verschlungen. „Am Ende landen wir bestimmt bei der doppelten Summe“, meint der 25-Jährige.
Doch das Projekt ist dem Verein jeden Cent wert. „Es ist für alle Seiten ein Gewinn. Die Lebensfreude der Menschen macht es einfach unglaublich schön. Man kommt jeden Tag gerne zur Arbeit“, sagt Jonas Hövermann. Für den Vereinsvorsitzenden ist ein Mensch mit Beeinträchtigung das normalste der Welt.
Seine Eltern haben vor 20 Jahren ein Pflegekind in ihrer Familie aufgenommen. Seine Schwester Sarah. Damals war sie acht Jahre alt. „Wir haben drei Kinder. Jonas war ein Nachzügler. Wir wollten nicht, dass er als Einzelkind aufwächst“, berichtet der 68 Jahre alte Holger Hövermann. Dass Sarah eine geistige Behinderung hat, ist erst durch Zufall herausgekommen.
Wie sich Konzept von Werkstätten für Menschen mit Behinderung unterscheidet
Zum 1. Januar dieses Jahres ist das neue Arbeitsprojekt gestartet. Sechs Mitarbeiter, unter anderem Pädagogen, waren schon vorher für den Verein tätig. Nun sind zwei Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung hinzugekommen. Bis Ende des Jahres sollen es zwölf werden. „Falls es doch schon mehr werden sollten, freuen wir uns“, sagt Jonas Hövermann.
Das Konzept erinnert an Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Der entscheidende Unterschied sei allerdings die Größe, wie Hövermann erklärt. Werkstätten müssten 120 Arbeitsplätze vorhalten. Das könne Kiwebu nicht leisten. „Dafür haben wir mehr Betreuer pro Person und können individueller auf die Bedürfnisse eingehen“, sagt Hövermann.
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Anders als Werkstätten ist der Verein nicht verpflichtet, jeden Bewerber anzunehmen. „Wir führen Bewerbungsgespräche und gucken dann, ob der Mensch zu unserem Team passt.“ Ob er eine körperliche, geistige oder psychische Behinderung hat, spielt dabei keine Rolle. Das Bundesteilhabegesetz macht es seit 2018 möglich, dass Menschen mit Handicap sich ihren Arbeitsplatz selbst aussuchen dürfen.
Bad Bramstedt: Kreis Segeberg zahlt Beschäftigten ein kleines Gehalt
Ein kleines Gehalt wird von der Eingliederungshilfe des Kreises Segeberg gezahlt. Hinzu kommt eine freiwillige Zulage des Vereins aus den Einnahmen des Ladenverkaufs und der Gartenarbeit. Das Problem: Steigt das Gehalt, erhält der Mensch mit Behinderung weniger Sozialleistungen. Im Grunde genommen verpufft also der gezahlte Bonus. Über diese Tatsache schütteln auch die Hövermanns mit den Köpfen. Aber: „Wir sind leider an die Gesetze gebunden“, bedauern sie.
Jonas und Holger Hövermanns Ziel ist es, so viele beeinträchtigte Menschen wie möglich auf den ersten Arbeitsmarkt zu führen. Denn sie wissen, was für eine große Bedeutung Arbeit in ihrem Leben hat. Deswegen geben sie alles, um die alte Post so schnell wie möglich umzubauen.