Wiemersdorf. Vor 25 Jahren gründete Ingenieur Hans-Günther Lüth den ersten Bürgerwindpark in Wiemersdorf. Welche Projekte er noch plant.
Er gehört zu den Windpark-Pionieren der ersten Stunde in Schleswig-Holstein. Vor 25 Jahren gründete der Agrar- und Maschinenbauingenieur Hans-Günther Lüth mit 50 gleichgesinnten Beteiligten den ersten Bürgerwindpark in dem knapp 1600 Einwohner zählenden Wiemersdorf bei Bad Barmstedt.
Die ersten sechs Windmühlen sind im Jahr 2001 ans Netz gegangen. Diese werden demnächst durch größere Anlagen ersetzt, die dann die vierfache Menge an Strom erzeugen werden. Mitte Oktober ist dem Bürgerwindpark vom Umweltministerium die Genehmigung zum sogenannten Repowering ihrer Pilotanlage erteilt worden, freut sich der Geschäftsführer und Mitbegründer des Wiemersdorfer Bürgerwindparks.
Windkraft: Millionen investiert – Bürger liefern Strom für 30.000 Häuser
Weitere Anlagen folgten, und heute sind es bereits 22 bis zu 150 Meter hohe Windräder, die sich zwischen Wiemersdorf und Großenaspe nahe der A 7 drehen und zusammen 100 Millionen Kilowattstunden Windstrom erzeugen.
Auf einer Fläche, die drei Dutzend Landwirten gehört. Damit ließe sich eine mittelgroße Stadt mit rund 30.000 Haushalten versorgen. Das ist einerseits eine rasante Entwicklung, die diese dezentrale Energieerzeugung aus dem jederzeit erneuerbaren Rohstoff Wind in den vergangenen 30 Jahren genommen hat.
Energiewende: Es musste sehr viel Überzeugungsarbeit geleistet werden
Es seien aber auch viel Überzeugungsarbeit für diese Energiewende und ein langer Atem zum Durchhalten notwendig gewesen, um die Widerstände und immer noch aufgebauten Hürden zu überwinden, sagt der leidenschaftliche Windmüller aus Wiemersdorf. Mit seinem Ingenieurbüro berät er längst andere Windparkbetreiber, projektiert bundesweit Fotovoltaikanlagen und ist Vorsitzender des Regionalverbandes des Bundesverbandes Windenergie (BWE), der die Bürgerwindparks in den Kreisen Segeberg, Pinneberg und Steinburg vertritt.
Angefangen hatte sein Engagement für die Windkraft Mitte der 1990er-Jahre, erzählt Lüth. In Nordfriesland hatten sich die ersten Bürgerwindparks gegründet. Und die Landwirtschaftskammer unterstützte diese Projekte.
Windenergie: 100 Anleger aus der Region investierten 43 Millionen Euro
So bildete sich auch in dem kleinen Wiemersdorf eine Gruppe von einem Dutzend Landwirten – darunter Lüths Vater, der damals auch Bürgermeister war –, die auf ihren Feldern Windstromanlagen betreiben wollte. 20 Millionen Mark investierte dann der Wiemersdorfer Bürgerwindpark in seine ersten sechs Mühlen, die etwa 100 Meter hoch in die Luft ragten und 15 Millionen kwh Strom im Jahr erzeugten, erinnert sich Lüth. Vier Millionen Mark Eigenkapital hatten die 50 Kommanditisten zusammen aufgebracht.
2004 folgten bereits die nächsten drei Windkraftanlagen und 2010 mit einer zweiten Gesellschaft nochmals sieben Windräder. Dafür investierten etwa 100 Anleger aus Wiemersdorf, den umliegenden Gemeinden sowie aus Bad Bramstedt und Neumünster jetzt 43 Millionen Euro bei einem Eigenkapital von fünf Millionen Euro.
Klimaschutz: Jährliche Dividende von bis zu zehn Prozent
Die Windstromausbeute der beiden Bürgerwindparks lag inzwischen bei 65 Millionen kwh im Jahr. Die Investition rentierte sich nicht nur für den nachhaltigen Klimaschutz. Die sechs Millionen Euro Umsatz im Jahr trugen die Wartung und Reparatur der Anlagen sowie die Kosten für Verwaltung, Versicherung und die Kredite bei den Banken. „Wir konnten sogar jedes Jahr eine Dividende an die Kapitalanleger von sieben bis zehn Prozent ausschütten“, erklärt Lüth.
Doch dann stockte der Ausbau. Im Jahr 2014 beantragte der Bürgerwindpark Wiemersdorf-Großenaspe, weitere acht Anlagen zu bauen. Nun meldete sich plötzlich der Deutsche Wetterdienst (DWD), der in Boostedt einen Radarturm für seine Wettermessungen betreibt. Diese würden negativ beeinflusst, wenn die 150 Meter hohen Windräder in Großenaspe errichtet würden, lautete der Einspruch des DWD.
Energiewende: Windpark-Pionier ist von grünen Umweltministern enttäuscht
„Leider folgte die Genehmigungsbehörde blind dieser Argumentation“, erklärt Lüth. Der Bau verzögerte sich über Jahre. Der Bürgerwindpark musste erst vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig sein Recht erstreiten, was im Jahr 2020 endlich für sechs neue Windkraftanlagen gelang. Die Prognosen zu möglichen Unwetterlagen würden auf den dreidimensionalen Radarbildern durch die Windräder überhaupt nicht beeinträchtigt, entschied das Gericht aufgrund von Gutachten, die dies zweifelsfrei bestätigten, wie Lüth berichtet.
Diese unnötige Verzögerungstaktik und Blockadehaltung der Behörden in Kiel warf die Energiewende nicht nur in Wiemersdorf und Umgebung weit zurück. Allein ihre lange nicht gebauten Anlagen hätten 150.000 Tonnen CO2 einsparen können, ärgert sich Lüth.
Ingenieur Lüth: „Mich wundert oft die Doppelzüngigkeit der Politiker“
Das seit Jahren von grünen Umweltministern geführte Umweltministerium habe sich dabei oft als Bremser dieser Entwicklung entpuppt. „Mich wundert oft die Doppelzüngigkeit der Politiker“, sagt Lüth. Einerseits forderten sie, den Ausbau der erneuerbaren Energieträger zu forcieren. „Im täglichen Handeln tun sie das Gegenteil“, sagt Lüth. „Da werden Hürden aufgebaut, die überhaupt nicht notwendig wären.“ Ihm fehle an entscheidenden Stellen in Verwaltung und Politik immer noch die nötige Einsicht, dass nur der massive Ausbau der erneuerbaren Energiequellen die Energiewende auslösen und den Klimawandel aufhalten könnte.
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Aber Lüth und seine Mitstreiter in den Bürgerwindparks Wiemersdorf lassen sich davon nicht beirren. Ihr leidenschaftlicher Einsatz für die Energiewende geht weiter. „Kohle, Gas und Öl sind Auslaufmodelle“, sagt Lüth. „Wir müssen unseren Teil dazu beitragen, dass das Klima gerettet wird“, fordert er.
Windkraft: Schwerlastverkehr auf klimaschonenden Elektrobetrieb umstellen
Bis 2024 würden jetzt die Ersatzanlagen zum Repowering der ersten sechs Windräder errichtet. Und die Windenergie-Pioniere denken längst weiter und planen, mit Wasserstoff-Elektrolyse eine Stromspeicheranlage direkt an ihrem Windpark zu installieren, die dann wiederum Stromtankstellen in Schleswig-Holstein beliefern soll. Auf diese Weise könnte auch der Schwerlastverkehr auf klimaschonenden Elektrobetrieb umgestellt werden, so der Plan der unermüdlichen Windkraftpioniere im Windstromland Nummer eins. Zehn Millionen Euro wollen sie in das Speicherprojekt investieren.
Lüth sagt: „Wir denken die Energiewende ganzheitlich und geben nichts in fremde Hand.“ Trotz allem – „es hat so viel Spaß gemacht.“ Sein Auto fährt natürlich auch nur mit Sonne und Wind.