Kaltenkirchen. Hotelgäste bekommen trotz geschlossener Küche Weihnachtsbüffet. Was der Chef der Lebensmittelkontrolleure zum Fall sagt.
Nach der Schließung von Küche und Restaurant im Vier-Sterne-Hotel Dreiklang Kaltenkirchen fragen sich viele Bürger: Werden Gaststätten genug kontrolliert? Kommen die Kontrolleure unangemeldet? Sind schwere Verstöße gegen Hygienevorschriften eher die Ausnahme oder die Regel?
Konkret zum Fall des Kaltenkirchener Hotels will sich die Kreisverwaltung in Bad Segeberg nicht äußern, weil es sich um ein laufendes Straf- und Verwaltungsverfahren handelt. Wie berichtet, hatten Experten der Segeberger Lebensmittelüberwachung und des Kaltenkirchener Ordnungsamtes gravierende Verstöße gegen das Lebensmittel- und Arbeitsrecht im Hotel festgestellt. Dabei wurde nach Abendblatt-Information Schimmel entdeckt und Fleisch, das in Verwesung übergegangen war.
Dreiklang Kaltenkirchen: ein besonders krasser Fall
Fest steht: Ein solch krasser Fall ist die Ausnahme und kommt statistisch im Kreis Segeberg nur einmal pro Jahr vor. Und auch die Umstände sind ungewöhnlich: Die Behörden hatten die Küchen versiegelt, nachdem dort trotz behördlicher Auflagen weiter gekocht wurde.
90 Prozent aller Gaststätten im Kreis Segeberg werden einmal pro Jahr überprüft, sagt der Leitende Veterinär der Kreisverwaltung, Markus Overhoff. Die Kontrolleure gehen fast immer in die Betriebe, ohne sich vorher anzumelden.
„Die Nachkontrollen sind ein sehr effektives Mittel“
Dabei stellen die Lebensmittelexperten in 62 bis 68 Prozent aller Betriebe Mängel fest. „Das ist eine ganze Menge“, sagt Overhoff. Das müssen jedoch keine gravierenden Verstöße wie Schimmel und Verwesung sein, auch ein falscher Hinweis in der Speisekarte auf Zusatzstoffe oder Allergene werden als Mangel festgehalten.
Bei 30 Prozent der Gaststätten komme es dann zu Nachkontrollen – wie im Fall des Hotels Dreiklang. Die Kontrolleure gehen erneut in den Betrieb, um festzustellen, ob die Mängel behoben sind. „Die Nachkontrollen sind ein sehr effektives Mittel“, so Overhoff. „Der Gastronom darf sich nicht in Sicherheit wiegen, wenn wir einen Verstoß festgestellt haben.“
Dreiklang Kaltenkirchen: Zustand der Küche war „extrem desolat“
So geschah es auch in Kaltenkirchen. Im Dreiklang mussten die Kontrolleure mehrfach eingreifen: Das Ordnungsamt und die Lebensmittelüberwachung hatten die Küche nach Hinweisen aus dem Betrieb am 18. Oktober unangekündigt kontrolliert und dabei zahlreiche Missstände entdeckt. Hotelier Uwe Heymann sagte zu, die Mängel zu beheben.
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Bei einer Nachkontrolle am 17. November stellten die Prüfer fest, dass die Hygienemängel immer noch bestanden. Daraufhin entzog die Ordnungsbehörde Heymann die Gaststättenerlaubnis. Bei einer dritten Überprüfung am 6. Dezember sahen Kontrolleure, dass der Betrieb fortgesetzt worden war. Daraufhin versiegelte die Ordnungsbehörde die Türen. Bürgermeister Hanno Krause sprach von einem „extrem desolaten Zustand“ der Küchen.
Dreiklang-Weihnachtsgans trotz fehlender Gaststättenerlaubnis geliefert?
Heymann versorgt seine Hotelgäste weiter und nutzt dafür die Küche seines anderen Hotels in Ascheberg am Plöner See. Gäste berichten von einem Weihnachtsbuffet in Kaltenkirchen. Wie die Speisen trotz geschlossener Küche erwärmt und angerichtet werden, ist unklar. Auch dazu äußern sich die Behörden in Bad Segeberg und Kaltenkirchen wegen des laufenden Verfahrens nicht.
Ebenso offen ist, warum das Hotel auch nach der Schließung der Küchen Gänsebraten und andere Gerichte per Lieferservice an Kunden in ganz Deutschland verschicken konnte. Ein Leser berichtete dem Abendblatt, seine Frau sei seit dem Essen der gelieferten Gans aus dem Dreiklang krank.
Das Dreiklang darf nur Gäste bewirten, die im Hotel übernachten. Weil die Gaststättenerlaubnis nicht vorliegt, dürfen keine anderen Besucher ins Restaurant gehen. Um die Lizenz zurückzuerhalten, soll seine Restaurantleiterin sie beantragen.
Dreiklang Kaltenkirchen: "Das Kind ist in den Brunnen gefallen"
Die Überprüfung der 300 Gaststätten im Kreisgebiet macht nur drei Prozent der Arbeit der Segeberger Kontrolleure aus. Insgesamt überwacht die Behörde 8000 Betriebe, dazu zählen auch Supermärkte und Bäckereien, Tattoostudios und Lebensmittelhersteller. Zu Overhoffs Team gehören acht hoch spezialisierte Lebensmittelkontrolleure.
Sie entnehmen pro Jahr etwa 850 bis 1000 Lebensmittelproben, um festzustellen, ob eine Gefahr für die Verbraucher vorliegt. Dabei kann es sich um Untersuchungen wegen des Verdachts auf Schimmel oder verdorbenes Fleisch handeln oder aber um den zu hohen Anteil von Weichmachern in Beißringen für Babys. Seine Behörde sei personell gut aufgestellt, sagt Overhoff. Dennoch hält er mehr Kontrollen für wünschenswert.
Heymann hatte die Versäumnisse eingeräumt und gesagt: „Das Kind ist in den Brunnen gefallen.“ Der Betrieb sei jedoch nicht gefährdet und wirtschaftlich gesund.