Hamburg/Norderstedt. Kein alltäglicher Auftrag für Elektro Alster Nord. So akribisch musste die Arbeit an der Viermast-Stahlbark geplant werden.

Welch ein Schiff! Jedes mal aufs Neue ist der Gedanke sofort da, wenn man hinter dem Schuppen 50 am Bremer Kai steht und auf die „Peking“ blickt. Still und erhaben liegt sie da im Hansahafen.

Am besten ist es, abends zu kommen. Wenn sich die Dunkelheit über den Hamburger Hafen legt und alles, was den Blick nur stört, verschluckt. Dann gehen auf der „Peking“ die Leuchten an. Und die Viermastbark wird zur lichtdurchwirkten Bühne maritimer Träume.

Hafen Hamburg: Norderstedter Firma lässt "Peking" erstrahlen

Das Rigg der „Peking“, mit seinen vier Masten und 18 Rahen, die vielen Details an Deck, der Rumpf – sie sind die Hauptdarsteller in dieser Aufführung, die sich für den Betrachter vor dem geistigen Auge abspielt. Das Licht weckt die Vorstellungskraft. Man blickt auf die beeindruckenden Masten, stellt sich vor, wie sie unter voller Besegelung den urgewaltigen Kräften der See um Kap Hoorn trotzten, wie der Wind in den Wanten heulte, wie die Wellen am Rumpf brachen und die Gischt über Deck schoss.

Alles vorbei. Geschichte. Die „Peking“ hat ihre Zeit auf hoher See gehabt. Der Hamborger Veermaster segelte nach seinem Bau 1911 bei Blohm+Voss bis 1932 für die Reederei F. Laeisz als „Flying P-Liner“ zwischen Hamburg und Chile über die Weltmeere und brachte in seinen mächtigen Frachträumen Salpeter für Industrie und Landwirtschaft nach Deutschland.

„Peking“ ist ein Stück Hamburger Seefahrtsgeschichte

Dann diente sie ganz profan als schwimmendes Jungeninternat im englischen Upnor, am Fluss Medway. Und schließlich lag sie seit 1974 als Attraktion an der Pier vom Southstreet Seaport Museum in New York, wo sie zusehens verfiel.

Ein Stück Seefahrtsgeschichte, ein maritimes Vermächtnis der Hansestadt liegt da also jetzt im Hansahafen. Und wenn man als Norderstedter Mittelständler so eine Perle plötzlich als Auftrag bekommt, wenn man die komplette Ausleuchtung der Viermastbark übernehmen soll und Teil wird des Teams, das die „Peking“ in den vergangenen Jahren wieder zum stolzen P-Liner sanierte, dann könnte man schon mal etwas nervös werden.

Elektro Alster Nord hat auch schon den Altar der Petrikirche ausgeleuchtet

Aber Henning Schurbohm, Inhaber von Elektro Alter Nord (EAN) in Norderstedt, ruhte in sich selbst. Weil er sein Elektrohandwerk versteht, nicht zum ersten Mal Historisches in Szene setzte und weil er Sascha Maletzki hatte, seinen Projektleiter. Ehemaliger Marinesoldat, also schiffsaffin und ein Meister des Lichts und seiner Montage.

„Klar, das war schon ein bedeutender Auftrag für uns“, sagt Schurbohm. Gemeinsam mit dem Leuchtenhersteller ERCO hatte sich EAN um den Auftrag beworben. „Und mit den Leuten von ERCO haben wir schon einige Projekte gemacht – etwa die Ausleuchtung des Altars in der Hamburger Petrikirche oder Projekte in Hamburger Museen.“

Aber die „Peking“ war besonders. „Als ich erlebte, wie sie am 7. September von der Peters Werft in Wewelsfleth in den Hamburger Hafen überführt wurde und ich sah, wie groß die Begeisterung bei den Menschen war, da wurde mir erst die Tragweite bewusst, die dieser Auftrag hatte“, sagt Schurbohm.

Jury: Norderstedter Team war nicht zu schlagen

Es ist nicht alltäglich, Teil der Geschichte einer Hamburgensie zu werden. Und dann auch noch ein ausgezeichneter davon. Sascha Maletzki steht an diesem Abend nämlich auf der Gangway zur „Peking“ auf dem Bremer Kai und hält einen acrylgewordenen Lichtstrahl in Händen. Es ist der Lichtpreis 2022 im Bereich „Kultur“ des Norddeutschen Fachverbandes Elektro- und Informationstechnik (NFE) mit Sitz in Hamburg.

Eine Jury aus Fachplanern, Architekten, Fachjournalisten und Branchenkennern bewerten dafür Lichtprojekte aus ganz Norddeutschland. Und aus deren Sicht waren da das Norderstedter Team und das Projekt „Peking“ nicht zu schlagen. „Macht einen schon stolz, wenn man hier vor der ,Peking’ steht mit dem Preis und sagen kann: Wir haben das gemacht“, sagt Maletzki.

"Peking" ist das Leitobjekt des Deutschen Hafenmuseums

Und zwar mit Akribie und viel Vorbereitung. Bevor auch nur eine Leuchte an Bord der „Peking“ montiert wurde, stand die etwa einjährige Planungsphase an. Wie soll das Schiff in Szene gesetzt werden? Wo müssen die Leuchten montiert werden und was sollen sie beleuchten und in welchem Winkel? Schließlich will man ein blendendes Ergebnis – und keine geblendeten Besucherinnen und Besucher an Deck.

Die Idee war es, mit dem Licht das historische Erscheinungsbild des Schiffes hervorzuheben, die Hauptfarben der „Peking“ aufzugreifen – schwarz, weiß, gelb und braun – und sie so in altem Glanz als ehrwürdigen Veermaster und Leitobjekt des Deutschen Hafenmuseums erstrahlen zu lassen.

„Wir hatten für die Umsetzung der Idee in die Realität schließlich ein Zeitfenster von etwa drei Monaten“, sagt Henning Schurbohm. „Und wir mussten ja in Wewelsfleth arbeiten. Deswegen stand zunächst die Logistik im Fokus“, sagt Sascha Maletzki. „Also die Frage, wie wir das Material dorthin bekommen und wie wir es am besten verpacken, um es an Bord und vor allem unter Deck zu schaffen.“

Norderstedter brachten 453 Leuchten und 469 Meter Lichtschienen an

Mit dem am elektronischen Reißbrett entworfenen Lichtplan ging es nämlich zunächst in den 14 Meter breiten und 115 Meter langen Stahlrumpf der „Peking“. Maletzki: „Man muss sich das wie bei Legobausätzen vorstellen. Erco packte die Leuchten und Lichtschienen immer so zusammen, dass sie für den entsprechenden Abschnitt passten.“ Damit man im eingerüsteten Rumpfinnenraum mit seinen sechs Metern Deckenhöhe nicht mehr viel zu rangieren hatte. Alles stand genau da, wo es gebracht wurde. „Es war alles perfekt getaktet“, sagt Maletzki.

Was aber nicht bedeutet, dass die Norderstedter nun munter drauflos montierten, bis die letzte der geplanten 453 Leuchten und 469 Meter an Lichtschienen angebracht waren. „Die Lichtberechnung am Reißbrett ist das eine, die Realität das andere“, sagt Maletzki. „Wenn wir die ersten zwölf Leuchten montiert hatten, standen Lichtproben an. Passt die Position? Ist die Neigung in Ordnung? Was soll angestrahlt werden und wird der gewünschte Effekt erzielt?“ Erst wenn es auf alle Fragen ein Ja gab, wurde mit dem nächsten Abschnitt der „Peking“ weitergemacht.

Das natürlich einfallende Sonnenlicht in die innenliegenden Deckbereiche soll imitiert werden

Wo früher bis zu 5000 Tonnen Salpeter aus Chile eingelagert wurde, sollen künftig große Publikumsveranstaltungen und Ausstellungen vor imposanter Kulisse stattfinden. LED-Strahler von Erco verstärken den hallenartigen Raumeindruck mit einem atmosphärischen Licht. An den Schienen lassen sich die Strahler verschieben, je nach Objekt, und mit Wechsellinsen sind diverse Effekte möglich.

In den Treppentürmen und Luken der „Peking“ verarbeiteten Maletzki und sein Team Leuchten mit neutralweißem, sehr eng gebündeltem und damit extrem intensivem Licht – das soll das natürlich einfallende Sonnenlicht in die innenliegenden Deckbereiche imitieren.

Im Außenbereich der „Peking“ war die strikte Farbwahl Schwarz, Weiß, Gelb und Braun. Entsprechend getüncht wurden die verarbeiteten Außenraum-Scheinwerfer, die sich jetzt im Bereich des Rumpfes, des Brückendecks und des Riggs befinden. In jedem Mast sitzen zum Beispiel vier nach unten strahlende Scheinwerfer in Ginstergelb, die auch die offenen Bereiche auf Deck in Szene setzen. Und oberhalb der Salinge, den kleinen Plattformen an den Masten der „Peking“, sitzen jeweils drei Scheinwerfer, die nach oben strahlen sollen.

Ab in die Wanten und hoch auf den Mast – das war dann doch zu viel verlangt

Die Frage war nur: Wie bekommt man die ganzen Scheinwerfer nun in die luftigen Höhen? Sascha Maletzki hat zwar Marine-Erfahrung, doch ab in die Wanten und hoch auf den Mast – das war dann doch zu viel verlangt? „Wir hatten auf der Peters Werft einen guten Rigger, den wir überreden konnten. Für die war das Anbringen kein Problem“, sagt Maletzki.

Schwindelfrei war das Arbeiten auf Haupt- und Brückendeck. Dort wurden in die Holz-Nagelbänke und bodenintegriert in den Stahl des Schanzkleides LED-Scheinwerfer versenkt, die Tauwerk und Drähte der Takelage ausleuchten. Entlang der weiß gestrichenen Reling kamen die extrem leistungsstarken 72-Watt-LED-Scheinwerfer zum Einsatz, die nun das gesamte Rigg bis auf eine Gesamthöhe von etwa 50 Metern warmweiß illuminieren und vor dem Nachthimmel im gelbgoldenen Ton leuchten lassen.

Hafen Hamburg: „Peking“ wird Hansahafen nie mehr verlassen

Das Dirigentenpult für die maritime Sinfonie des Lichts steht Achtern, unter Deck im Heck der „Peking“. In einem kleinen, von vielen Schaltkästen angenehm warmen Raum, in Form eines profanen PC, auf dem die sogenannte DALI Steuerung programmiert ist. Jede der 453 wartungsfreien Leuchten lässt sich von hier aus ansteuern, an Tageszeiten anpassen, respektive an- oder ausknipsen.

Wobei Ausknipsen kaum eine Option sein sollte. Die „Peking“ wird den Hansahafen nie mehr verlassen. Aber sie soll im Dunkel des Hamburger Hafens ein leuchtender und stolzer Repräsentant der Hamburger Seefahrtsgeschichte sein. Weithin sichtbar. Wenn auch nicht bis nach Norderstedt zu Henning Schurbohm und Sascha Maletzki, den Machern des Lichts.