Norderstedt/Kiel. Sie erklärte sich selbst zur Deutsch- und Biologielehrerin und unterrichtete über Jahre – bis sie in Lüneburg aufflog.
Wegen „gewerbsmäßiger Fälschung beweiserheblicher Daten“ in ihren Staatsexamen hat das Kieler Amtsgericht am Donnerstag eine Lehrerin zu sieben Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Als Auflage für die zweijährige Bewährungszeit muss die heute an einer Schule im Raum Norderstedt angestellte Mittvierzigerin 2000 Euro an den Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zahlen.
Laut Urteilsbegründung der Strafrichterin hatte die geständige Pädagogin dem Schleswig-Holsteinischen Bildungsministerium im August 2016 bei einer Online-Bewerbung ein gefälschtes Staatsexamen präsentiert. Ihrer legalen Zulassung für Evangelische Religion und Geschichte (Note 3,7) aus dem Jahr 2011 hatte sie am Computer mithilfe eines Grafikprogramms die Fächer Deutsch („Note 3,5“) und Biologie (Note 2“) hinzugefügt.
Amtsgericht: Norderstedter Lehrerin betrog mit gefälschten Staatsexamen
So erschlich sich die Pädagogin, die früher in Niedersachsen mit ihrer ursprünglichen Fächerkombination Beamtin auf Lebenszeit geworden war, eine Stelle in der Hansestadt Lübeck. Dort unterrichtete sie nach eigenen Angaben seit Oktober 2016 an einer Grund- und Gemeinschaftsschule mit rund 500 Schülern und 50 Lehrkräften. In einer Förderklasse will die Angeklagte nicht nur ihre „erschwindelten“ Fächer Deutsch und Bio, sondern auch Kunst, Sport, Technik und Mathe gegeben haben.
Auf etwa 200 000 Euro beliefen sich die Nettobezüge der Angeklagten im Tatzeitraum, als sie Ende 2020 bei einem Wechsel nach Lüneburg aufflog. In Niedersachsen war die bereits verbeamtete Lehrerin schon als Problemfall bekannt: Weil sie es auf der Urlaubsinsel Norderney nicht mehr aushielt, war sie im September 2016 nach vergeblichen Versetzungsbemühungen aus dem Staatsdienst ausgeschieden.
Im Tatzeitraum rund 200 000 Euro Nettobezüge kassiert
Gleichzeitig hatte sich die Angeklagte mit dem gefälschten Staatsexamen erfolgreich beim Kieler Ministerium beworben. Dieser Umstand erklärt die Zuständigkeit des Amtsgerichts in der Landeshauptstadt. Fast vier Jahre durfte sie seit Oktober 2016 als „Beamtin auf Probe“ in Lübeck und in Dithmarschen unterrichten.
Bis endlich ein Unterrichtsbesuch ihre mangelhaften Leistungen offenbarte. „Der Schulleiter gab mir leider die Note 6“, räumte die Angeklagte vor Gericht ein. „Wegen schwerer Defizite bei der Unterrichtsgestaltung“. Dem erwarteten Disziplinarverfahren sei sie im Sommer 2020 mit einem Entlassungsgesuch zuvorgekommen.
Prüfung im Unterricht: Schulleiter gab der Lehrerin die „Note 6“
In Hamburg gelang es ihr danach trotzdem, eine Stelle an einer Katholischen Schule zu ergattern. Seit Sommer 2021 arbeite sie ganz legal an einer Gemeinschaftsschule im Raum Norderstedt, so die Angeklagte. Die Schulleitung wisse von dem Strafverfahren und habe ihr zur Weiterbildung geraten. So habe sie im Juni doch noch die offizielle Lehrbefähigung für die Fächer Deutsch und Bio erlangt.
„Ich versuche, den Fehler wieder gut zu machen“, beteuerte die nicht vorbestrafte Frau unter Tränen. „Ich wollte zeigen, dass ich das kann.“ Sie bereue ihre Taten. Eine Verurteilung wegen Betrugs blieb der Angeklagten laut Urteil erspart, weil sie theoretisch auch ohne die Fälschung im Staatsexamen hätte eingestellt werden können.
- Prozess Hamburg: Bestechung im Bauhof Wandsbek? Sechs Männer vor Gericht
- Prozess Hamburg: Biomarkt-Räuber mit schräger Vorliebe für Tjaden’s vor Gericht
- Prozess Hamburg: Freispruch für Geld angeboten? Ex-Schöffe gesteht
Wegen des hohen Anteils an fachfremdem Unterricht bezifferte die Kieler Staatsanwaltschaft den wirtschaftlichen Schaden für das Land Schleswig-Holstein durch die Angeklagte auf „nur“ 70 000 Euro. Sie forderte acht Monate auf Bewährung. Ähnliche Tatvorwürfe aus Niedersachsen stellte die Anklagebehörde im Hinblick auf die verhandelten Fälle ein. Die Verteidigung hatte vergeblich eine Einstellung des Verfahrens angeregt.