Bad Bramstedt. Deutsche Habitat baut eines der größten Wohnbauprojekte im Norden in Bad Bramstedt. Und die Bürger sollen jetzt mitplanen.
Es ist eines der größten Wohnbauprojekte im Norden: Das Auenland-Quartier in Bad Bramstedt. Nachdem die Pläne des Investors Deutsche Habitat aus Berlin, 700 Wohneinheiten südlich der Segeberger Straße in Bad Bramstedt zu bauen, nach kontroverser politischer Diskussion und einem Bürgerbegehren von Projektgegnern zurückgenommen wurden, startet nun die erneute und „abgespeckte“ Überplanung des sogenannten Auenlandes.
„Das wird jetzt auf Null gestellt. Wir fangen von vorne an“, sagte Bürgermeisterin Verena Jeske im Planungsausschuss der Stadtverordnung. Das Hamburger Planungsbüro drost consult präsentierte dort auch das weitere Vorgehen für die Projektplanung. Und die soll unbedingt im Einklang mit den Bürgerinteressen erstellt werden.
Bad Bramstedt: Neue Pläne des Investors – Im „Auenland“ wird abgespeckt
Dafür werde es am 10. und 17. Dezember Info-Stände auf dem Bad Bramstedter Marktplatz geben, die der Bevölkerung das Wohnbauprojekt in kleinerer Form erläutern sollen. Für Februar 2023 ist ein Workshop mit den Bürgern geplant, dessen konkrete Vorschläge in die Entwürfe von vier Architektenbüros einfließen sollen.
Diese würden dann noch vor der Sommerpause von einer Fachjury bewertet, an der neben der Politik und Verwaltung auch Vertreter aus der Bürgerschaft beteiligt sein würden, sagte Habitat-Sprecher Matthias Onken. Dann würde der beste Entwurf das Bebauungsplanverfahren durchlaufen, sodass frühestens Ende 2024, vermutlich eher 2025 mit dem Bau der ersten Häuser und Wohnungen auf dieser Feuchtwiese im Osten der Stadt begonnen werden könnte.
Nur noch die Hälfte der ursprünglich angedachten Fläche soll bebaut werden
Bei der Politik und Verwaltung kommt diese neue Zeitplanung des erheblich abgespeckten Vorhabens gut an. Mit 11,3 Hektar Fläche soll jetzt nur noch etwa die Hälfte des noch im Sommer vorgestellten Bauvorhabens realisiert werden.
Die zehn Hektar Biotopfläche nördlich der Segeberger Straße bleiben unberührt. Das gleiche gilt für die 3,4 Hektar Biotopfläche südlich dieser Straße, die die Deutsche Habitat aber miterwerben werde. 2,1 Hektar Land in diesem gesamten Plangebiet von nun 16,8 Hektar gehören einem Dritten und werden ebenfalls nicht bebaut.
700 oder 350 Wohneinheiten? „Auf jeden Fall so viele, wie möglich!“
Ob sich durch die Halbierung der zu bebauenden Fläche die Anzahl der ursprünglich 700 Wohneinheiten damit auf etwa 350 reduzieren würde, lassen Investor und Bürgermeisterin Jeske offen. Das werde das weitere Verfahren zeigen und sich insbesondere auch aus der Bürgerbeteiligung ergeben, sagen sie.
„Es sollten aber so viele Wohneinheiten wie möglich werden“, sagt Jeske. „Nicht nur Einfamilienhäuser. Wir brauchen kleinere Wohneinheiten und bezahlbaren Wohnraum für junge Familien, Senioren, aber auch junge Leute, die hier der Arbeit wegen herziehen.“ Das könnten auch Mehrfamilienhäuser mit vier oder fünf Vollgeschossen sein, sagt sie.
Bad Bramstedt braucht dringend Gewerbesteuereinnahmen
Denn Bad Bramstedt brauche dringend zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen, allein um die vorhandene Infrastruktur für Schulen und Kitabau finanzieren zu können. Mit zurzeit fünf Millionen Euro Gewerbesteuer im Jahr – nur die viertgrößte Einnahmequelle der Stadt – sei das nicht zu schaffen. Um die dafür benötigten Betriebe nach Bad Bramstedt zu locken, müsste diesen wiederum günstiger Wohnraum im Ort angeboten werden, erklärt die Verwaltungschefin.
Antje Linden hat andere Prioritäten: Sie kündigt erneut harten Widerstand durch ihre Bürgerinitiative „Unser Auenland“ an, die jetzt grundsätzlich jedwede Bebauung dieses Gebiets kategorisch ablehnt. Sobald der Ausschuss für Planung und Umwelt erneut einen Aufstellungsbeschluss für einen B-Plan im Auenland fassen sollte, was nach Jeskes Vorstellung möglichst noch vor Weihnachten geschehen sollte, „werden wir automatisch ein neues Bürgerbegehren starten“, sagt Linden an.
Bürgerinitiative lehnt jede Bebauung im „Auenland“ kategorisch ab
Bereits im Sommer hatte ihre Gruppe in wenigen Wochen 1600 Unterschriften gegen das damals noch doppelt so große Bauvorhaben in der Bevölkerung gesammelt. Etwa 1050 Unterschriften wären für ein Bürgerbegehren notwendig gewesen. Weil dieser ursprüngliche B-Plan dann aber von der Politik zurückgezogen wurde, hat die Kommunalaufsicht in der Segeberger Kreisverwaltung das Bürgerbegehren für unzulässig, weil nicht mehr notwendig erklärt. Dagegen läuft nach Angaben von Antje Linden jetzt ein Widerspruch der BI bei der Kommunalaufsicht der Landesregierung.
Bürgermeisterin Jeske kann diese Totalverweigerungshaltung nicht nachvollziehen. „Da fehlt mir das Verständnis.“ Die Bürgerinitiative spiele hier „Einzelinteressen“ hoch, die völlig losgelöst vom Wohlergehen der Allgemeinheit seien. Bad Bramstedt sei „ein Sanierungsfall“, der ohne einen geregelten Zuzug von neuen Bürgerinnen und Bürgern nicht gelöst werden könnte.
Bad Bramstedt sei ein „Sanierungsfall“, der ohne Neubürger nicht funktioniere
„Wir planen hier ja nicht für morgen. Wir planen für die nächsten, zehn, 20, 30 Jahre“, sagt Jeske. Und dafür bedürfe es unbedingt neuen Wohnraums, der auch bezahlbar sei. Sonst überaltere die Bevölkerung immer weiter und die Kommune sterbe irgendwann aus, argumentiert die Verwaltungschefin. Sie kenne das von ihrem Heimatort Grimmen im Landkreis Vorpommern-Rügen. „Die Stadt liegt an der A20 und hat seit der Wende 6000 Einwohner verloren“, sagt Jeske. Da schmerze es und mache sie traurig, wenn sich hier eine kleine Gruppe jedweder positiven Entwicklung Bad Bramstedts so vehement entgegenstelle.
Zumal es ursprünglich von der Initiative geheißen hätte, das Bauvorhaben sei zu groß. Jetzt, da es verkleinert ist, solle dort plötzlich gar nicht mehr gebaut werden. „Da vertraue ich auf die Mehrheit der Bad Bramstedter Bevölkerung, dass sie versteht, dass die Stadt mehr Wohnraum und mehr Gewerbebetriebe braucht“, hofft Jeske.
Bad Bramstedt: SPD, Grüne und FDP stehen hinter dem Projekt
Davon geht auch SPD-Fraktionschef Jan-Uwe Schadendorf aus. Nicht ein womöglich abermaliges Bürgerbegehren sei entscheidend. „Entscheidend ist, wie die Mehrheit der Bevölkerung denkt. Und da kann ich mir nicht vorstellen, dass die mehrheitlich die Schaffung von Wohnraum verhindern will. Denn wir haben schon jetzt eine große Wohnungsnot.“ Darum sei es „gut und richtig“, dass der Investor jetzt einen neuen Anlauf für sein Wohnbauprojekt im Auenland nimmt.
Das findet auch FDP-Vizefraktionschefin Beate Albert. „Wir fünf Liberale stehen geschlossen hinter diesem Wohnungsbauprojekt. Wir brauchen Zuzug in Bad Bramstedt. Das Vorhaben ist positiv und klimaneutral.“ Und Stadtverordnete Fritz Bredfeldt (Grüne) findet es positiv, dass der Investor jetzt mit den geplanten Info-Ständen und Bürgerworkshops mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung zulassen wolle. Das habe anfangs noch gefehlt.
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„Wir freuen uns, dass der nun eingeschlagene Weg mit der Halbierung des Baugebiets, vielfältigen Informations- und Beteiligungsangeboten sowie einem Wettbewerb in der Politik auf Zuspruch stößt“, sagt Jens Kulicke, Geschäftsführer des Investors Deutsche Habitat. „Der Bürgerinitiative haben wir erneut angeboten, mit uns in den Dialog zu treten, um konstruktiv an der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum mitzuwirken.“ Dieses Angebot lehnt die Initiative aber ab. Antje Linden: „Es macht keinen Sinn. Er will da bauen, wir wollen das nicht. Worüber sollten wir da reden?“