Bad Bramstedt. Was sich etwa 400 Gegner und Befürworter des geplanten Neubau-Wohngebietes für 2000 Menschen in Bad Bramstedt zu sagen hatten.
Das Interesse ist groß an diesem Neubauvorhaben in Bad Bramstedt. An die 400 Menschen kamen ins Kurhaus-Theater am Klinikum, um sich aus erster Hand erläutern zu lassen, wie der Investor Deutsche Habitat das „Auenland Quartier“ nördlich und südlich der Segeberger Straße gestalten will. „Ich bin begeistert“, freute sich Bürgermeisterin Verena Jeske. So viel Bürgerbeteiligung habe sie in ihrer bisherigen Amtszeit noch nicht erlebt.
Um die 700 Wohneinheiten für bis zu 2000 Neubürgerinnen und Altbewohner sollen hier in der Kurstadt mit ihren zurzeit etwa 15.200 Einwohnern entstehen, sagte Jens Kulicke vom Investor Deutsche Habitat. Mit einer ganzen Phalanx an Planern, Architekten und Beratern war er aus Berlin angereist und warb im Foyer mit Schaubildern für das wohl um die 500 Millionen Euro umfassende Projekt mit Hotel, Kitas, Schulen auf einem Bildungscampus, Jugendfreizeitplätzen und Seniorenanlagen.
Immobilien: Bad Bramstedter Bauprojekt Auenland-Quartier polarisiert
Das macht einigen Angst in Bad Bramstedt. „Mit Veränderungen tun wir uns alle schwer“, sagte Bürgermeisterin Verena Jeske zur Begrüßung in Richtung derjenigen im Saal, die schon dagegen sind und bereits eine Bürgerinitiative gegründet haben und mit ihrem „Nein zum Neubaugebiet“ das geplante Auenland-Quartier“ mit einem Bürgerentscheid zu Fall bringen wollen.
Von ihnen waren zahlreiche Vertreter im Saal, die sich lautstark zu Wort meldeten und viel Beifall von den Zuhörerinnen und Zuhörern erhielten. Ruhiger waren etwa 100 Menschen, die sich durchaus vorstellen können, hier einmal im Grünen zwischen AKN-Linie und B 206 zu wohnen.
Investor des Bauprojektes will ein Viertel für Jung und Alt
Wir würden damit das Kurgebiet und das Gewerbegebiet Auenland zusammenführen“, warb Jeske. Investor Kulicke sieht in dem Auenland-Projekt seine Vision von einem generationenübergreifenden Wohnen erfüllt. Junge Menschen zögen in eine der kleineren Wohnungen, gründeten Familien und wechselten in die größeren Reihenhäuser. Ihre Kinder könnten sie dann in die Kitas und Schulen nebenan bringen und im betagten Alter in die Seniorenwohnanlage einziehen, die ebenfalls in der Nähe sei.
Und mit dem führenden Endoprothesen-Hersteller Waldemar Link, der in den nächsten Jahren von Norderstedt nach Bad Bramstedt umsiedeln und dort 500 Arbeitsplätze schaffen will, gebe es sogar fußläufige Beschäftigungsmöglichkeiten in einer krisensicheren Wachstumsbranche, sagte Jeske. Diese Unternehmen bräuchten zufriedene Mitarbeitende, die wiederum günstige Wohnungen in einem attraktiven Wohnumfeld suchten.
Auenland-Quartier: Gegner formieren sich in Bürgerinitiative
„Da kommen Menschen zu uns, die hier wohnen und arbeiten möchten“, attestierte SPD-Fraktionschef Jan-Uwe-Schadendorf. Bad Bramstedt sei ohnehin zu alt, um allein für dieses Arbeitspersonal zu sorgen. Nur jeder achte Bürger sei zwischen 18 und 29 Jahre alt, fast die Hälfte bereits über 50 und bald in Rente, warnte die Verwaltungschefin.
Mit modernen Energietechniken sollen die Wohnungen und Häuser für die BewohnerInnen bezahlbar bleiben, erläuterte Rolf Katzenbach, ein Ingenieur von der Technischen Universität Darmstadt, der im Auftrag der Deutschen Habitat arbeitet. Mit Erdwärme, die immer zur Verfügung stünde, über Wärmepumpen, Solarthermie und Photovoltaik auf den grünen Dächern sollen die Wohnungen weitgehend klimaneutral mit Warmwasser versorgt und beheizt werden. Ein Nahwärmenetz würde die Häuser zentral beheizen, was die Energieeffizienz um ein Drittel erhöhe.
Die CDU ist von dem Immobilien-Großprojekt nicht überzeugt
„Dieses Areal ist ideal geeignet für CO-2-freie Energieversorgung“, urteilte der Ingenieur. Das könnte die Mietnebenkosten, die heute 20 Prozent der Miete ausmachten, erheblich senken, sagte Katzenbach. Nur an dieser Schraube könnten die Mietpreise in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch begrenzt werden. Die Nettokaltmiete werde wegen der galoppierenden Preise dagegen weiter steigen, so Katzenbach. Auch der hohe Grundwasserspiegel, der bereits 40 Zentimeter unter der Oberfläche beginne, sei „kein Grund zur Sorge“, weil ja in den Häusern auf Keller verzichtet werde.
Bürgermeisterin Jeske fügte hinzu, dass das neue, sieben Millionen Euro teure Umspannwerk in der Nähe sogar ein Elektrolyseverfahren ermöglichen würde. „Da kommt zu 100 Prozent Windstrom an.“ Wasserstoff und Wärme könnten dann vollständig klimaneutral erzeugt werden. „Das wäre ein Leuchtturmprojekt, das es noch nirgendwo gibt“, sagte die frühere Amtsrätin, die sich mit Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee beschäftigt hat.
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Doch das Publikum und auch einige Politiker blieben skeptisch. „Wir sind nicht von diesem Großprojekt überzeugt“, sagte CDU-Fraktionschef Volker Wrage, dessen Partei gegen den Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplanes gestimmt hat. Fast 1000 Wohneinheiten seien zu viel auf einmal. „Ohne Wachstum geht es nicht, aber lieber in kleinen Schritten.“ Aber dann könnte es moderne Geothermie-Energieversorgungen im Nahwärmenetz oder Parkhäuser am Rande des Wohngebietes, um es weitgehend autofrei zu halten, in dieser Form nicht geben, hielt Investor Kulicke entgegen.
Will Bad Bramstedt Dorf bleiben oder Stadt werden?
Florian Schiefer von der BI „Unser Auenland“ und Jan Behrmann vom Nabu verwiesen darauf, dass 40 Prozent der 25 Hektar großen Fläche des Neubaugebiets geschützte Biotope seien. Die dürften ohnehin nicht bebaut werden. Darum müssten unbedingt naturschutzrechtliche Gutachten im Vorwege erstellt werden, bevor das Bauleitverfahren weiter betrieben werde, forderte Schiefer. Dazu hatte Architekt Sven Blumers vorher ausgeführt, dass von den 25 Hektar nur 14 Hektar als Bauland in Frage kämen, wovon wiederum nur ein Drittel bebaut werden soll. Der Stadtplaner Christian Evers betonte, dass im Zuge des B-Planverfahrens die Fragen zum Natur-, Lärmschutz und Verkehr geklärt und ein Artenschutz-Kataster erstellt würden.
Letztlich läuft es wohl in Bad Bramstedt auf die Gretchenfrage hinaus, wie sie SPD-Fraktionschef Schadendorf formulierte: „Wollen wir überhaupt noch wachsen oder wollen wir ein geschlossenes Dorf bleiben?“ Wozu die Bewohnerin Christel Friedrichs aus dem früheren Neubaugebiet Bissenmoor deutlich sagte: „Ich fühle den Verkauf der Heimat. Das kotzt mich an.“ Was Brigitte Hanke, die vor 27 Jahren hierhergezogen sei, sagen ließ: „Ich finde diese Haltung so gestrig. Wir brauchen doch den Zuzug, damit die Stadt endlich jünger wird.“