Norderstedt. Welche Vorwürfe die Norderstedter Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder gegenüber Landrat Jan Peter Schröder erhebt.
Die derzeitige Flüchtlingssituation im Kreis Segeberg ist für alle beteiligten Behörden eine große Herausforderung. Doch offenbar ist die Ausländerbehörde des Kreises Segeberg damit mitunter überfordert. In einer Art Brandbrief hat sich des wegen Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder an den Landrat Jan Peter Schröder gewandt.
Darin macht sie darauf aufmerksam, dass immer noch 360 Ukrainerinnen und Ukrainer, die seit März oder April in Norderstedt leben, wichtige Aufenthaltsdokumente vom Kreis nicht bekommen haben. Es gibt offenbar einen erheblichen Stau beim Ausstellen der sogenannten Fiktionsbescheinigungen, die es den Flüchtlingen ermöglicht, vom Asylbewerberleistungsgesetz und der Betreuung durch das Sozialamt, in den „Hartz-IV“-Regelsatz (SGB II) und die Betreuung durch das Jobcenter zu wechseln.
Flüchtlinge: „Ausländerbehörde nicht auf Herausforderung eingestellt“
Für die Flüchtlinge ein entscheidender Unterschied, allein in der Höhe der monatlichen Unterstützung. Die liegt in „Hartz-IV“ bei 449 Euro im Monat für Alleinstehende und Alleinerziehende, während im anderen Fall nur 367 Euro überwiesen werden.
„Die größte Herausforderung für die Stadt Norderstedt stellt die menschenwürdige Unterbringung der Schutzsuchenden aus der Ukraine, aber auch aus anderen Herkunftsländern dar“, schreibt Roeder an Schröder. „Unverständlich ist es daher für mich, dass sich die Ausländerbehörde des Kreises Segeberg in Laufe der vergangenen Monate hinsichtlich der notwendigen Abläufe und Prozesse offensichtlich nicht auf die aktuellen Herausforderungen eingestellt hat.“
Sozialämter haben keine Kapazitäten für die Flüchtlingsbetreuung
Erst durch die Initiative der Stadt Norderstedt seien Ende August in größerem Umfang Termine in der Erstaufnahmeeinrichtung in Bad Segeberg reserviert worden, um die Personalien von über 150 Menschen aus der Ukraine registrieren zu lassen. „Doch auch dies führte nicht dazu, dass die Ausländerbehörde des Kreises die notwendigen Fiktionsbescheinigungen den Geflüchteten kurzfristig erteilte!“, schreibt Roeder.
Aktuell stünden alle Sozialämter vor der massiven Herausforderung, die Reformen des Sozialrechts (Stichwort „Bürgergeld“) und des Wohngeldgesetzes kurzfristig zum Jahreswechsel umzusetzen. Was schwer zu leisten sei, wenn man sich zusätzlich um 360 ukrainische Flüchtlinge kümmern müsse, so Roeder. Sie bittet Schröder „inständig“, dass künftig nur noch geflüchtete den Kommunen zugeteilt werden, die schon eine Fiktionsbescheinigung von der Ausländerbehörde haben. „Dies ist in anderen Kreisen der Standard und wird auch in Hamburg so umgesetzt.“
Landrat Schröder gibt zu: „Es läuft nicht optimal“
Landrat Schröder reagiert auf Abendblatt-Anfrage auf Roeders Brief: „Uns ist bewusst, dass aktuell nicht alles optimal läuft. Auch wir möchten natürlich, dass Geflüchtete sich so schnell wie möglich bei uns integrieren können, weswegen die Arbeitsabläufe im Sinne aller Antragstellerinnen und Antragsteller in der Vergangenheit und zum jetzigen Zeitpunkt stets optimiert wurden und werden – soweit dies rechtlich machbar ist.“
Die Mitarbeitenden in der Ausländerbehörde seien sehr engagiert und versuchten, sich im Rahmen der Möglichkeiten schnellstmöglich auf die unerwartete Herausforderung einzustellen. „Allerdings sind wir dabei an einen rechtlichen Rahmen gebunden, der nicht alles zulässt, was auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen mag“, sagt Schröder.
Flüchtlinge: Fachkräfte sind nicht zu finden, Personal aufzustocken sei schwierig
Die Ausländerbehörde sei personell bereits aus anderen Bereichen der Verwaltung aufgestockt worden. Es handele sich aber um eine rechtlich sehr komplexe Materie, weswegen nicht beliebige Personen eingesetzt werden könnten. Neue Fachkräfte seien auf dem Arbeitsmarkt rar.
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Seit ein paar Wochen stehe dem Kreis ein zweites Gerät (PIK) zur erkennungsdienstlichen Erfassung zur Verfügung. Außerdem unterstütze das Land mit zusätzlichen Geräten in der Landesunterkunft in Bad Segeberg. Von den etwa 3000 im Kreis angekommenen ukrainischen Vertriebenen hätten bereits 2055 Personen eine vorläufige Fiktionsbescheinigung. „1855 Aufenthaltstitel wurden bestellt oder konnten schon ausgehändigt werden“, sagte Schröder.