Norderstedt. Zeugenanhörung im Prozess um Müllskandal. Experte sagte, welche Gefahr von gelagerten Stoffen ausgeht.
Bei der Räumung des sogenannten Norderstedter Müllgrundstücks geht es voran. Offenbar gibt es jetzt Interessenten, die die Maßnahme planen wollen – in etwa einem halben Jahr könnten die Arbeiten beginnen. Das wurde beim Prozess vor dem Norderstedter Amtsgericht deutlich, wo am Mittwoch erneut Zeugen angehört wurden.
„Drei Interessenten haben sich das Grundstück angesehen. Die haben nun bis zum 28. November Gelegenheit, ein Angebot abzugeben“, sagte Esther Frambach, zuständige Mitarbeiterin des Landesamtes für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR), am Mittwoch.
Müllberg Norderstedt: Räumung könnte im Sommer 2023 beginnen
Sie war als Zeugin vor Gericht erschienen. Wie Frambach weiter ausführte, handele es sich bei diesen Interessenten um Firmen, die die Planung der fachgerechten Müllentsorgung anbieten können. Für die tatsächliche Durchführung werde es dann eine weitere Ausschreibung geben. Auf die Frage, wann dann geräumt werden könne, sagte Frambach: „Ich denke, Richtung Sommer 2023.“
In der Sache geht es um den wohl größten Müllskandal in der Norderstedter Geschichte. 15.000 Kubikmeter Müll haben sich auf dem Gelände der ehemaligen W. A. Gieschen Containerdienst GmbH angesammelt. Das Gelände liegt in Friedrichsgabe, unmittelbar neben dem Gelände der Entsorgungsfirma Kiesow. Die Müllentsorgungsfirma Gieschen ist mittlerweile insolvent.
Experte erklärte, warum die Räumung dringend erforderlich ist
Angeklagt ist nun der letzte Betreiber der Firma, ein 61-jähriger Mann, der zwischenzeitlich abgetaucht war. Ihm wird unter anderem der unerlaubte Umgang mit Abfällen vorgeworfen. Auch der Angeklagte erschien am Mittwoch, schwieg aber durchgehend. Es gab auch keine Fragen an ihn oder seinen Rechtsanwalt Wolfgang Höwing.
Dass die nun anberaumte Räumung dringend erforderlich ist, machte der Diplom-Geologe Ingo Ratajczak deutlich, der als Zeuge gehört wurde. Der Experte hatte 2020 ein Gutachten zu den Müllbergen erstellt, im Auftrag des LLUR.
Bodenproben wurden auf dem Grundstück bisher nicht entnommen
„Auf den Müllbergen liegen unter anderem Mineralwollfasern. Die zersetzen sich mit der Zeit und sind dann genauso gefährlich wie Asbest.“ Sie könnten sich über die Luft verteilen, das sei „eine Gefährdung für Menschen, die in dem Umfeld arbeiten.“
Ratajczak bekräftigte vor Gericht, dass er keine Gefahr für das Grundwasser sehe. Er sagte aber auch, dass er sein Gutachten nur auf Basis von Akten, Ortsbesichtigungen und Luftbildern ausgearbeitet habe. „Bodenproben haben wir nicht entnommen, das war nicht Teil des Auftrags.“ Er könne nicht mit Sicherheit sagen, was genau sich in den teilweise mit Pflanzen überwuchterten Müllbergen befinde.
Warum hat sich so viel Müll angesammelt? Welche Rolle spielte das LLUR?
Wie konnte es dazu kommen, dass sich über so viele Jahre so viel Müll ansammelte? Welche Rolle spielte das LLUR? Dazu wurde Esther Frambach mehr als zwei Stunden lang befragt, die seit 2013 für das Grundstück zuständig war. Deutlich wurde, dass es schon seit 2008 immer wieder Probleme mit dem Betrieb gab. Es wurde offenbar immer wieder zu viel Müll angenommen, als genehmigt worden war – das LLUR stellte das bei Kontrollen fest und verhängte Anordnungen zur Teilräumung sowie Zwangsgelder.
Im März 2015, so Frambach, habe es dann erstmals die Anordnung zur Komplett-Räumung des Geländes gegeben – bei gleichzeitigem Verbot, noch Müll anzunehmen. Doch im selben Jahr verstarb die damalige Geschäftsführerin Christine G. an Krebs. Ihre Tochter übernahm, danach sei es eine Weile deutlich besser gelaufen, Flächen seien geräumt worden. Doch die Tochter gab schon 2017 die Geschäftsführung wieder ab, an ihren Vater, der nun der Angeklagte im Verfahren ist. Im Juni 2017 erging die zweite Anordnung zur kompletten Räumung, doch es passierte nichts, der Angeklagte sei dann auch nicht mehr für das LLUR erreichbar gewesen.
Im Juli 2020 wurde im Amt festgestellt, dass die Betriebsgenehmigung erloschen sei
Im Juli 2020, so Frambach, habe sie dann festgestellt, dass die Betriebsgenehmigung „erloschen“ sei, da drei Jahre lang nicht ordnungsgemäß gearbeitet wurde. Unklar blieb, ob das LLUR diesen Schritt nicht schon deutlich früher, nämlich 2017, hätte machen können. Doch offenbar hatte das LLUR der jeweils aktuellen Geschäftsführung immer wieder gestattet, doch noch weiterzumachen – also eine gewisse Menge Müll anzunehmen, unter der Auflage, eine größere Menge Altlasten abzutransportieren. „Wir wollten den Betreibern ermöglichen, das Geschäft weiterzuführen und auf diese Weise auch das Entsorgungsproblem zu lösen“, so Frambach.
Müllberg Norderstedt: Wie sich eine letzte Hoffnung zerschlug
Eine Hoffnung für den Weiterbetrieb hatte sich zuletzt 2018 ergeben. Damals wollte ein Unternehmer das Grundstück von dem Betreiber der Anlage übernehmen und dort eine Waschanlage für Lastwagen bauen. Der Unternehmer wurde nun auch als Zeuge gehört. Er schilderte, wie er dem Betreiber, mit dem er befreundet war, habe helfen wollen. Die Idee: Der Unternehmer wollte die Schulden des Angeklagten übernehmen, dafür sollte er das Grundstück bekommen.
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Der Angeklagte wäre dann von dem Unternehmer als Lastwagenfahrer angestellt worden. Der Unternehmer wollte offenbar auch selbst die Entsorgung der Altlasten übernehmen. Die Bedingung war aber, dass die Zuwegungsstraße hätte umgewidmet werden müssen, in eine öffentliche Straße. Als klar war, dass das nicht passieren werde, hätten sich seine Pläne zerschlagen, schilderte der Unternehmer.
Der Prozess wird am 28. November fortgesetzt. An diesem Tag wird dann auch Ingo Ratajczak ein Gutachten vorlegen, wie sich die Müllmengen auf dem Grundstück zwischen 2015 und 2020 entwickelt haben. Mit diesem Gutachten hat ihn das Gericht jetzt beauftragt.