Kreis Segeberg. Obwohl Henstedt-Ulzburg klagen will, sollen die Arbeiten vorzeitig beginnen. Warum der Netzbetreiber Druck macht.
Der Netzbetreiber Tennet schafft Fakten: Mit dem Bau der umstrittenen Ostküstenstromleitung wird jetzt begonnen, obwohl das Planfeststellungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Die Gemeinde Henstedt-Ulzburg könnte das Vorhaben allerdings zum Scheitern bringen und damit den Transport des Windstroms von Nord nach Süd verhindern oder zumindest verzögern.
Netzbetreiber Tennet macht ungeachtet der Henstedt-Ulzburger Blockade Druck und hat beim beim Amt für Planfeststellung Energie in Kiel einen „Frühstarter-Antrag“ gestellt. Wahrscheinlich mit Erfolg. Eine endgültige Entscheidung wird erst im Dezember getroffen. Ermöglicht wird dieser Schritt durch Paragraf 44c des Energiewirtschaftsgesetzes. Er sieht vor, dass Teile einer beantragten Planung bereits vor dem offiziellen Planfeststellungsbeschluss realisiert werden können.
Energiewende: Tennet schafft Fakten – Bau der Ostküstenleitung beginnt
Die Experten sind sich einig: Leitungsbauprojekte wie die 380-kV-Ostküstenleitung nehmen eine Schlüsselrolle bei der Energiewende ein. Sie sollen den Strom, der mit Windkraftanlagen in Schleswig-Holstein oder anderswo produziert wird, in andere Teile Deutschlands transportieren. Deshalb ist der Bau der seit Jahren diskutierten Leitung nötig. Aber Henstedt-Ulzburg sperrt sich: Weil die Leitung quer durch die Gemeinde geführt werden soll, wurde Widerspruch bei der Planfeststellungsbehörde in Kiel eingereicht und nach wie vor wird eine Klage dagegen angestrebt.
Zwar ist die Tennet nach heftigen Protesten von ihren ursprüngliche Pläne einer Oberleitung längst abgerückt, dennoch herrscht in Teilen der Ortspolitik Verstimmung. Im Gespräch ist aktuell die Verlegung einer Erdleitung. Zwei durchgehende, 965 Meter lange Röhren sollen die Kabel aufnehmen. Die Röhren beginnen westlich der Usedomer Straße und enden östlich der Pinnau-Wiesen. Das passt vielen Henstedt-Ulzburgern nicht: Sie fordern eine alternative Trassenführung entlang der Verlängerung der Autobahn 20 aus.
Der Netzbetreiber Tennet, ein Unternehmen aus den Niederlanden, hat den gesetzlichen Auftrag, eine neue 380-Kilovolt-Stromtrasse in Schleswig-Holstein zu bauen. Die anhaltenden Proteste in Henstedt-Ulzburg, die in eine Klage münden könnten, werden kritisch betrachtet. Die Hoffnung auf eine Einigung wird aber nicht aufgegeben: „Zurzeit läuft das Planfeststellungsverfahren, wir gehen davon aus, dass es im Zuge des Verfahrens eine Einigung geben wird“, sagt Tennet-Sprecher Sören Wendt.
Henstedt-Ulzburg kann das gesamte Projekt noch zu Fall bringen
Unterstützung gibt es dabei ausgerechnet aus der „Rebellen-Gemeinde““: Weil die Haltung Henstedt-Ulzburgs das Fortkommen der Energiewende auf unabsehbare Zeit blockieren könnte, sind die örtlichen Grünen von der Haltung der übrigen Parteien abgerückt. Sie halten die vorgeschlagene Trassenführung unter der Erde für vertretbar. CDU, SPD, WHU und BfB wollen weiter kämpfen. „Wir könnten die einsamen Kämpfer in der Wüste werden“, sagt WHU-Fraktionsvorsitzende Karin Honerlah.
Zunächst werden die Gehölze zurückgeschnitten, dann die Masten aufgestellt
Eile beim Bau der Ostenküstenleitung ist aus Sicht der Tennet jetzt auch deshalb geboten, weil mit dem Gehölzrückschnitt in der Winterphase begonnen werden muss, damit in den darauffolgenden Monaten die Masten aufgestellt werden können. „Wir wollen zum Jahreswechsel dem den Rückschnitten beginnen“, sagt Sören Wendt. „Wenn wir das nicht rechtzeitig schaffen, kann erst Winter 2023/24 weitergemacht werden.“ Die Genehmigung für übrige vorgezogene Maßnahmen, wie dem Bau von Masten, erhofft Tennet nach seinen Angaben für den Februar 2023.
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Sören Wendt weist darauf hin, dass zunächst lediglich Maßnahmen durchgeführt werden, bei denen die Zustimmungen aller Flächen-Betroffenen zum Bau und Trassenverlauf vorliegen. Alle anderen Maßnahmen sollen nach dem Planfeststellungsbeschluss erfolgen. „Weil zu diesem Zeitpunkt dann aber in einigen Bereichen der Bau schon fortgeschritten ist, gewinnt Tennet am Ende wertvolle Zeit für das gesamte Energiewendeprojekt.“ Die Kosten für das Gesamtprojekt Ostküstenleitung werden auf über eine Milliarde Euro veranschlagt.
Energiewende: Die Segeberger Kreispolitiker haben kein Entscheidungsrecht
Im Kreis Segeberg beschäftigt sich der Kreistagsausschuss für Wirtschaft, Regionalentwicklung und Infrastruktur am Mittwoch, 16. November, mit diesem Thema. Allerdings: Die Kreispolitiker haben kein Entscheidungsrecht. Ihnen wird lediglich der Sachverhalt vorgestellt.