Norderstedt. Norderstedt hat Abschlussfeiern finanziell unterstützt – und landet mit Aktion im Schwarzbuch. Das stößt auf Unverständnis.

Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder und die Politik wollten den durch die Corona-Pandemie stark gebeutelten Schülerinnen und Schülern in Norderstedt etwas Gutes tun: Jeder Abschlussjahrgang erhielt in diesem Jahr einen Zuschuss für seine Abschlussfeier von 2000 Euro. Insgesamt 20.000 Euro flossen in die Partykassen der Schüler. Das Geld stammt aus einem Corona-Sonderfonds für Vereine und Verbände, der aber nicht vollkommen abgerufen wurde.

Doch ausgerechnet mit der eigentlich gut gemeinten Aktion landete Norderstedt nun im jährlich erscheinenden Schwarzbuch. Der Bund der Steuerzahler wirft der Stadt verschwenderischen Umgang mit Steuergeldern vor. „Dass man seinen bestandenen Schulabschluss gebührend feiern will, ist nur allzu verständlich“, schreibt der Steuerzahlerbund. „Doch das ist eine Privatangelegenheit, die nicht von allen Steuerzahlern bezahlt werden muss.“

Norderstedt: „Bodenlose Frechheit“ – Politik verteidigt Party-Zuschuss von 20.000 Euro

„Das ist eine bodenlose Frechheit“, ärgert sich Reimer Rathje. Der Fraktionsvorsitzende von Wir in Norderstedt (WiN) kann die Ansicht des Steuerzahlerbundes überhaupt nicht nachvollziehen. „So eine Aussage können nur Menschen treffen, die nur Zahlen im Kopf haben“, schimpft er.

WiN-Fraktionschef Reimer Rathje ärgert sich, dass Norderstedt mit der Hilfsaktion für Abschlussjahrgänge im Schwarzbuch gelandet ist.
WiN-Fraktionschef Reimer Rathje ärgert sich, dass Norderstedt mit der Hilfsaktion für Abschlussjahrgänge im Schwarzbuch gelandet ist. © Michael Schick | Michael Schick

Politiker hätten eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Er sieht es als Verpflichtung der Gesellschaft an, junge Menschen, „die wegen Corona eine bescheidene Abiturzeit hatten“, zu unterstützen. „Ich schätze das Schwarzbuch sehr. Es ist gut, dass aufgepasst wird und Politiker dadurch Entscheidungen überdenken – aber das war ein Griff ins Klo“, sagt Rathje.

Norderstedt: Wegen Corona konnten Abschlussjahrgänge kein Geld sammeln

Wegen der Corona-Einschränkungen konnten Schülerinnen und Schüler für ihre Abschlusspartys nur wenig Geld einsammeln. Typische Einnahmequellen wie Kuchenverkäufe, Flohmärkte und Abifeiern in Discos fielen weg. So blieben die Kassen nahezu leer.

Aus der Not heraus baten die jungen Menschen Norderstedts Oberbürgermeisterin um Hilfe. Elke Christina Roeder legte daraufhin im März dem Hauptausschuss eine Beschlussvorlage vor. Ihre Idee: Die Abschlussjahrgänge der weiterführenden Schulen – je vier Gymnasien und Gemeinschaftsschulen – sollen jeweils einen Party-Zuschuss von 1000 Euro bekommen.

Norderstedts Kommunalpolitik beschließt doppelten Party-Zuschuss

Die Kommunalpolitik setzte nach langer Diskussion noch einen obendrauf: Statt 1000 Euro sollten die Schulabgänger sogar 2000 Euro erhalten. Zusätzlich wurden auch die Abschlussjahrgänge des Berufsbildungszentrums (BBZ) Norderstedt und der Willy-Brandt-Schule berücksichtigt. Mit neun Stimmen und fünf Enthaltungen wurde der Party-Bonus beschlossen.

„Ich stehe nach wie vor voll hinter dem Beschluss“, sagt FDP-Fraktionschef Tobias Mährlein. „Der Schulabschluss ist nicht einfach nur eine Party. Das ist ein Festakt.“ Die Schüler hätten unter der Pandemie sehr gelitten. „Für mich ist das eine Anerkennung, was sie in den schweren Zeiten geleistet haben.“

Trotz Schwarzbuch-Eintrag: Politik in Norderstedt steht zu Entscheidung

Norderstedts Politik ist sich in diesem Fall so einig wie selten. Auch Miro Berbig, Fraktionsvorsitzender der Linken in Norderstedt, würde sich wieder dazu entscheiden, die Schülerinnen und Schüler finanziell zu unterstützen. „Es ging nicht darum, ihnen das Saufen zu subventionieren. Sondern wir wollten den Jahrgängen die Möglichkeit geben, einen würdigen Abschluss zu feiern“, sagt Berbig. „Ich kann mit der Entscheidung gut leben, selbst wenn wir damit im Schwarzbuch gelandet sind.“

Die Grünen stellten im Hauptausschuss damals den Antrag, die Finanzspritze für die Abschlussjahrgänge zu verdoppeln. „Wir alle wissen, was Räumlichkeiten kosten“, sagt Marc Muckelberg. Die jungen Leute hätten wegen der Corona-Pandemie keine Chance gehabt, sich eine Feier zu finanzieren. „Wir stehen nach wie vor zu unserem Beschluss.“

AfD nicht verwundert, dass Norderstedt im Schwarzbuch gelandet ist

Thomas Thedens von den Freien Wählern findet es nicht gerechtfertigt, dass Norderstedt mit der Hilfsaktion im Schwarzbuch gelandet ist. „Man muss auch mal schauen, über welche Summe wir hier reden“, sagt er. Viele andere Projekte würde die Stadt schließlich auch fördern. „Wir haben von vielen Schülerinnen und Schülern die Rückmeldung bekommen, wie sehr sie sich gefreut haben. Abitur macht man nur einmal im Leben“, sagt Thedens.

„Abitur macht man nur einmal im Leben“, sagt Thomas Thedens von den Freien Wählern.
„Abitur macht man nur einmal im Leben“, sagt Thomas Thedens von den Freien Wählern. © Michael Schick | Michael Schick

Dass Norderstedt im Schwarzbuch gelistet wird, darüber wundert sich die AfD-Fraktion nicht. „Der Anlass ist dann doch etwas überraschend, letztendlich aber auch zu einem gewissen Grad nachvollziehbar“, sagt der Fraktionsvorsitzende Sven Wendorf.

Wendorf sieht Verantwortung gegenüber Steuerzahler

Die Entscheidung damals sei schwierig gewesen: „Einerseits möchte man natürlich gerade den jungen Menschen, die besonders unter den drastischen Maßnahmen der Regierung zu leiden hatten, das Leben etwas erleichtern und zumindest einen würdigen Abschluss ihrer Schulzeit ermöglichen, dessen Wert sich kaum in Euro bemessen lässt“, sagt Wendorf. Andererseits gehöre eine Feier nicht zu den essenziellen Dingen, „und wir haben eine Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler.“

Wendorf sieht eine Ungleichbehandlung zu vorigen Jahrgängen, die keinen Zuschuss bekamen. Deshalb habe sich die AfD bei dem Entschluss damals enthalten.

Schwarzbuch: Schleswig-Holstein verschwendet in acht Fällen Steuergelder

Insgesamt kritisierte der Bund für Steuerzahler in seinem Schwarzbuch acht „Verschwendungsfälle“ aus Schleswig-Holstein. Häufig handelt es sich dabei um Projekte, die viel teurer geworden sind als gedacht, oder Fehlinvestitionen.