Itzstedt/Nahe. Bürgerentscheid: Nahe und Itzstedt stimmen über Zusammenschluss ab. Die Wahlbenachrichtigung sorgt nun für viel Ärger.
Das wichtigste Ereignis des Jahres für die Menschen in Nahe und Itzstedt rückt immer näher. Am Sonntag, 6. November, wird die Bevölkerung in den beiden Nachbarorten bei zwei identischen Bürgerentscheiden über eine Fusion der Dörfer abstimmen.
Die Meinungen über die mögliche Vereinigung gehen auseinander. Und die Stimmung wird aufgeregter. Kürzlich hat die Itzstedter Amtsverwaltung die sogenannte Abstimmungsbenachrichtigung an alle Haushalte verschickt. Und prompt gibt es Ärger.
Rüdiger Weise aus Nahe spricht sogar von einem möglichen „Skandal“, von einer „in dieser Form höchst unzulässigen und einseitigen Abstimmungsbeeinflussung“. Sein Vorwurf: „Ob nun bewusst manipulativ der Bürger in seinem Abstimmungsverhalten beeinflusst werden sollte, oder es einfach mit der Art und Form der Information handwerklich schlecht und unprofessionell ausgeführt wurde, bleibt zurzeit ungeklärt.“
Bürgerentscheid zur Fusion von Nahe und Itzstedt: Bürger wittert „Beeinflussung“ durch Amt
Worum geht es? Zunächst: Den Bürgerentscheiden gingen zwei Bürgerbegehren voraus, also Unterschriftensammlungen in beiden Gemeinden. Die (erfolgreichen) Initiativen befürworten die Fusion, in ihnen engagieren sich unter anderem Mitglieder der Grünen und der SPD. Hingegen gibt es beispielsweise von der CDU eine klare Ablehnung.
Die Gemeindeordnung von Schleswig-Holstein sieht in Paragraf 16 vor: Den Bürgerinnen und Bürgern müssen sowohl die Standpunkte, die das Bürgerbegehren vertritt, als auch der beiden Gemeindevertretungen schriftlich im gleichen Umfang dargelegt werden. Das Bürgerbegehren fragt nach einer Zustimmung zur Fusion spätestens zum Jahreswechsel 2023/2024 – klar, denn das ist ja das Ziel der Initiatoren.
Im offiziellen Anschreiben werden nur „Pro“-Argumente aufgelistet
Entsprechend werden auch nur „Pro“-Argumente aufgelistet: Es gebe bereits eine gemeinsame Identität, man könne Ortsentwicklung zusammen planen oder gemeinsame Naturschutzkonzepte, die Verwaltungsstrukturen würden vereinfacht – das sind einige Punkte.
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Auf politischer Ebene haben die Gemeindevertretungen teils wortgleiche Stellungnahmen verfasst, die bewusst allgemein gehalten sind. Anders wäre es nicht gegangen, da sich die Fraktionen nicht einig sind, ob sie die Fusion wollen oder nicht. Sie nehmen Bezug auf einen Beschluss des Gemeinschaftsausschusses, der mehrheitlich noch einmal eine externe Beratung wollte.
Das Problem: Online steht – quasi als Vorwort – der Verweis auf die Gemeindeordnung. Dieser fehlt in den schriftlichen Benachrichtigungen. Rüdiger Weise: „Als geneigter Leser ist man überfordert. Es wird an alle Haushalte, an alle wahlberechtigten Bürger verteilt. Die es nicht interessiert, schmeißen es weg. Die anderen schauen sich den Beipackzettel an und sagen: Aha, ich muss also für die Fusion stimmen.“
Er findet: Es könne nicht vorausgesetzt werden, dass alle Betroffenen in den Feinheiten der Gemeindeordnung bewandert seien. Weise hat bei der Kommunalaufsicht Beschwerde eingereicht und zudem Kontakt zu einer Kanzlei für Verwaltungsrecht aufgenommen.
Amt Itzstedt: Leiter der Verwaltung reagiert gelassen auf Vorwurf
Das Abendblatt hat beim Amt Itzstedt nachgefragt. Der leitende Verwaltungsbeamte Torge Sommerkorn kennt den Vorwurf – und reagiert gelassen. „Wir haben uns mit der Kommunalaufsicht ausgetauscht. Es geht darum, dass die Standpunkte der Gemeindevertretungen und der Antragsteller in gleichem Umfang zur Geltung kommen müssen. Natürlich hat man keinen Einfluss darauf, was dort geschrieben wird.“
Sommerkorn spricht von „redaktionellen Gründen“, warum sich die Formulare auf der Internetseite des Amtes von jenen unterscheiden, die verschickt worden. Und: „Der Paragraf 16 muss nicht zwingend genannt werden.“
Die politischen Lager sind gespalten und mobilisieren kräftig
Nicht vorgesehen ist, dass die Standpunkte der Gemeindevertretungen differenzierter sein sollen. Auch wenn die Fraktionen keinesfalls einer Meinung sind: „Das ist unüblich. Die Fraktionen können ja für ihre Standpunkte werben.“
Aber eben nicht auf dem Amtsschreiben, sodass die Aussagen hier sehr allgemein gehalten sind. Und in der Tat haben die Bürgerinnen und Bürger in letzter Zeit bereits einige Flyer von Parteien und Wählergemeinschaften erhalten. Die Mobilisierung läuft also.
Die inhaltliche Debatte dürfte in den nächsten Wochen zunehmen. Eine zentrale Bedeutung kommt nun den beiden Einwohnerversammlungen zu: am Donnerstag, 20. Oktober (19.30 Uhr, Sporthalle) in Nahe, am Montag, 24. Oktober (19.30 Uhr, Juhls Gasthof) in Itzstedt. Hier sind jeweils Experten eingeladen, die Fragen der Bevölkerung beantworten.
Itzstedt und Nahe: Das sind die Voraussetzungen, damit die Fusion kommt
Die CDU Nahe veranstaltet schon am Mittwoch, 19. Oktober (19.30 Uhr, Bürgerhaus Nahe) zusammen mit der Initiative „Nahe bleibt Dorf“ eine Diskussionsrunde – der Titel „Fusion Nein Danke“ verdeutlicht, dass die Christdemokraten strikt gegen den Zusammenschluss sind. Seitens der Befürworter von Grünen und SPD findet ebenfalls im Bürgerhaus am 28. Oktober, 19 Uhr, ein Bürgerdialog statt.
Damit es zu einer Fusion kommt, muss die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen die Frage mit „Ja“ beantworten. Und zwar in beiden Orten – sonst ist der Zusammenschluss gescheitert. Zweite Voraussetzung: Es muss sich jeweils um mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten handeln. Das wären in Itzstedt 433 von 2164 Personen, in Nahe 421 von 2104 Personen.