Itzstedt/Nahe. Nachbarorte könnten vereinigt werden. Doch Meinungen gehen auseinander. Was Initiativen bisher bewegt haben und wie es weitergeht.
Es wird immer wahrscheinlicher, dass in Itzstedt und Nahe bereits im kommenden Herbst zwei identische Bürgerentscheide um die möglicherweise gemeinsame Zukunft der beiden Nachbarorte stattfinden wird. Es geht um eine existenzielle Frage: Sollen die Dörfer eine Fusion eingehen – oder nicht?
Die Meinungen dazu in der Politik und in der Bevölkerung gehen auseinander. Da, anders als ursprünglich anvisiert, ein Bürgerentscheid am 8. Mai – dem Tag der Landtagswahl – nicht möglich war, hatten sich in den Orten Initiativen aus den Reihen der SPD und der Grünen gebildet, die Tatsachen schaffen wollten.
Fusion von Nahe und Itzstedt? „Jetzt wird abgestimmt!“
Sie sammelten – nicht explizit im Namen ihrer Parteien, sondern als Privatpersonen – in einem Bürgerbegehren Unterschriften, um auf diese Weise einen Bürgerentscheid herbeizuführen. Diese Möglichkeit sieht die Gemeindeordnung in Schleswig-Holstein vor.
Und: Binnen weniger Wochen scheint es funktioniert zu haben. Jeweils rund 200 Signaturen von Wahlberechtigten – jeweils aus Nahe oder Itzstedt – mussten dem Amt Itzstedt und der Kommunalaufsicht vorgelegt werden.
„Wir haben aus Itzstedt 296 Unterschriften für ein Bürgerbegehren zur Durchführung eines Bürgerentscheids gesammelt. Vor 14 Tagen hatten wir schon 300 aus Nahe abgegeben. Das wurde von der Kommunalaufsicht auch schon geprüft und an das Amt zurückgegeben, damit die Unterschriften geprüft werden. Wir mussten sowohl in Nahe als auch in Itzstedt nur 200 sammeln, von daher sind 300 eine Sicherheit. Ein paar werden immer nicht stimmen.“
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Spätestens zum Jahreswechsel 2023/2024 könnte die Fusion erfolgen
Das sagt Heiko Ehwald, der zusammen mit Ralf Köhn die Unterschriften bei der Amtsverwaltung abgegeben hat. Von dort gehen die Dokumente nach Bad Segeberg zur Kommunalaufsicht, dann wieder nach Itzstedt.
Die Fragestellung war formal bereits einwandfrei. „Sind Sie dafür, dass die Gemeinde Itzstedt (bzw. Nahe; d. Red.) spätestens zum Jahreswechsel 2023/2024 sich mit der Gemeinde Nahe (bzw. Itzstedt; d. Red.) vereinigt, sofern die Gemeinde Nahe (bzw. Itzstedt; d. Red.) der Fusion zustimmt?“
Diskutiert wird seit Jahren. 2017 hatte es eine Einwohnerversammlung gegeben, bei der das Thema präsentiert wurde. Bei einer Kommunalwahl wechselten die Mehrheiten, es folgten Beratungen, Vorträge von Experten. Im Herbst 2020 beschlossen die Gemeindevertretungen, dass zur Bundestagswahl 2021 ein Bürgerentscheid stattfinden solle. Daraus wurde nichts – auch, weil die Pandemie viele Prozesse aufhielt.
Nahe und Itzstedt: Im März stritt Politik stundenlang über Fusion
Vor Weihnachten 2021 ging es in die nächste Runde. Heiko Ehwald (in Itzstedt) sowie die SPD (in Nahe) beantragten jeweils einen Bürgerentscheid am 8. Mai. Das wurde abgelehnt. Man vertagte sich auf das Frühjahr und den Gemeinschaftsausschuss im März. Nach stundenlanger Debatte fand sich dort nur eine knappe Mehrheit, um eine Machbarkeitsstudie zu beschließen.
Auch die beiden Bürgermeister Helmut Thran (Itzstedt, SPD) – ein Verfechter der Fusion – und Holger Fischer aus Nahe (Wählergruppe Dorfgemeinschaft Nahe) – sehr skeptisch – vertraten unterschiedliche Positionen. „Das war der Anlass, dass wir gesagt haben: Wir nehmen es selber in die Hand. Jetzt muss es langsam mal passieren. Unser Ziel ist, vor der Kommunalwahl 2023 ein Ergebnis zu haben“, so Ralf Köhn.
„Doppelstrukturen machen keinen Sinn“
Itzstedt und Nahe haben jeweils rund 2600 Einwohner, sie sind bereits ein sogenannter ländlicher Zentralort, man erhält vom Land jährlich Geld für gemeinsame Projekte (2022: 413.676 Euro). Manchen reicht das, andere wie Heiko Ehwald sagen: „Hier wird wie in einem Ort gelebt. Dann machen die Doppelstrukturen auch keinen Sinn. Und auch nicht, dass Orte unterschiedliche Entscheidungen zu selben Sachverhalten treffen.“
Ehwald und Köhn sind Parteimitglieder der Grünen, lokalpolitisch aber noch bei der Wählergemeinschaft UBI (Unabhängige Bürger für Itzstedt) und der SPD aktiv. 2023 werden die Grünen in beiden Orten bei der Kommunalwahl erstmals antreten. Dann werden die Gemeindevertretungen sowieso gewählt – und im Falle einer Fusion eben dann nur noch eine statt zwei, sofern der Vertrag über die mögliche Verschmelzung bis dahin geschlossen ist. Andernfalls müsste eben für Itzstedt und Nahe ein zweites Mal gewählt werden.
Bürgerentscheide müssten binnen drei Monaten stattfinden
Wie es jetzt weitergeht? Sobald die Kommunalaufsicht die Bürgerbegehren als erfolgreich anerkennt, muss binnen drei Monaten ein Bürgerentscheid folgen, das ist gesetzlich so vorgeschrieben. Demnach müssten sich die Gemeindevertretungen nach den Sommerferien rasch auf einen Termin einigen, also mutmaßlich einen Sonntag im November.
Ein Bürgerentscheid ist erfolgreich, wenn erstens die Mehrheit mit „Ja“ (also in diesem Fall für die Fusion) stimmt und es sich zweitens um mindestens 20 Prozent aller aufgerufenen Wahlberechtigten handelt.
Die einzige Alternative wäre, dass die Politik über eine Fusion abstimmt. Theoretisch wäre das erlaubt, doch in diesem Falle nicht sinnvoll, da sind sich alle einig. Ehwald: „Wir sind nur bedingt gesprächsbereit. Welches Gespräch sollen wir denn führen, um es wieder um Jahre zu verschieben? Nein, jetzt wird abgestimmt.“
Fusion Nahe/Itzstedt: Bald könnte der Wahlkampf beginnen
Es wird in jedem Ort eine gesonderte Informationsveranstaltung geben. Zudem müssen die Gemeindevertretungen Stellungnahmen abgeben – wie auch immer die lauten könnten.
Die Parteien und Wählergemeinschaften könnten ihrerseits informieren, es wäre ein Wahlkampf im Schnelldurchlauf. „Wir haben unsere Argumente, die werden wir transportieren. Für uns ist die Sache klar, wir haben unseren Wahlkampf begonnen“, sagt Heiko Ehwald.