Henstedt-Ulzburg/Kiel. Schließung der Station in Henstedt-Ulzburg war Thema der Landespolitik. Eine CDU-Abgeordnete wurde sehr emotional.

Die Schließung der Geburtshilfe in der Paracelsus-Klinik in Henstedt-Ulzburg und die Situation der Geburtshilfe im Land im Allgemeinen, war am Freitag bei der Sitzung des Schleswig-Holsteinischen Landtages der erste Tagesordnungspunkt.

Es wurde eine am Ende sehr emotionale Debatte – und es flossen sogar Tränen. Denn ganz zum Schluss des einstündigen Meinungsaustauschs der Politiker ergriff die CDU-Abgeordnete Uta Wentzel aus Glücksburg das Wort und berichtete „mal aus der Praxis“.

Paracelsus-Klinik: Tränen im Landtag bei der Diskussion um die Geburtshilfe

Nämlich von ihren Erfahrungen in der Geburtshilfe und den Kliniken im Land. „Bei meiner letzten Geburt war ich stundenlang alleine, weil vor mir sechs andere Frauen entbinden mussten – das war nicht schön“, sagte Wentzel – und konnte ihre Tränen nicht zurückhalten.

Sie berichtete von Frauen aus ihrem Bekanntenkreis, die das zweite oder dritte Kind nur noch in Geburtshäusern oder Zuhause entbinden wollten, weil sie negative Erfahrungen in den Kliniken scheuten. „Das machen sie, obwohl ihnen die Risiken für Hausgeburten bekannt sind.“

Alle Parteien wollen eine bessere Geburtshilfe im Land

Wentzel berichtete auch von Müttern, die immer noch traumatisiert seien nach ihren Kaiserschnitten in Kliniken. Und von ihrer Beleghebamme aus dem Geburtsvorbereitungskursus, die von nun an nur noch Hausgeburten anbieten möchte.

Wentzel bedankte sich schließlich beim Plenum für die Debatte über die Geburtshilfe. Denn trotz unterschiedlicher Sicht auf die Dinge, eine es doch alle Parteien, dass man die Geburtshilfe im Land für die Eltern verbessern wolle. Es gab lang anhaltenden Beifall von allen Fraktionen für Wentzel.

„Situation verschlechtert sich. Und die Landesregierung schaut zu“

Zuvor drehte sich die Debatte um das, was sich ganz aktuell verschlechtert hat – nämlich die Schließung der Geburtshilfe und Gynäkologie in der Henstedt-Ulzburger Paracelsus-Klinik. Birte Paul sagte für die SPD-Fraktion: „Seit Jahren reden und diskutieren wir hier im Landtag zur Situation der Geburtshilfe. Und es ändert sich nichts, im Gegenteil die Situation verschlechtert sich weiter. Und die Landesregierung schaut zu.“

Im Jahr 2021 seien in Schleswig-Holstein 21.428 Kinder geboren, 580 mehr als im Vorjahr. 6201 Kinder wurden 2021 in einer Geburtsklinik mit Level 4, also die niedrigste Versorgungsstufe, geboren. Die Paracelsus-Klinik ist eine davon. Wie das Klinik-Management bekannt gab, werden die Geburtshilfe und die Gynäkologe aus mangelnder Wirtschaftlichkeit geschlossen – trotz der fast 800 Geburten im Jahr. Man könne die „personellen und strukturellen Ressourcen für eine moderne Geburtshilfe“ nicht mehr gewährleisten, ohne den gesamten Standort in seiner Existenz zu gefährden, hieß es.

Personalmangel ist ein Kriterium für Schließungen

„Und ich befürchte, dass weitere Geburtskliniken des Levels 4 folgen werde“, sagt Birte Paul. „Das bedeutet aktuell berechnet auf die Geburtszahlen aus dem Jahr 2021, dass 1945 Geburten zusätzlich in anderen Häusern stattfinden. Glaubt irgendwer, dass das mit der angeblich begründeten Qualitätssteigerung einhergeht?“

Auch Hauke Hansen (CDU) nannte es „keine gute Entwicklung“, das die Paracelsus-Klinik die Geburtshilfeabteilung schließen wolle. „Geburten sind ganz besondere Erlebnisse im Leben der Menschen. Wir müssen sensibel mit dem Thema umgehen.“ Er betonte, dass auch der Personalmangel an den Kliniken zu Schließungen führe, weil gesetzliche Anforderungen nicht mehr erfüllt werden könnten.

Land will mehr Studienplätze für Hebammen anbieten

Und deswegen, so führte Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) aus, fördere das Land zum Beispiel das Neonatologische Simulationstraining, um medizinisches Personal in Level 4-Kliniken besser auf Notfallsituationen vorzubereiten. Und das Land wolle die Zahl der Studienplätze in den Hebammenwissenschaften erhöhen. Außerdem hole die Landesregierung die beteiligten Verbände an einen Tisch, um Lösungen zu erarbeiten. Dabei gehe es unter anderem um Kooperationen von Geburtskliniken.

Heiner Garg: „Paracelsus-Klinik ist Paradebeispiel, wie es nicht laufen darf“

Der ehemalige Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) forderte die Ehrlichkeit des Plenums ein: „Der Einfluss des Landes ist extrem begrenzt, wenn Versorgungsaufträge von Kliniken zurückgegeben werden. So ehrlich muss man auch mal sein.“ Den Ärger über die Schließung in Henstedt-Ulzburg teile er ohne Einschränkung. „Die Paracelsus-Klinik ist Paradebeispiel, wie es nicht laufen darf. Da wird ausschließlich geschlossen aufgrund privatwirtschaftlicher Erwägungen. Und wir können uns nicht wehren.“

Es sei nicht richtig zu behaupten, für die betroffenen Frauen würde sich kaum was ändern, nur die Fahrtzeit zur nächsten Klinik. „Die meisten Kapazitäten liegen auf Hamburger Gebiet. Der größte Versorger im südlichen Schleswig-Holstein ist Hamburg. Wenn man das akzeptiert – wofür es gute Gründe gibt – dann muss es in Zukunft eine gemeinsame Krankenhausplanung zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg geben.“

Geburtshilfe: Land soll ein „Exempel in Henstedt-Ulzburg statuieren“

Und Garg fordert von der Landregierung, ein Zeichen zu setzen in Henstedt-Ulzburg. „Man muss kein Hellseher sein. Der Träger will andere Kapazitäten der Klinik ausbauen, vielleicht die Chirurgie oder Geriatrie – da könnte das Land dann sagen: Gibt es nicht, wir statuieren ein Exempel und lassen den Träger mit seiner Strategie nicht davon kommen.“

Garg sieht eine Lösung in einer Änderung der Krankenhausfinanzierung. Es müsse eine erlösunabhängige Basisfinanzierung geben. Die Grünen-Abgeordnete Uta Röpcke stimmte zu: Zusätzlich zu den Fallpauschalen brauche es Grundpauschalen, mit denen die Vorhaltekosten verlässlich abgebildet werden könnten. „Wenigstens in der Geburtshilfe und Pädiatrie, am besten überall.“

Schließlich wurde der Antrag von SPD und SSW einstimmig in den zuständigen Sozialausschuss verwiesen. Einen Antrag von SPD und SSW verwiesen die Abgeordneten einstimmig in den zuständigen Sozialausschuss. Die Antragsteller hatten darin für einen Paradigmenwechsel in der Geburtshilfe geworben. Über genau den wollen nun alle Fraktionen im Ausschuss debattieren.