Norderstedt. Drogendeals wie beim Pizza-Service: Wie fünf Angeklagte Konsumenten im Raum Norderstedt Drogen auf Bestellung lieferten.
Sechseinhalb Jahre Haft wegen bandenmäßigen Drogenhandels hat der Staatsanwalt im „Koks-Taxi“-Prozess vor dem Kieler Landgericht für den Chef der Norderstedter Bande gefordert. Zuvor hatten alle fünf Angeklagten umfassende Geständnisse abgelegt. Demnach betrieb die Bande im Kreis Segeberg einen Lieferdienst für Kokain, Amphetamine und Cannabis wie einen Pizza-Service.
Staatsanwalt Florian Müller-Gabriel sah die Vorwürfe der Anklage nach siebentägiger Beweisaufnahme weitgehend bestätigt. Der einschlägig vorbestrafte Bandenchef (26) aus Kaltenkirchen habe den Stoff in Hamburg beschafft und durch den Weiterverkauf mindestens 120.000 Euro erlangt. Bis zu zehn Zusteller belieferten die Kunden zwischen April und Dezember vergangenen Jahres im Pkw frei Haus.
Prozess Landgericht: Chef der „Koks-Taxi“-Bande soll sechs Jahre in Haft
Strafverteidiger Martin Schaar nannte die regional begrenzte Organisation der Bande und die nachweisbaren Drogenmengen „überschaubar“. Die Rede war von knapp einem Kilo Kokain, acht Kilo Marihuana und geringeren Mengen Amphetamine und Ecstasy. Schaar forderte eine Freiheitsstrafe von unter sechs Jahren für den Hauptangeklagten.
Der Kieler Rechtsanwalt beantragte zudem, seinen Mandanten auf freien Fuß zu setzen. Der 26-Jährige sei in U-Haft Vater geworden, seine Verlobte habe im Prozess regelmäßig Präsenz gezeigt. Angesichts enger familiärer Bindungen sei eine zu erwartende Restverbüßung von dreieinhalb Jahren bei guter Führung kein echter Fluchtanreiz, so der Verteidiger.
Verteidigung fordert mildere Strafen für die Täter
Drei Jahre und zehn Monate Haft forderte Staatsanwalt Müller-Gabriel für den Stellvertreter des Bandenchefs. Der 40-Jährige habe mindestens zehn Mal Drogen zugestellt und eine Garage in Norderstedt als „Bunker“ angemietet. Andererseits habe er nach seiner Festnahme sofort erhebliche Aufklärungshilfe geleistet: „Die Anklage beruht ganz wesentlich auf seiner Aussage“, so der Staatsanwalt.
Verteidigerin Nicola Toillié verwies auf weitere Milderungsgründe für den zweiten Mann im Bandengefüge und forderte maximal zwei Jahre auf Bewährung. Der ehemalige Bundeswehrsoldat und Rettungssanitäter habe in einer Lebenskrise stets auf Anweisung des Chefs gehandelt, mit dessen Schwester er liiert war.
Zeuge ist im Gefängnis als „Verräter“ isoliert
In U-Haft sei ihr Mandant als Verräter isoliert und verlasse aus Angst vor Repressionen kaum seine Zelle. „Kurios“ nannte es Rechtsanwältin Toillié, dass die Polizei dem Treiben der Bande „sechs Monate lang zugeschaut“ habe, wo es dem Gesetzgeber beim Kampf gegen organisierte Drogenkriminalität doch um die Volksgesundheit gehe.
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Für den 27-jährigen „Schreiber“ der Bande, der die Lieferungen von einer „Taxizentrale“ in Kaltenkirchen telefonisch koordinierte, fordert der Staatsanwalt vier Jahre und drei Monate Haft. Für den fleißigsten Drogenkurier (55) aus Henstedt-Ulzburg plädierte er auf vier Jahre. Die Verteidiger fordern mildere Strafen. Der „Schreiber“ sei austauschbar gewesen und nur wegen Beihilfe zu einer Bewährungsstrafe zu verurteilen.
Prozess: Weitere Fahrer und Helfer stehen bald vor Gericht
Mit dieser will der Staatsanwalt nur einen nicht vorbestraften Aushilfsfahrer ziehen lassen. Der 41-Jährige aus einem Dorf östlich von Kaltenkirchen ließ sich kurz vor dem Auffliegen der Bande für zwei Touren als Kurier einspannen. Das Urteil wird am kommenden Mittwoch erwartet.
Damit ist der Fall für die Justiz aber noch nicht abgeschlossen: Der Bandenchef und Drahtzieher beschäftigte laut Staatsanwaltschaft weitere Fahrer und Helfer, die sich demnächst in gesonderten Verfahren verantworten müssen.