Hamburg. Laut Richterin gab es ein “perfekt aufeinander abgestimmtes arbeitsteiliges Vorgehen“. So funktionierte das Drogen-Geschäft.
Das ebenso clevere wie schlichte Geschäftsprinzip funktionierte ein paar Monate richtig gut – schon deshalb, weil es dem auf maximalen Komfort gerichteten Zeitgeist Rechnung trug. Doch die Idee, Drogen in Hamburg und ins Umland auf Bestellung mit dem Auto auszuliefern, zahlte sich für die Mitglieder der „Koks-Taxi"-Bande letztlich nicht aus.
Der Kopf und Erfinder, David G., hat sich wohl nach Serbien abgesetzt; seine Komplizen sitzen bereits hinter Gittern. Sie bekommen jetzt Gesellschaft von vier weiteren Mitgliedern, die das Landgericht am Dienstag wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu Strafen zwischen vier Jahren und vier Monaten und vier Jahren und neun Monaten verurteilt hat. Außerdem ordnete es die Einziehung der Drogenumsätze und Gewinne an – die Beträge reichen von rund 90.000 bis zu über 700.000 Euro. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Prozess Hamburg: Koks-Taxi-Bande – Richterin kritisiert Verteidigung
Bevor die Vorsitzende Richterin das Urteil begründet, kritisiert sie – sichtlich ungehalten – die Verteidigung. In ihren Plädoyers hätten die Anwälte die „Sachebene verlassen“ und stark „emotionalisiert“, indem sie etwa behaupteten, der angeklagten Gamse D. sei der Weg als „Sexarbeiterin“ vorgezeichnet, wenn sie nach einer Verurteilung in ihr Heimatland abgeschoben werden würde.
Zudem sei es „schlicht falsch“ zu behaupten, dass Cannabis nicht gefährlich sei, und es sei „verharmlosend“, den hier zugrundeliegenden Drogenhandel per Auto einem Pizza-Lieferdienst gleichzustellen.
Prozess Hamburg: Koks-Taxi-Bande arbeitete im Schichtdienst
Wenn es eine Schnittmenge zwischen legalem und illegalem Bringdienst gibt, dann ist es wohl die Effizienz. Wer für was zuständig sein sollte, hatte die „Koks-Taxi-Bande“ klar geregelt. Gearbeitet wurde im Schichtdienst, teils von 0 bis 12 und von 12 bis 0 Uhr.
Gamse D. (24) und Karen O. (23) packten den von Hintermännern beschafften Stoff in einer „Bunkerwohnung“ an der Holstenstraße in Tütchen, übergaben sie dem Fahrer und verwalteten die Vortages-Umsätze. Thorsten H. (26) nahm als „Schreiber“ die Bestellungen per WhatsApp entgegen. Stefan L. (28) karrte den Stoff mit dem Auto zum vereinbarten Treffpunkt.
Koks-Taxi-Bande flog nach Auswertung der Encrochat-Datensätze auf
Unter der Woche war das Hamburgische Liefergebiet in West und Ost geteilt, am Wochenende zusätzlich in Nord und Süd. Kunden aus dem Umland mussten eine Mindestbestellmenge abnehmen. Seit September 2020 brummte das Geschäft. Laut Richterin gab es ein "perfekt aufeinander abgestimmtes arbeitsteiliges Vorgehen". Nach Auswertung der Encrochat-Datensätze flog das Treiben der Bande im Juli 2021 auf.
Die ausgelieferten Mengen und die Umsätze habe man zugunsten der Angeklagten „äußerst großzügig“ berechnet, so die Richterin. Die Kammer gehe davon aus, dass sie pro Woche Kokain, Marihuana und Ecstasy-Tabletten im Wert von 36.000 Euro verkauft und jeweils mindestens 1000 Euro Lohn kassiert hätten. Bei allen Angeklagten nehme das Gericht nur deshalb einen minderschweren Fall an, weil sie ihre Taten gestanden und bereut hätten. Für Gamse D. habe sich zusätzlich strafmildernd ausgewirkt, dass sie sich freiwillig und schon vor Beginn der Ermittlungen von der Bande gelöst hatte.
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Prozess Hamburg: Gericht sieht bei Angeklagten Fluchtgefahr
Von der Torheit, sich an einem zum Scheitern verurteilten Drogen-Lieferdienst zu beteiligen, blieb auch Karen O. nicht verschont. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei ihm zwar um ein „schlaues Köpfchen“ – nur sei er auch jemand, der in sichergestellten Chats durch äußerste Verachtung gegenüber der Staatsgewalt auffiel. Da hieß es etwa mit Blick auf Zoll- und Polizeibeamte. „Das sind diese Nutten-Söhne, die von mir mit Papierkugeln abgeschossen werden.“ Gegen die vier Angeklagten spreche die enorme Menge der gehandelten Drogen.
Wenn das Quartett gehofft hatte, vorläufig wieder auf freien Fuß zu kommen, wurde es am Dienstag bitter enttäuscht. Bei allen Angeklagten sieht das Gericht Fluchtgefahr – an dieser Einschätzung änderten auch Kinder, ein fester Wohnsitz, eine vermeintliche Läuterung oder eine beabsichtigte Ausbildung nichts. Es sei davon auszugehen, so die Richterin, dass sie im Fall einer Haftverschonung untertauchen und sich abermals der Organisierten Kriminalität anschließen würden.